E-Gespräch: „Wir treten selbstbewusst an.“ Gernot Lobenberg, Berliner Agentur für Elektromobilität.

Gernot LobenbergBerlin hat keine wesentlichen Autohersteller oder Zulieferer vorzuweisen und will dennoch ein nationales Schaufenster für Elektromobilität werden. Den vermeintlichen Standortnachteil deutet der Vorkämpfer der Hauptstadt Gernot Lobenberg im E-Gespräch mit electrive.net in einen Vorteil um. Gerade die Unabhängigkeit von der Industrie sei eine Chance, sagt der Chef der Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO). Als Mitveranstalter des Konferenzprogramms im Rahmen der Clean Tech World erklärt Lobenberg auch, warum ausgerechnet die Mode- und Internetwirtschaft in Berlin ein Vorbild für die E-Mobilität sein könnte. Und, wo Laternenparker künftig den Strom für ihre E-Autos hernehmen.

Herr Lobenberg, Berlin hat neben Baden-Württemberg und Bayern die besten Chancen, ein nationales Schaufenster der Elektromobilität zu werden. Dürfen wir Ihnen schon gratulieren?

Lobenberg: Dazu ist es noch zu früh. Wir rechnen uns gute Chancen aus, ein Schaufenster der Elektromobilität zu werden. Wir bereiten uns auf die Ausschreibung vor, und wir treten selbstbewusst an. Aber noch hat die Ausschreibung gar nicht begonnen. An Spekulationen beteiligen wir uns nicht.

Berlin bietet einerseits reichlich Platz für verschiedenste Anwendungsgebiete, andererseits werkelt hier kein großer Hersteller an elektrischen Fahrzeugen. Ist die Nähe zur Bundespolitik Berlins einziger Trumpf?

Lobenberg: Die Hauptstadtfunktion, die Nähe zu Entscheidern in der Politik, zu internationalen Medien und Spitzenverbänden, ist sicher einer unserer Trümpfe, aber bei weitem nicht der einzige. Gerade die Herstellerneutralität, also die Tatsache, dass Berlin anders als andere deutsche Regionen nicht von einem großen Autobauer geprägt wird, ist in Wirklichkeit ein Vorteil. Denn so können wir mit allen sprechen und gemeinsame Projekte mit allen Herstellern angehen. Ein weiterer Vorteil ist die wissenschaftliche Exzellenz und hohe Forschungsdichte in Berlin, was Themen der Elektromobilität angeht – von smart grid über Batterien bis zu Antrieben und IT-Integration. Berlin bietet mit einem sehr gut ausgebauten Öffentlichen Nahverkehr und jungen, experimentierfreudigen Verbrauchern zudem ideale Voraussetzungen zur Erprobung neuer Geschäftsmodelle. Und, weil Elektromobilität ohne nachhaltige Stromerzeugung für uns nicht vorstellbar ist, bietet unser Nachbarland Brandenburg als Spitzenreiter in erneuerbaren Energien einen weiteren Standortvorteil.

Wie machen sich die konkurrierenden Regionen für Sie bemerkbar?

Lobenberg: Wir stehen in einem guten, kollegialen Austausch. Im September plant der Bund ein Treffen in Berlin, da werden wir alle an einem gemeinsamen Tisch sitzen.

Der ehemalige Flughafen Tempelhof und der künftige Ex-Airport Tegel bieten reichlich Fläche auch für Produktionsstätten. Wie soll es gelingen, dort entsprechende Fertigungsbetriebe anzusiedeln?

Lobenberg: Indem wir mit unseren Kompetenzen, unseren Projekten und natürlich den konkreten Standortvorteilen werben. Berlin ist heute schon die Hauptstadt der Elektromobilität in Deutschland – und das wissen auch die Investoren. Die genannten Areale bieten hervorragende Rahmenbedingungen – Tempelhof eher für Demonstration und Forschung, Tegel mehr für Entwicklung und Produktion. Sicher steht Berlin in einem harten Wettbewerb zu anderen Standorten, aber Investorenansiedlung ist auch kein Geschäft über Nacht. Da braucht man ein Gespür für Trends, Geduld und Überzeugungskraft. Das haben meine Kollegen von Berlin Partner, der Wirtschaftsförderung Berlins.

Wowereit elektromobil
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit unter Strom.

Mit DBM und der Zweirad-Schmiede Grace sitzen zwei vielversprechende Startups in der Region. Ist das der Berliner Weg, zunächst kleine Firmen anzulocken und durch geschickte Vernetzung aufzubauen, ähnlich wie es in der Mode- und Internet-Branche vorgemacht worden ist?

Lobenberg: Das ist gewiss einer der Wege zum Erfolg. Viele zunächst auch „verrückt“ erscheinende Ideen entstehen in der Hauptstadtregion und werden dann erfolgreich umgesetzt. Diese Kreativen zieht Berlin geradezu magisch an. Dazu kommen die zahlreichen Forschungseinrichtungen, aus denen sich viele, hoch innovative Unternehmen ausgründen. Diese Menschen wollen unbedingt in Berlin bleiben aufgrund der hohen Lebensqualität und der vielen Netzwerke, zu denen übrigens auch das Netzwerk von eMO gehört. Diese Startups haben einerseits das Potenzial schnell zu wachsen. Andererseits bieten sie sich als Kooperationspartner und Investitionsgelegenheit an und bieten daher eine attraktive Umgebung für die Ansiedlung weiterer, auch größerer Unternehmen aus der Branche.

Bei der Konferenz am Rande der „Clean Tech World“ wollen Sie erste Zwischenergebnisse des Masterplans „Elektromobilität Berlin-Brandenburg“ vorstellen. Was erwartet die Konferenz-Besucher konkret?

Lobenberg: Wir haben im März dieses Jahres unser „Aktionsprogramm Elektromobilität 2020“ mit großer Resonanz vorgestellt. Seitdem arbeiten wir an konkreten Projekten und Maßnahmen, wie wir unsere Ziele, Berlin zur Leitmetropole für Elektromobilität zu machen, konkret erreichen wollen. Das beginnt mit dem Ausbau elektrifizierter Flotten im CarSharing und im gewerblichen Verkehr, beinhaltet Maßnahmen, die den hervorragenden ÖPNV mit dem Individualverkehr verbinden und betrifft natürlich auch das Thema Speicherung und Ladeinfrastruktur. Darüber hinaus werden wir dort erstmals öffentlich das Konzept für unsere „Erlebniswelt Elektromobilität“, das wir auf dem Tempelhofer Flughafengelände errichten wollen, vorstellen.

Man sieht derzeit vor allem gewerbliche E-Fahrzeuge in der Stadt. Sollte Berlin selbst hier nicht verstärkt eigene Anreize für Endverbraucher schaffen, so wie es etwa einige US-Regionen tun?

Lobenberg: Ein sichtbarer Effekt überfordert nicht nur die Finanzkraft des Landes Berlin, sondern auch anderer Bundesländer und den Bund. In Berlin setzen auf innovative und nicht-monetäre Anreize, wie zum Beispiel eine hohe Dichte an Ladesäulen, Integration in den ÖPNV und interessante Carsharing-Modelle.

Die Berliner Verkehrsbetriebe haben E-Autos auf Busspuren bereits eine Absage erteilt. Scheitert die E-Mobilität in der Hauptstadt etwa am Starrsinn ihrer Bewohner?

Lobenberg: Die E-Mobilität in der Hauptstadt wird durch die Aufgeschlossenheit und Experimentierfreude ihrer Bewohner befördert werden und hängt nicht an einer solchen singulären Maßnahme. Das Thema Busspuren wird aus meiner Sicht völlig überschätzt. Es gibt viel bessere Anreize. So kann z.B. beim Aufladen an öffentlichen Ladesäulen in Berlin heute schon kostenlos geparkt werden. Trotzdem schließe ich auch für Berlin nicht aus, dass es ein wissenschaftlich begleitetes Experiment geben kann, das aber räumlich und zeitlich klar begrenzt wird.

Ich selbst wohne in einem Altbauviertel. Selbst wenn ich wollte, könnte ich mir gar kein E-Auto anschaffen, weil ich es nirgends aufladen könnte. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Lobenberg: Das hängt heute ganz entscheidend von der Größe und Reichweite Ihrer Kabeltrommel ab, die Sie zu Hause haben. Scherz beiseite: Dies ist eine der größten und gleichzeitig spannendsten Herausforderungen. Dazu werden viele Modelle diskutiert und getestet, wie induktives Laden, Mitnutzung von Parkscheinautomaten und Laternen oder auch ehemalige Standorte von Telefonzellen. Zunächst werden Sie Ihr E-Auto tagsüber am Arbeitsplatz aufladen, eine Schnellladestation ausprobieren oder Ihr Auto in einem Parkhaus oder auf einem halböffentlichen Parkplatz aufladen. Außerdem gibt es für solche Fälle Hybridfahrzeuge oder solche mit Range Extender. Am besten aber nutzen Sie gleich das elektrische Car-Sharing, dann brauchen Sie sich darüber gar keine Gedanken zu machen. In flächendeckende Ladeinfrastruktur für Carsharing und andere Flotten wird übrigens als erstes flächendeckend investiert werden.

Letzte Frage: Eine Million Elektro- und Hybridautos sollen 2020 über deutsche Straßen rollen. Wie viele werden es wirklich sein?

Lobenberg: Das ist das Ziel, bei dem wir kräftig mithelfen. Ob wir das erreichen, wie viele E-Autos es wirklich sein werden, kann Ihnen heute niemand wirklich sagen. Aber es geht heute nicht mehr um das Ob, sondern um das Wann, soviel ist schon mal klar.

Herr Lobenberg, vielen Dank für das E-Gespräch!

Disclaimer: electrive.net ist Medienpartner der Clean Tech World, die vom 30. September bis zum 02. Oktober in Berlin stattfinden wird. Die in diesem Zusammenhang erscheinenden Interviews obliegen allein der redaktionellen Verantwortung der Redaktion. Eine monetäre Vergütung findet nicht statt.

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