E-Gespräch: „Die großen Hersteller wollen nur Tank und Motor auswechseln.“ Thomic Ruschmeyer, BSM e.V.
Thomic Ruschmeyer ist ein Elektromobilist der ersten Stunde. Als Vorsitzender des Bundesverbandes Solare Mobilität (BSM) hat er schon so manche E-Rallye mitgemacht. Bei der Clean Tech World, die am Freitag in Berlin ihre Tore öffnet, betreut der BSM zwei Fachforen zur Netzintegration erneuerbarer Energien. Im E-Gespräch mit electrive.net zweifelt Thomic Ruschmeyer noch daran, dass es die deutschen OEMs mit ihren E-Modellen wirklich ernst meinen und erklärt, warum sich der BSM einer solaren Mobilität verpflichtet fühlt.
Sie kämpfen seit Jahren an vorderster Front für E-Mobilität in Deutschland. Wie hoch waren die Freudensprünge, die Sie bei der Präsentation der BMW-Elektroautos i3 und i8 gemacht haben?
Ruschmeyer: Die Modelle, die BMW vorgestellt hat, können sich sicher sehen lassen. Aus meiner Erfahrung kann ich nur hoffen, dass sie auch so auf die Straße kommen und den Qualitätsansprüchen des Herstellers genügen. Unverständlich ist uns dabei aber, warum bei dieser Neuentwicklung (also im Purpose-Design) der Anschluss des Ladesteckers wieder als anachronistischer Tankdeckel beim i3 seitlich und beim i8 oben im Kotflügel jeweils mit offener Klappe konstruiert wurde. Da sind gerade beim i8 im Winter die Probleme vorprogammiert.
Wie bedeutend ist es für Ihre Bemühungen, wenn der deutsche Marktführer im Premiumbereich visionäre Elektroautos baut?
Ruschmeyer: Es ist zunächst natürlich erfreulich, dass das Thema Elektromobilität auch bei den großen Automobilkonzernen in Angriff genommen wird. Deren Modellpolitik wirkt sich natürlich auf die Akzeptanz der Elektromobilität insgesamt aus. Als Vorsitzender eines Verbandes, der vor allem kleine und mittlere Unternehmen vertritt, sehe ich die Konkurrenz der OEMs allerdings mit gemischten Gefühlen. Außerdem werden die großen Hersteller kaum die Verwendung von Ökostrom propagieren. Sie ignorieren eher unser gemeinsames Interesse an einem umweltverträglichen und interzonalen Individualverkehr und wollen eher nur Tank und Motor auswechseln, ohne die bisherigen Geschäftsmodelle den neuen Bedürfnissen anzupassen.
Apropos Ökostrom: Sollen aus Ihrer Sicht alle E-Fahrzeuge mit Solardächern ausgestattet werden, unter Solar-Carports parken oder warum ist im Namen Ihres Verbandes von einer solaren Mobilität die Rede?
Ruschmeyer: Tatsächlich hat sich der BSM als Verein von Solarfahrzeugkonstrukteuren und -fahrern gegründet. Diesem Hintergrund sind wir verpflichtet geblieben und wollen vermitteln, dass das elektrische Fahren vor allem dann ein Beitrag zur Verbesserung des Individualverkehrs darstellt, wenn der benötigte Strom aus erneuerbaren Energien stammt. Wer seinen Bedarf aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach deckt, handelt dabei natürlich besonders vorbildlich. Die Kapazität eines Solarpanels im Fahrzeugdach reicht vielleicht nicht das ganze Jahr für’s Fahren aus. Aber wer sein Auto einige Stunden im Sonnenschein stehen lässt, kann damit durchaus ’nachtanken‘.
E-Mobilität ist industriepolitisch und in den Medien eines der Trend-Themen schlechthin. Wann kommt der E-Durchbruch auf deutschen Straßen?
Von einem Durchbruch sind wir noch ein wenig entfernt. Erst einmal muss sich der elektrische Antrieb gegen extrem sparsame Verbrennungsmotoren und völlig neuartige Technologien durchsetzen. Aber mit der Verbesserung der Infrastruktur und vor allem der breiteren Akzeptanz in der Gesellschaft dürfte die Elektromobilität einen steigenden Zuspruch erfahren. Prinzipiell ist der Elektroantrieb ja nichts Neues, die Herausforderung wird sein die Batterietechnologien zügig weiter zu entwickeln, um in Preis und Lebensdauer, sowie Leistungsfähigkeit mit dem „fossilen Verbrenner“ konkurrieren zu können.
Der BSM sitzt in Berlin. Warum halten Sie die Hauptstadt für ein gutes Pflaster für E-Mobilität, obwohl hier kein großer Hersteller E-Fahrzeuge zusammenschraubt?
Der Markt für E-Mobile besteht vor allem aus Menschen, die technisch interessiert und neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen sind. Solche trifft man in einer großen Stadt wie Berlin einfach häufiger an. Außerdem sind die Vorteile elektrischer Fahrzeuge in Ballungsgebieten evidenter: Sie sind leise und abgasfrei, und die Reichweiten sind für Pendler kein Problem. Wir sehen die Hauptanwendung im Pendlereinsatz, haben diese doch definierte Fahrstrecken und zumeist daheim einen gesicherten Stellplatz mit Stromanschluss. Zudem sind die Fahrleistungen höher und es lassen sich durch die geringeren Betriebskosten die Batteriekosten kompensieren. Alles in allem also ideale Voraussetzungen, um elektrisch fahren zu können.
Hat Berlin beim Kampf um die E-Schaufenster schon gewonnen?
Sicher ist Berlin als Hauptstadt in einer guten Position für die Ausschreibung der Schaufenster-Region, aber auch andere Regionen haben gute Chancen. Es zeichnet sich heute schon ab, dass es mehr Bewerber als Schaufenster geben wird und man muss abwarten, was in den geplanten Leuchttürmen dann umgesetzt wird. Generell ist zu sagen, dass die geplante Förderquote von nur 30 Prozent in der Region vor Ort einen entsprechenden Finanzierungsbedarf erzeugt – und damit eine neue Herausforderung für alle Bewerber.
Eine Million Elektro- und Hybridautos sollen 2020 auf deutschen Straßen rollen. Wird Deutschland dieses Ziel erreichen?
Das ist prinzipiell ein ehrgeiziges Ziel, dass die Bundesregierung hier gesteckt hat. Um es zu erreichen, sind sehr viele Schritte notwendig. Vor allem setzt dies die Schaffung der passenden Rahmenbedingungen voraus. Diese sind im letzten NPE-Bericht leider nur ansatzweise als ernsthafte Bemühungen zu erkennen. Mit einer entsprechenden Anpassung und durch Schaffung innovativer Förderkonzepte ist es aber sicher gut möglich, dass im Jahr 2020 mehr als eine Million E-Mobile auf Deutschlands Straßen unterwegs sind. Offen ist die Frage, welche Art von Fahrzeugen das sind und in welchem Land diese überwiegend produziert werden.
Herr Ruschmeyer, vielen Dank für das E-Gespräch!
Disclaimer: electrive.net ist Medienpartner der Clean Tech World, die vom 30. September bis zum 02. Oktober in Berlin stattfinden wird. Die in diesem Zusammenhang erscheinenden Interviews obliegen allein der redaktionellen Verantwortung der Redaktion. Eine monetäre Vergütung findet nicht statt.
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