LISKon 2024: Wissing bringt das „Deutschlandnetz für Lkw“ auf den Weg

Eckpunkte zum Lkw-Ladenetz, Kritik an den kommenden Sonderzöllen und die Preisgestaltung an Ladesäulen: Am Rednerpult der BMDV-Ladeinfrastruktur-Konferenz in Berlin sind heute markige Worte gefallen. Ein Beispiel: Die Reichweitenangst werde „aus dem Wortschatz gestrichen“ – so gesagt von Verkehrsminister Volker Wissing. Außerdem am Mikro: Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur.

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Bild: Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur/LinkedIn

In Berlin ist heute das Who-is-Who der deutschen Ladeinfrastruktur-Branche zusammen gekommen. An historischer Stätte in den Bolle Festsälen tauschen sich über 500 Besucher zu den Entwicklungen rund um den hiesigen Ladeinfrastrukturausbau aus. Besondere Schwerpunkte bilden dabei das Deutschlandnetz für E-Pkw und das initiale Ladenetz für E-Lkw – beides Großprojekte, die der Bund über Ausschreibungen steuert. Und einige der wenigen eMobility-Vorhaben, für die die Regierung überhaupt noch Förderungen vorsieht.

Zum künftigen Lkw-Netz hat Volker Wissing (FDP) schon in der vormittäglichen Grußrede ein paar Exklusivinfos parat, auf die die deutsche Lkw-Branche lange warten musste: In Deutschland startet die Ausschreibung für das initiale Lkw-Ladenetz diesen Sommer. Geplant sind entlang der Autobahnen bundesweit mindestens 350 Standorte mit 4.200 MCS- und CCS-Ladepunkten. Begonnen wird angesichts eines inzwischen selbst bei Laien zur Bekanntheit gelangten Gerichtsverfahrens (Tesla/Fastned vs. Autobahn GmbH) aber zunächst notgedrungen nur an unbewirtschafteten Rastanlagen. Die Netzanschlüsse werden aber auch an den bewirtschafteten Rastanlagen bereits unter Vorleistung des Bundes vorbereitet. Wissings Botschaft: Das „Deutschlandnetz für Lkw“ ist auf dem Weg.

Grob umrissen hatte diese Pläne vor ein paar Tagen bereits ein Artikel des „The Pioneer“. Wissing versichert vor den 500 Konferenzbesuchern, dass die zuständigen Verteilnetzbetreiber „demnächst“ die Aufträge für die benötigten Netzanschlüsse erhalten werden. Außerdem erwähnt er, dass zur Standortbestimmung der künftigen Ladehubs Lkw-Maut-Daten genutzt worden seien. Auf diesen datenbasierten Ansatz ist der Minister, der die „Digitalisierung“ in seinem Ministertitel ja noch vor dem „Verkehr“ führt, sichtlich stolz.

„Deutschland-Tempo für dieses strategische Projekt in der Bundesrepublik“

Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur und Bereichsleiter bei der NOW GmbH, ergänzt in seiner anschließenden Rede, dass die Skalierung im Lkw-Ladebereich noch schneller erfolgen müsse als bei den Pkw, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Und hier gehe es nicht um Privatfahren, sondern um Warenketten. „Die Standorte sind definiert, jetzt folgt eine sehr, sehr große Ausschreibung“. Gleichzeitig fordert Pallasch von allen beteiligten Akteuren „eine Haltung, ein Deutschland-Tempo für dieses strategische Projekt in der Bundesrepublik“.

Wissing nutzt den Auftritt sonst vor allem als Gelegenheit, die bereits erfolgten Weichenstellungen zu betonen und Deutschland als internationalen Vorreiter im Ladeinfrastruktur-Rollout zu verorten. Die in den letzten Monaten einkassierten eMobility-Förderungen oder das Reizthema Wasserstoff umfährt er dabei weiträumig. Über die aktuelle Delle in der E-Auto-Nachfrage kommt er dafür ohne Umwege auf die geplanten Sonderzölle der EU auf E-Autos aus China zu sprechen. Ein Graus für Liberale – entsprechend fällt auch Wissings Einschätzung aus, dass hohe Einfuhrzölle für Elektroautos aus dem Ausland in diesem Fall eher schaden als helfen. „Denn sie führen nicht zu niedrigeren, sondern im Zweifel zu höheren Preisen – und nehmen auch noch Wettbewerb aus dem Markt.“ Wenn es denn Wettbewerbsungleichheiten gebe, sollt man sich eher mit der Frage beschäftigen, wie diese abgeschafft werden könnten – im Dialog. „Aber nicht die zu teuren Fahrzeuge noch teuerer machen. Ich glaube, das ist nicht zu Ende gedacht.“

Kunden entscheiden sich in Wissings Augen nur bei einem „überzeugenden Angebot“ für E-Autos. Und er kann das auch aus eigener Erfahrung bestätigen: Im Moderatoren-Gespräch erfahren wir, dass Wissing vergangenes Jahr von einem Hybrid- auf ein reines Elektroauto umgestiegen ist und an der heimischen Wallbox lädt. Er selbst hätte erst im Nachhinein im Alltag richtig realisiert, dass er öffentliche Ladeinfrastruktur in 100 bis 200 Kilometer Umkreis gar nicht brauche. „Das Entscheidende sind die Ladesäulen entlang der Fernstraßen. Die müssen verfügbar sein, da darf es keine Wartezeiten geben.“

Wo wir beim Deutschlandnetz wären: Wissing ist bemüht, Aufbruchstimmung zu signalisieren – und läutet im Saal jene Werbekampagne ein, die das 1.000-Standorte-Netz nun in der Breite bekannt machen soll. Der Slogan:  „Das Deutschlandnetz ist da. Und bald auch da, da, da.“ Laut dem Verkehrsminister soll die Botschaft rüberkommen, dass die 9.000 Ladesäulen ganz Deutschland abdecken. „Wir streichen die Reichweitenangst aus dem Wortschatz“. Und zwar nicht irgendwann, sondern schnell. An dieser Stelle wird Wissing etwas unscharf, spricht einerseits davon, dass das Deutschlandnetz „Aktualität und Realität“ sei, Deutschland „ready“ sei und es sich um kein Zukunftsprojekt handele. Andererseits äußert er an anderer Stelle, dass man natürlich noch nicht am Ziel sei, weswegen „die Kampagne noch ein bisschen in die Zukunft gerichtet ist“. Ein einzelner Standort ist bisher bekanntlich in Düren eröffnet worden.

Klar ist unterdessen, dass Wissing beim Ladeinfrastruktur-Ausbau noch mehr Engagement der Gemeinden und Kommunen sehen möchte. Sie seien verantwortlich für die Genehmigungen in ihrem Einzugsgebiet. Außerdem betont der Minister, dass Lade- und Stromnetze zusammen gedacht werden müssten und er auch die Weichen für bidirektionales Laden stellen wolle. Bei alledem sollen Daten und Digitalisierung noch stärker genutzt und Akteuren – wie den Städten – verfügbar gemacht werden.

Mit einer Einordnung, wie es um den Roll-out in Deutschland steht, übernimmt Pallasch die Bühne – „Kilometer zwei eines Marathons“, damit stimmt er die versammelten Branchenvertreter auf die noch lange Reise der „größten Transformation in der Geschichte der Automobilindustrie“ ein. Die Message seines Auftritts: Wir müssen denken wie ein Nutzer. Das fängt bei der Kaufentscheidung an („Verbraucher müssen das Produkt toll finden“) und schließt das Ladeökosystem ein. Angesichts der seit Anfang des Jahres schwächelnden E-Auto-Nachfrage ist das Ladeangebot laut Pallasch etwas in den Vorlauf gekommen. Weitere E-Autos sollten also nicht zu lange auf sich warten lassen, um dem Roll-out-Gleichschritt bei Stromern und Ladern mit Blick auf die sensiblen ökonomischen Kalkulationen wieder näher zu kommen.

Pallaschs Tenor ist an diesem Tag grundlegend optimistisch, wenn auch nicht kritikfrei. Neben den bekannten Bremsklötzen, wie Netzanschlusskapazitäten oder der noch fehlenden Offenheit neuer Verbrauchersegmente nennt er aber vor allem ein Thema, das ihn „gerade nervös macht“: „Wir waren beim Thema Pricing schon einmal weiter. Wir kommen jetzt in letzter Zeit wieder in eine Welt rein, wo man sich als E-Mobilist wieder mehrere Ladekarten anlegt.“ Als Grund nennt er zunehmende Abomodelle von Ladesäulenbetreibern (CPOs), bei denen es die E-Mobility Provider schwer haben. Aus Pallaschs Sicht spielen einige CPOs ihre lokale Macht aus, bieten günstige Abo-Preise in ihrem Gebiet, aber lassen jenseits davon kräftig draufzahlen. Das Roaming wird so ausgehebelt, was laut Pallasch bei Bürgern zu „hoher Verunsicherung wegen der riesigen Preisspreizung und Tarifvielfalt führt“.

Quelle: Livestream zur Ladeinfrastruktur-Konferenz 2024 des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in Berlin, bmdv.bund.de, linkedin.com

8 Kommentare

zu „LISKon 2024: Wissing bringt das „Deutschlandnetz für Lkw“ auf den Weg“
Maggus
20.06.2024 um 17:51
Ich fahre seit 2018 rein elektrisch. Als Laternenparker welche auch noch auf Roaming angewiesen ist komme ich nun das erste mal wieder zu ernsthaften Überlegungen zurück auf einen Benziner zu wechseln. Die derzeitige, maligne Entartung der Preise für Ladestrom sind nicht mehr vermittelbar. Jeder Preis oberhalb von 60ct/kWh ist absoluter Wucher und Abzocke.
RWS
20.06.2024 um 20:01
Seit fast 3 Jahren fahre ich mit Begeisterung einen Nissan Leaf. Hatte diesen als Leihwagen bekommen, während mein Diesel in Reparatur war. Ich war sofort von dem Voll-Elektro überzeugt. Ich fahre im Jahr gut 30.000km und der Leaf zeigt jetzt mit knapp 90.000km keinerlei Schwächen. Touren nach Prag, Amsterdam usw. ergaben keinerlei Probleme, was die Ladeinfrastruktur anging, auch wenn es immer mal defekte Ladesäulen gab, die wegen schlechter Wartung nerven. Durchschnitt Verbrauch im Sommer 15,6kw auf 100km und im Winter 16,4kw. Ich habe einen 66kw Akku. Einzig der CHAdeMO Anschluss trübte das ganze Fahrerlebnis, diese werden immer seltener. Seit die Preise an den öffentlichen Ladesäulen so immens gestiegen sind, das für Typ 2 satte 0,60€ pro kw die oft nicht mal 11kw/h Ladeleistung bringen, und teils über 0,80€ pro kw bei s.g. Schnelllader die nur magere 45kw/h leisten abgezockt werden, vergeht auch mir der Spaß. Da bleibt das Umweltbewusstsein doch etwas aufder Strecke, wenn man als E-Fahrer mit ansieht, das trotz der teuren Anschaffung die Verbrenner wesentlich günstiger und schneller unterwegs sind. Der extrem überteuerte Strom an den Ladesäulen zerstört die Visionen einer Zukunft mit weniger Abgasen auf den Straßen. Seit Anschaffung meines Elektro zahle ich gut 50% mehr für den Strom um ihn bewegen zu können. Mit dem Benziner meiner Frau sind wir günstiger unterwegs auf längeren Fahrten. Der Stromer lohnt nur noch mit dem Strom aus der Wallbox zuhause. So war es eigentlich nie gedacht!
Andre
20.06.2024 um 20:49
Ich empfinde sogar alles über 40 Cent als Wucher. Die Großhandelspreise sind sehr viel günstiger als das was wir zu Hause bezahlen und die Betreiber bekommen pro kWh auch noch ein paar Cent thg zurück. Diese Fragmentierung und Kostenexplosion ist echt ein Witz. Anfangs sollte das Deutschlandnetz auch nur maximal 44 Cent kosten, hat man im Nachgang gestrichen. Könnte ich nicht zu Hause laden wäre es bei mir ebenfalls kein Elektro geworden.
Robert
21.06.2024 um 07:04
"Gleichzeitig fordert Pallasch von allen beteiligten Akteuren „eine Haltung, ein Deutschland-Tempo" Oh Gott Deutschlandtempo das heißt mind. 10 Jahre Bauzeit Kostenexplosion auf mind. das dreifache auch ich sehe das preise über 44 Cent sind zu teuer und nicht mehr wirtschaftlich für ein E-Auto zum Glück kann ich zuhausen laden und zum teil sogar mit superbilligem Solarstrom
Maddin
21.06.2024 um 20:38
Wer meint ca. 60 Ct/kWh am externen Lader wäre Wucher, der soll es besser machen. Einfach Geld beschaffen, ein Netz von Ladestationen aufbauen, dazu Pacht/Miete f. die Flachen zahlen, massiv Werbung betreiben, mit gutem Service alles ins Schuß halten, ein kpl. BackEnd aufbauen mit 24h-Hotline, Abrechnungssystemen, usw. Dann noch Stromverträge schließen mit untersch. Netzbetreibern und nicht zu vergessen entspr. Personal aquirieren. Wer das alle geschafft hat, der sollte nochmal hier darüber reden ob er wenn er 60 Ct/kWh von den Kunden nimmt das selbst als Wucher sieht. Danke für's Lesen. (PS: Es wird wieder günstiger - aber erst mal muß Geld zurückfließen für den Invest und der E-Auto-Bestand sich verzehnfachen.)
Matthias
27.06.2024 um 09:10
Nicht zu vergessen die Kosten, die Vandalismus verursacht.
Maggus
24.06.2024 um 15:19
Die Preisgestaltung der Fahrstromanbieter sorgt im ehe schon durch die Mineralöllobby torpedierten E-Automarkt nicht gerade für eine Verkaufsförderung von E-Autos. In meinem Fall erwäge ich die Rückkehr zum Benziner. 2,40€ Benzinliteräquivalent an Kosten für Fahrstrom sind ein Marktkiller. Bleiben die Preise führ Fahrstrom auch nur mittelfristig so hoch wird kein Laternenparker mehr die Anschaffung eines Elektroautos erwägen.
Jörg
23.06.2024 um 15:56
Die Strom- und vor allem Roaminggebühren sind teilweise übelster Wucher. z.T. wird sogar zusätzlich per Zeit abgerechnet, mit schlanken 60 Cent pro Minute während des Ladevorgangs!Das gehört verboten!!

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