Elektromobilität auf Mallorca – Insellösung im Selbstversuch.
Inseln im Mittelmeer sind das perfekte Terrain für Elektromobilität, möchte man meinen. Überschaubare Strecken und mildes Klima bilden die ideale Voraussetzungen für die Anwendung elektrischer Individualmobilität. So jedenfalls die Theorie. Doch die Praxis sieht anders aus. Ein Selbstversuch von electrive.net-Chefredakteur Peter Schwierz offenbart: Eine Insellösung ist selten eine gute Idee.
Pauschalurlaub in den Winterferien – aufgrund des sehr milden Winters auf Mallorca erschien uns das als ziemlich gute Idee. An die 20 Grad und weitgehend sonniges Wetter waren der perfekte Köder. Doch es sollten nicht die Tourismus-Hochburgen im Süden oder Osten sein, sondern ein kleines Hotel in Port d’Andratx im Südwesten, das als schönster Hafenort der Insel gilt. Schnell war klar: Um Mallorca von dort aus zu erkunden, muss ein Mietwagen her. Nach Möglichkeit natürlich ein elektrischer.
Elektroautos auf Mallorca
Eine kurze Recherche fördert schnell zu Tage, dass Elektromobilität auf der Lieblingsinsel der Deutschen längst kein Fremdwort mehr ist. Die Autovermieter sind bereits mit Fahrzeugen ausgestattet, ein eigenes Förderprojekt koordiniert die Entwicklungen und es gibt sogar sechs gut platzierte Multi-Standard-Schnelllader von Endesa vor Ort. Also haben wir bei Sixt, dem Vermieter unseres Vertrauens, nachgeschaut und auf der Buchungsplattform sowohl den BMW i3 als auch den Nissan Leaf entdeckt. Die Buchung eines i3 wollte dann allerdings nicht klappen, die des Leaf aber schon. Ein paar weitere Recherchen legten nahe, dass die Schnelllader auf der Insel offenbar nur für Mitglieder des ECAR-Clubs von Endesa gedacht sind. Wird auch anders gehen, dachten wir uns. Wozu gibt es schließlich Roaming oder zur Not die Schuko-Steckdose? In Deutschland bekommt man als Elektromobilist doch auch irgendwie immer Strom. Eine allzu naive Herangehensweise, wie sich später herausstellen sollte.
Suche nach Fahrstrom
Aber der Reihe nach: Am Montag (angereist sind wir schon am Sonnabend) steht pünktlich um 10 Uhr ein blitzblanker Nissan Leaf vorm Hotel. Bis Freitag soll er unser sein. Die Sixt-Station in der Nähe macht Winterpause, deshalb dieser praktische Hol- und Bring-Service. Der Fahrer zeigt mir kurz die Kabel und die wichtigsten Schalter. Da ich das meistverkaufte Elektroauto der Welt natürlich kenne, fällt das Sprachproblem (ich kaum Spanisch, er kaum Englisch) nicht weiter ins Gewicht. Die Einweisung machen ohnehin die Kollegen aus der Sixt-Station am Flughafen von Palma – per Telefon. Da taucht allerdings schon das erste Problem auf: Eine Ladekarte für die Schnelllader auf Mallorca ist nicht an Bord. Aber das Team von Sixt kümmert sich redlich, erklärt mir, dass man in Palma und einigen anderen Orten vielfach gratis laden könne, auch ohne Ladekarte. Die deutschen iPhone-Apps zeigen allerdings kaum Lademöglichkeiten auf der Insel an, selbst The New Motion als europäischer Festland-Primus nicht. Also schickt mir die Sixt-Mannschaft per E-Mail einen Link zu einem spanischen Verzeichnis, das tatsächlich viele Möglichkeiten ausspuckt. Wir sind guter Dinge!
Die Woche startet mit 95 km Reichweite des Nissan Leaf, den Rest hatte der Fahrer schon für die Strecke vom Flughafen zu uns verbraucht. Am ersten Tag geht’s ohnehin nur zum Strand in einen Nachbarort. Die knapp 17 gefahrenen Kilometer über die Berge machen dem Leaf wenig aus. 86 km stehen nach der Rückkehr auf der Anzeige. Im Hotel zeigt man sich recht interessiert an dem Wagen, eine Außensteckdose oder eine Ladestation im VIP-Örtchen Port d’Andratx gibt es aber nicht. Selbst die Suche nach einer irgendwie sinnvollen Notlösung, etwa am Hafen, erweist sich als Flop. Dabei gibt es am Wasser für all die Yachten und Ausflugsboote an jedem Liegeplatz Stationen für die Versorgung mit Landstrom. Doch wir lassen uns noch nicht beirren.
Am Dienstag geht’s dann in einen weiteren Ort an der Südküste, auch dort lässt sich während des Aufenthaltes aber keine Lademöglichkeit finden. Ein Hotel, das seinen Gästen laut dem regionalen Verzeichnis eine Schuko-Steckdose anbietet, ist verrammelt. Na gut, dann checken wir eben am nächsten Tag die Schnellladestation auf dem Weg nach Palma – auch ohne Ladekarte.
Sehnsucht nach Schnellstrom
Doch wir werden bitter enttäuscht: Die Schnellladestation an einer Tankstelle in Palmanova ist zwar frei und bietet 50 kW Gleichstrom für CCS und CHAdeMO sowie 43 kW Wechselstrom für Typ2, doch ohne Ladekarte geht hier nichts. Wir probieren einfach mal die deutschen Karten, die ohnehin in der Geldbörse stecken und auch den so nützlichen Schlüsselanhänger von PlugSurfing. Hilft aber alles nichts. „Nicht autorisierter Benutzer“ – mehr ist dem Display der Ladestation nicht zu entlocken. Also ein Anruf bei der Hotline von Endesa. Doch der durchaus nette Mitarbeiter kann oder will uns nicht helfen. Ohne Karte kein Strom. Und die Karte gibt’s für 39 Euro als Gebühr für die Aufnahme in den ECAR-Club nur im Service-Center von Palma. Kein Roaming, keine Freischaltung aus der Ferne wie zum Beispiel bei RWE in Deutschland in Notfällen möglich. Auch in der Tankstelle selbst kann man uns nicht helfen. Eine Ladekarte für „Notfälle“ hat dort niemand. Mindestens das hätten wir erwartet. Deprimiert registrieren wir noch den Hinweis auf die EU-Förderung des Schnellladers. Rausgeschmissenes Geld, denken wir…
Also geht es ohne frischen Fahrstrom zurück auf die Autobahn nach Palma. Dort gibt es noch einen von ChargeNow betriebenen Schnelllader (ebenfalls für CCS, Chademo und Typ2) am Yachthafen – in bester Lage direkt am Wasser. Auf der einen Seite parkt (und lädt?) ein BMW i3, die andere Seite ist von einem Verbrenner blockiert. Wir probieren es wieder mit unseren deutschen Karten und dem PlugSurfing-Anhänger: Die Station verweigert allerdings den Zugang. Wir fragen im Real Club Náutico de Palma nach, ob jemand den i3 wegfahren könnte und wir den Schnelllader für 10 Minuten nutzen dürften. Verständnislose Gesichter. „Nur für Mitglieder des Clubs“, heißt es. Man schickt uns fort.
Ein Verbrenner muss es richten
Die Familie hat die Suche nach einer Lademöglichkeit so langsam satt, will lieber Urlaub machen. Also setze ich sie vor dem Aquarium von Palma ab und fahre zum nicht weit entfernten Hauptquartier von Sixt am Flughafen von Palma. Dort lässt man mich prompt an die hauseigene Wallbox. Einige Mitarbeiter kommen und hören sich interessiert meine Erfahrungen an. Schnell wird klar: Hier auf der Insel wird mit der Elektromobilität noch experimentiert. Nebenbei erfahre ich, dass der BMW i3 schon mal eingeflottet war. Nun werde der Nissan Leaf ausprobiert. Warum die Autos keine Ladekarten für die Endesa-Stationen haben? Die Sixt-Leute berichten von einem bevorstehenden Meeting mit Endesa. Es sei nicht ganz einfach, jene 6 Euro Gebühr, die der spanische Versorger pro Ladevorgang haben will, im Vermietsystem mit abzubilden. Bis zum Start der Hauptsaison will man das Problem gelöst haben. So lange kann ich nicht warten und von der Suche nach Ladesäulen im Urlaub habe ich genug. Und vom Südwesten aus stets über Palma fahren zu müssen, um einen längeren Ladestopp einzulegen, erscheint mir auch nicht zielführend. Also trenne ich mich schweren Herzens von der Elektromobilität. Vom Sixt-Gelände rolle ich mit einem Opel Corsa. Der garantiert grenzenlose Mobilität für den restlichen Urlaub. Beim nächsten Besuch schafft das hoffentlich auch ein Elektroauto. Allen Verantwortlichen auf Mallorca und anderswo sei die „Moral von der Geschicht“ gesagt: Insellösungen sind keine gute Idee. Nicht in Deutschland, nicht in Europa, nicht mal auf der schönsten Insel.
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