e-Golf, wie hast Du’s mit der Reichweite?
„Die Brennstoffzelle ist für die Integration [in den Golf] vorbereitet.“ Dieser Nebensatz einer Pressemitteilung von Volkswagen im Mai verdient Beachtung: Der Autokonzern auf dem Weg zur weltweiten Nummer 1 lässt durchblicken, dass sein bestverkauftes Produkt in Europa, der Golf, fürs vollelektrische Fahren ohne Verbrennungsmotor fit gemacht wird. Wie die Energie im zukünftigen e-Golf, zum Beispiel der Generation VIII, gespeichert wird, ist dagegen unklar. Wird sich die Batterietechnik so weit entwickeln, dass die Reichweite den Ansprüchen genügt, die deutsche Kunden selbstverständlich an ihr Auto stellen? Oder ist die Brennstoffzelle nötig, um den entscheidenden Wettbewerbsvorteil auch gegenüber TDI und TSI zu generieren?
Ein Blick unter die Haube des aktuellen e-Golf zeigt jedenfalls, dass hier Platz für mehr ist. Zum Beispiel für ein integriertes Modul aus Elektromotor, Brennstoffzelle und Nebenaggregaten. Mercedes hat das fertig entwickelt und zwar so, dass es genau in die Aufnahmepunkte der Limousinen passt, mithin also auf der gleichen Produktionslinie wie die Diesel- und Benzinversionen montiert werden kann.
Was vom Brutto übrig bleibt
Aber zurück zur Frage der befriedigenden Reichweite: Der e-Golf hat heute eine Bruttokapazität von 24,2 Kilowattstunden (kWh). Geht man wie bei der Konkurrenz von einem Ladehub von 85 Prozent aus – die genaue Zahl veröffentlicht Volkswagen nicht – bleiben nutzbare 20,57 kWh. Der effektive Wert reduziert sich im Lauf der Lebenszeit der Batterie. Wie stark genau, muss die Realität zeigen. Die Garantie gilt für acht Jahre und 160.000 Kilometer bis zur Verschleißgrenze von 70 Prozent. Im Klartext: Knapp oberhalb von verbliebenen 14,4 kWh ist die Batterie der Definition nach noch in Ordnung.
In unserem Test benötigte der e-Golf unter optimalen Bedingungen wie Windstille, 22 Grad Außentemperatur, trockener Straße und norddeutsch flacher Topografie 22,8 kWh / 100 km bei Richtgeschwindigkeit. Frisch aus der Fabrik würde der e-Golf also theoretisch etwa 90 Kilometer auf einer Autobahn schaffen. Hat die Batterie nur noch zum Beispiel 88 Prozent ihrer Ausgangskapazität, reduziert sich der Aktionsradius auf 79 Autobahn-Kilometer, Tendenz fallend.
Das nächste Hindernis lauert an der Ladesäule: Vorausgesetzt, die Republik wäre flächendeckend mit optimal funktionierenden CCS-Schnellladesäulen versorgt, müssten die Fahrer genau abwägen, wie lange sie stehen wollen: Das Softwareprotokoll sieht die maximale Tankgeschwindigkeit bis zu einem Ladestand von 80 Prozent vor. Danach geht es asymptotisch gebremst weiter. Die Botschaft ist eindeutig: Die lebenspraktische Reichweite geht weiter in die Knie. 80 Prozent von 90 im Bestfall möglichen Kilometern bei neuwertigem Fahrzeug sind 72 Kilometer auf A2 und A7.
Die Leistungsdichte wächst, die Revolution bleibt aus
Der e-Golf ist darum kein schlechtes batterie-elektrisches Auto. Im Gegenteil, er repräsentiert den Stand der bezahlbaren Technik, der sich leicht zusammenfassen lässt: Pendelstrecke problemlos, Autobahn sinnlos. Daran wird auch der mehrfach kolportierte und für 2017 erwartete Kapazitätssprung auf 40 kWh nichts Grundsätzliches ändern.
Positiv formuliert lautet also die Frage: Wie groß müsste die Batteriekapazität sein, um zum Beispiel 400 Kilometer Autobahn-Reichweite bei allen Witterungsbedingungen, auch mit Beladung und bei Richtgeschwindigkeit über ein ganzes Autoleben zuverlässig zu generieren? Sehr groß.
Die 24,2 kWh fassende Batterie des e-Golf wiegt laut Volkswagen 318 Kilogramm und hat einen limitierten Bauraum. Die Forscher der Elektrochemie müssten also gewaltige Fortschritte machen, um die Verbrennungsmotoren an die Wand zu spielen. Und falls Volkswagen beabsichtigt, einen reisetauglichen e-Golf mit den Fähigkeiten eines TDI oder TSI und der im Hier und Jetzt vorhandenen Technik zu bauen, würde am Einsatz einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle kein Weg vorbei führen.
Wie wertvoll ist die kurze Wasserstoff-Tankzeit?
Es sollte dabei auch nicht unterschätzt werden, welchen Komfortvorteil ein Brennstoffzellen-Golf bieten würde. Wer jemals mit einem Tesla Model S abseits der Supercharger-Route unterwegs war, stellt fest, dass bei der vorhandenen Infrastruktur die Fahrzeit in etwa der Ladezeit entspricht. Drei Stunden gleiten, drei Stunden warten. Dieses Verhältnis lässt sich fraglos verbessern – die Ausfahrt mit einem Brennstoffzellen-Fahrzeug wie dem Hyundai iX35 Fuel Cell zeigt aber, dass in der Gegenwart trotz rudimentärer H2-Tankstellenzahl so convenient, sorry für das Neudeutsch, über die Autobahn gereist werden kann wie mit einem TDI oder TSI. Fahren, tanken, fahren, tanken.
Die Gemeinschaft der Elektroautofahrer kommentiert den scheinbaren Kampf Batterie gegen Brennstoffzelle derweil kontrovers und bissig bis zur Aggression. Ein unsinniger Streit, denn am Ende ist es dem Autobesitzer gleichgültig, mit welchem technischen Ansatz ihn der an sich überlegene elektrische Antrieb ans Ziel führt. Abseits der anonymen Foren des Internets hatte sich zuletzt Gregor Honsel von heise.de einen Schlagabtausch mit Volker Blandow vom TÜV Süd geliefert.
Batterie und Brennstoffzelle, nicht oder
Vielleicht ist es sinnvoll, den konstruierten Gegensatz zwischen Batterie- und Brennstoffzellen-elektrischem Auto aufzulösen: Für die statistisch-quantitativ häufigen Pendelstrecken reicht der exzellente e-Golf, den jeder im Verkaufsraum bestellen kann, völlig aus. Seine Batteriekapazität wird in Zukunft wachsen und der Preis sinken. Für die große Fahrt aber muss ein e-Golf HyMotion, so nennt Volkswagen seine Brennstoffzellen-Prototypen, in die Realität umgesetzt werden – oder beides zusammen als Plug-In-Hybrid.
Der Autor dieses Beitrags bekennt an dieser Stelle, sich bei den in regelmäßigen Abständen angekündigten Wunderbatterien in der Rolle des ungläubigen Thomas zu befinden. Das ist der Jünger, der erst an die Auferstehung Jesu glauben wollte, nachdem er „die Male der Nägel an seinen Händen“ sah. Seitdem gilt der heilige Thomas als Urvater aller Skeptiker, die nicht, wie Jesus es sich wünschte, zu den Seligen gehören, die „nicht sehen und doch glauben.“ Oder, auf den e-Golf bezogen: Erst, wenn die Fahrt von Hamburg nach Köln und nach einer Essenspause wieder zurück möglich ist, kann vom Durchbruch gesprochen werden. Mit welcher Technologie dabei die Fahrenergie gespeichert wird, ist egal. Aber wahrscheinlich wird es die Brennstoffzelle sein. Und spätestens, wenn an der Heckklappe e-Passat oder Multivan steht, könnte sie unverzichtbar werden.
Autor: Christoph M. Schwarzer
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