Supercharge me: Die Rechnung, bitte!
Die Wow-Rufe bei der Präsentation des Tesla Model 3 sind verstummt. Jetzt beginnt die Arbeit. Der kalifornische Hersteller muss das Versprechen, für das nahezu 400.000 Interessierte eine Anzahlung geleistet haben, in die Tat umsetzen. Eine der Fragen, die Tesla klären muss, ist die nach dem Preis an den so genannten Superchargern: Was zahlen die Kunden an den schnellen DC-Säulen für den Strom? Denn Elon Musk, Gründer und Kopf von Tesla Motors, kündigte für das Model 3 lediglich die „Supercharger Capability“, also die Fähigkeit zum Gleichstromladen an. Wahrscheinlich ist, und das gilt exemplarisch für die gesamte Branche: Das Batterie-elektrische Auto wird zum Smartphone – zumindest, was die Tarifvielfalt betrifft. Und umsonst ist nichts.
Bleiben wir vorerst beim Beispiel Tesla Motors. Mit großer Entschlossenheit hat die Firma das weltweite Netz von 616 Supercharger-Stationen mit 3.644 Ladeplätzen aufgebaut. Jeder Standort dürfte inklusive Trafo und Erdarbeiten eine sechsstellige Summe gekostet haben. Der Strom dort wird den Kunden der Sportlimousine Model S scheinbar ohne Rechnung geliefert. Die Wahrheit ist, dass die elektrische Energie selbstverständlich bezahlt werden muss und in der Mischkalkulation des Model S inbegriffen ist.
Vorbildliche Mischkalkulation bei Tesla
Kurz überschlagen, eine Denkanregung: Wenn ein Model S bei mehrjähriger Nutzung Supercharger-Strom für 100.000 Kilometer verbraucht – es wird schließlich auch viel zu Hause geladen –, sind das bei 25 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer 25.000 kWh. Für die Endverbraucher entspricht das einem Gegenwert von gut 7.000 Euro. Für Tesla Motors dürften allerdings Industrietarife gelten, die weniger als halb so hoch sind. Übersetzt: Angesichts der hohen Anschaffungskosten eines Model S sind die eigentlichen Stromkosten zwar nicht vernachlässigbar, aber auch kein betriebswirtschaftlicher Irrsinn.
Wenn das Model 3 ab 2018 kommt, sieht die Kalkulation anders aus. Dann steigen die Stückzahlen. Und es ist nicht anzunehmen, dass die Kunden in den gleichen inklusiven Genuss kommen wie die des teuren Model S. Es ist darum eine plausible Spekulation, dass Tesla Motors ähnlich wie bei den Tarifen von Smartphones Pakete anbieten wird. Also etwa eine Dreijahrespauschale für den Strom an den Superchargern.
Die Abrechnung exakt nach Kilowattstunde dagegen wird an Teslas Superchargern und an den kommenden DC-Schnellladesäulen der CCS-Konkurrenz mittelfristig selten sein. Das wäre zwar im Sinn der Transparenz für den Autofahrer die einzig wünschenswerte Lösung. Aber es gibt mehrere Gründe, die gegen ein Szenario sprechen, in dem nach Kilowattstunde abgerechnet wird.
Wie amortisiert sich die Ladesäule?
An dieser Stelle verlassen wir die Betrachtung von Tesla Motors und blicken auf die allgemeine deutsche Gleichstrom-Ladewirklichkeit. Hier wird verzweifelt um ein Geschäftsmodell gerungen: Wie kann ein Betreiber Geld verdienen? Skeptiker behaupten, dass das ohne staatliche Unterstützung nicht geht. Vor allem dann nicht, wenn analog zu den Superchargern CCS-Ladeparks mit 150 und mehr Kilowatt Leistung errichtet werden sollen. Wie soll sich die Investition jemals amortisieren?
Es ist kein Geheimnis, dass hinter den Kulissen munter über eine Art Autobahnzuschlag diskutiert wird. Über einen Strompreis, der erheblich über dem Haushaltstarif liegt, zum Beispiel bei 50 Cent pro Kilowattstunde. Das will niemand den Elektroautobesitzern direkt und unverblümt zumuten – höhere Kilometerkosten als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor wären für viele Fans schwer zu ertragen. So bleibt als ein Ausweg die Verschleierung des tatsächlichen Abgabepreises. Und die ist bereits üblich. Manchmal werden beim SMS-Payment einmalige Grundgebühren erhoben, oder es wird nach Standzeit abgerechnet. Das Ziel ist die Täuschung des Verbrauchers. Er soll nicht oder nur mühsam erfahren, wie viel Cent er tatsächlich für eine Kilowattstunde aufbringt.
Kein verpflichtender Mess-Standard
Eine weitere Not der Betreiber von Ladesäulen ist die Messung des abgegebenen Stroms. Es besteht bis heute keine Einigkeit darüber, was genau eichrechtskonform ist. Die einen sagen, dass es nicht erlaubt sein kann, die Parkzeit als Bemessungsgrundlage einzuführen. Andere wiederum sagen, dass es möglich ist, jede Kilowattstunde zu zählen – nur treibt das die Kosten für die Säulen in die Höhe. Eine gesetzliche Vorgabe eines bestimmten Standards und ein gleichzeitiges Verbot aller Produkte, die diesen Standard nicht erfüllen, gibt es nicht.
Das Ergebnis ist, dass heute mit Mischkalkulationen oder teilweise mit Annäherungen, Schätzungen und Pauschalen gearbeitet wird. Ein Zustand, der nicht ideal ist.
Oder sollten wir uns vielmehr entspannt zurücklehnen und wieder auf Tesla Motors als Vorbild blicken? Dort ist man wie so oft pragmatisch vorgegangen. Früh hat man erkannt, dass der Stromverkauf nach Kilowattstunde aufwändig wird. Die Strategie beim Model S, die elektrische Energie in die Gesamtkalkulation mit aufzunehmen, umgeht dieses Problem, und sie ist äußerst kundenorientiert. Ankommen, einstöpseln, fertig. Kein Identifikationselend, keine Abrechnungsfragen, und tschüss. Und auch wenn Model 3-Kunden mutmaßlich etwas bezahlen müssen, wird Tesla einen im besten US-amerikanischen Sinn einfachen und komfortablen Ansatz finden. Wir dürfen gespannt sein.
Die ungeklärte Abrechnungsfrage droht bei vielen öffentlichen Ladesäulen in Deutschland ein weiterer Hemmschuh für die Verbreitung von Batterie-elektrischen Autos zu werden. Es bleibt also dabei: Am sinnvollsten bleibt der eigene Ladeplatz zu Hause. Immer frei und mit einer nachvollziehbaren Zählung jeder Kilowattstunde. Es bleibt zu hoffen, dass die DC-Schnellladesäulen für unterwegs nicht massenweise so implementiert werden, dass sie vom Laden eher abhalten als es zu fördern.
Bilder: Tesla Motors / Peter Schwierz
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