Faraday Future: Was steckt hinter der Variable Platform Architecture?
Heute um 5 Uhr mitteleuropäischer Zeit war es endlich soweit: Das ambitionierte Elektroauto-Startup Faraday Future, das sich nicht weniger vorgenommen hat, als die Mobilität der Zukunft neu zu definieren, enthüllte im Umfeld der Technik-Schau CES in Las Vegas sein erstes Konzeptauto und seine Variable Platform Architecture (VPA). Es ist vor allem letztere, die aufzeigt, wohin der Weg gehen soll.
Viele Beobachter der Präsentation von Faraday Future waren enttäuscht, die Reaktionen in den sozialen Medien überwiegend negativ: Sie hatten einen konkreten Ausblick auf die künftigen Modelle der Kalifornier erwartet und bekamen stattdessen ein relativ sinnfreies Konzept eines futuristischen, vernetzten und autonom fahrenden E-Rennwagens namens FFZERO1 Concept zu sehen.
Wozu das Ganze? Soll sich der „Fahrer“ etwa mit 300 Sachen von der Technik um die Rennstrecke chauffieren lassen und dabei gemütlich Zeitung lesen? Nein, die Rennwagen-Studie ist ein Eyecatcher, um die Aufmerksamkeit vor allem der leistungs- und technikverliebten Auto-Medien zu gewinnen. Nicht mehr und nicht weniger. Und das Konzept soll einen Ausblick auf die Designsprache des Newcomers bieten – auch wenn es zugegebenermaßen schwerfällt, sich anhand dieses übertriebenen „Batmobils unter Strom“ vorzustellen, wie wohl ein künftiges Serienmodell mit FF-Logo aussehen könnte. Vor allem aber zeigt das Konzept in extremer Form, was mit der von Faraday Future ebenfalls vorgestellten Variable Platform Architecture (VPA) möglich ist.
Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich dabei um eine modulare Fahrzeug-Architektur. Das ist an sich natürlich nichts Neues; doch die Konsequenz, mit der diese Plattform gestaltet ist, lässt aufhorchen: Sie soll es erlauben, möglichst schnell und unkompliziert alle erdenklichen Elektroautos zu bauen – ob Kleinwagen, Limousine, Kombi, SUV oder Pick-up Truck. Sie ermöglicht die Integration von einem bis zu vier E-Motoren und verschiedenen Batterie-Konfigurationen. Denn Faraday will nicht einfach ein Batteriepaket verbauen, sondern zwischen den Achsen einzelne Batteriemodule platzieren, deren Anzahl von der Fahrzeuggröße bzw. dem Radstand abhängt und ebenso wie die Leistung des Fahrzeugs beinahe beliebig skaliert werden kann. Darüber hinaus haben sich die Entwickler einen feinen Clou einfallen lassen: Große „Luft-Tunnel“, die sich über die gesamte Länge des Fahrzeugs erstrecken und die nicht nur für einen deutlich verringerten Luftwiderstand sorgen, sondern auch die Batterie besser kühlen sollen.
Finanzierung aus China
Wie auch immer die künftigen Modelle aussehen werden (das erste ist für 2017 angekündigt): Es gibt eine Reihe von Indizien, die darauf schließen lassen, dass von Faraday Future deutlich mehr zu erwarten ist als ein paar schicke Elektroautos in kleinen Stückzahlen. Davon zeugt in erster Linie der finanzstarke Partner, der chinesische Streaming-Gigant LeTV. Rund eine Milliarde US-Dollar werden allein in die Produktionsstätte von Faraday Future in Nevada fließen, deren Bau schon bald beginnen und die im kommenden Jahr in Betrieb gehen soll.
Zudem hat das Startup bereits 18 Monate nach seiner Gründung ein Team von 750 Mitarbeitern weltweit aufgebaut, 550 davon in den USA. Darunter befinden sich so prominente Namen wie Nick Sampson, Ex-Chassis-Ingenieur des Tesla Model S und Richard Kim, Designer des BMW i3 und i8. Und nicht zuletzt scheint Faraday Future auch ein anderes Geschäftsmodell zu verfolgen als „konventionelle“ Autobauer – auch wenn die Infos hierzu leider bislang noch dürftig sind. Offenbar will FF seine Autos nicht in erster Linie auf klassischem Wege verkaufen, sondern spricht von neuen Besitz- und Nutzungsmodellen ähnlich wie in der Musikindustrie. Könnte übertragen auf das Auto-Geschäft heißen: Der Kunde kauft bei Faraday bestimmte Zeit- bzw. Kilometer-Kontingente und bekommt immer genau das (autonome) Elektroauto, das er gerade benötigt. Etwa einen Kleinwagen für den Weg zur Arbeit oder einen geräumigen Van für den Familienausflug.
All dies deutet darauf hin, dass das ausgegebene Ziel der Kalifornier, die Mobilität der Zukunft neu zu definieren, mehr ist als nur ein vollmundiges Lippenbekenntnis. Den Beweis, das Versprochene auch tatsächlich liefern zu können und die „Faradayschen Käfige“ auf die Straßen der Welt zu bringen, muss Faraday Future freilich erst noch erbringen.
Autor: Stefan Köller
Weiterführende Links:
Website von Faraday Future ++ Video zur Variable Platform Architecture (VPA) ++ Video zum FFZERO1
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