Kommentar: Zweitwagen sind der Schlüssel zur Elektromobilität.
Wie um alles in der Welt sollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren? Indem man die richtige Zielgruppe in den Fokus nimmt, sagt Michael Valentine-Urbschat. In seinem Gastkommentar macht der Senior Advisor der P3 Group und Verfasser des Wirtschaftskrimis „Elektrisiert“ am Beispiel der Metropolregion München klar: Auf die Zweitwagen kommt es an!
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Detailanalysen in der Metropolregion München zeigen, dass ein Großteil aller straßenbasierten CO2-Emissionen von Privat-PKWs aus Haushalten mit mindestens zwei Autos kommt. Neben der schieren Größe hat diese Zielgruppe aber noch einen weiteren, ganz entscheidenden Vorteil: Kaum eine Gruppe sollte sich leichter mit der Umstellung auf Elektroautos tun: Fast ohne Reichweiten-Angst und in den meisten Fällen mit der Möglichkeit, problemlos zuhause laden zu können. Allein in der Metropolregion München haben zirka 300.000 Haushalte einen solchen Zweitwagen, um ihre tägliche Mobilität sicherzustellen – trotz eines hervorragend ausgebauten ÖPNVs. Das heißt: Ein Wechsel auf Bus oder Bahn war und ist für diese Leute keine wirkliche Alternative. Doch mit dem Elektroauto gibt es endlich eine ökologisch einwandfreie Lösung im Individualverkehr.
Für das 1-Million-Ziel der Bundesregierung bis 2020 müssten kaum mehr als 50.000 dieser Münchener Haushalte auf ein EV wechseln – was nichts anderes heißt, als dass diese Privathaushalte die Energiewende im Straßenverkehr ganz alleine stemmen könnten. Sie müssen es nur wollen. Doch bis heute gibt es keine 1.500 Elektroautos in der Region – und 2015 kommen bestenfalls noch mal 1.000 Fahrzeuge dazu. Das ist viel zu wenig – sowohl für eine Zielerreichung bis 2020, als auch für einen nennenswerten Beitrag zur Reduzierung der Feinstaub-Belastung, die auch in München ein massives Problem darstellt.
Ohne ein quasi unwiderstehliches Anreizprogramm wird es nicht klappen – das ist leider die bittere Erkenntnis der vergangenen vier Jahre. Metropolen wie Los Angeles und Oslo machen es uns vor! Die Vorteile eines schnellen Wechsels auf EVs müssen für die Kunden so offensichtlich sein, dass kaum jemand widerstehen kann. Nur dann geht ein wirklicher Ruck durch die Bevölkerung. Anreiz Nummer 1 muss sein: „Mit einem EV hast du kein Parkplatzproblem mehr. Du bist in unserer Innenstadt mit deiner Ruhe und Emissionsfreiheit sogar willkommen“. Anreiz Nummer 2: „Und dein Auto wird nebenbei von uns immer wieder geladen – kostenfrei“. Und wenn das nicht reicht: „Dann helfen wir dir bei Anschaffung des Fahrzeugs und der Installation einer Heimladestation“. Damit kommt richtig Dynamik in den Markt – das zeigen Metropolen wie Oslo in aller Deutlichkeit. Und wenn die Leute in der Breite erst einmal Elektroautos fahren, ist der Wechsel auf diese so brilliante, rein elektrische Antriebstechnik auch nicht mehr aufzuhalten. Das neue EmoG hat die Rahmenbedingungen geschaffen. Jetzt müssen wir nur noch handeln – als verantwortungsbewusste Politiker, aber auch als Zweitwagen-Besitzer!
Über den Autor
Michael Valentine-Urbschat hat seinen Diplom-Ingenieur der Luft- und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München (TUM) gemacht und einen MBA an der INSEAD, Fontainebleau, nachgeschoben. Fast zehn Jahre lang hat er in der Antriebsentwicklung von BMW gearbeitet, später ist er als Partner ins Kompetenzzentrum Automotive von Roland Berger gewechselt und hat anschließend als CEO die neue Sparte für elektrische Fahrzeug-Antriebe von Siemens aufgebaut. Zuletzt hat er die Irrungen und Wirrungen der Elektromobilität in einem packenden Wirtschaftskrimi aufbereitet. „Elektrisiert“ gibt es als gebundene Ausgabe und Teil I bereits als E-Book. (mehr Infos hier) Aktuell arbeitet Michael Valentine-Urbschat als Senior Advisor für die Ingenieurberatung P3 Group.
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