Fahrbericht: Renault Zoe – die Normalette unter den Elektroautos.
Regelmäßig ist der Renault Zoe das erfolgreichste Modell auf Deutschlands noch schwachem Elektroauto-Markt. Mit rund 18.400 Exemplaren war der Stromer aus Frankreich 2015 sogar das meistverkaufte Elektroauto in ganz Westeuropa.
Doch warum wird der Zoe so gerne genommen? Das wollten wir ergründen – und haben deshalb unseren BMW i3 mal ein paar Tage stehen lassen und stattdessen einen Renault Zoe R240 in Berlin und Brandenburg auf uns wirken lassen. So viel vorab: Der Zoe ist ganz offensichtlich ein Frauenschwarm.
Der erste Eindruck…
…ist bekanntlich der wichtigste – und der fällt beim Zoe – nun, wie soll man es formulieren – irgendwie normal aus. Das Design ist innen wie außen gut gemacht – lässt die Augen aber nicht unbedingt Freudensprünge machen. Vor uns steht ein kompaktes Automobil, dessen elektrisches Inneres aber nur Profis erahnen können. Die futuristischen Konturen unseres i3 vermisst der Autor fast schon ein bisschen. Ganz anders übrigens reagiert das weibliche Geschlecht. Mehrere Stimmen loben das praktische Interieur mit fünf Sitzplätzen, den im Vergleich zum i3 mit 338 Litern fast schon riesigen Kofferraum, die gute Übersicht dank vergleichsweise hoher Sitzposition und die einfache Bedienung. Auch die vorliegende Ausstattungsvariante Intens (zu haben ab 23.300 Euro abzgl. Kaufprämie und zzgl. Batteriemiete) findet bei den Damen prompt Gefallen: Rückfahrkamera, Licht- und Regensensor, Lederlenkrad – was will sie mehr? Der Autor ahnt: Er testet hier ganz offenbar ein Frauenauto. Und tatsächlich: Klickt man sich durch die eMobility-Foren, scheint das wichtigste Elektroauto von Renault offenbar sehr oft von Frauen gefahren zu werden. Und die bleiben in ihrem Geschlecht und nennen das E-Mobil am liebsten die Zoe.
Auf der Straße
Elektroautos machen Spaß, jeder Ampelstart ist die reinste Freude. Diese Floskeln hört man seit fünf Jahren auf jeder eMobility-Konferenz. (Meistens übrigens von Leuten, die selbst gar kein Elektroauto fahren.) Für den Renault Zoe gelten diese Binsenweisheiten allerdings kaum. Bauchkribbeln will sich an der Ampel nicht einstellen. Mit 65 kW Leistung und 220 Nm Drehmoment kommt man zwar ausreichend flott vom Fleck, doch wer sich in anderthalb Jahren an die 125 kW des BMW i3 gewöhnt hat, fühlt sich schon etwas schwach auf der Brust. Kaum äußert man diese Kritik, kommt vom (weiblich besetzten) Beifahrersitz der Hinweis, wie viel effizienter das sanftere Anfahren sei. Und das ständige In-den-Sitz-Gedrücke beim i3 mache ja nun auch nicht nur Spaß. Der Autor müsse mal über seinen Elektro-Fahrstil nachdenken. Nein, muss er nicht, denkt der sich fast schon beleidigt. Er will den schnellen Antritt, den flinken Wechsel zwischen den Fahrspuren, die Emotion an der Ampel. Die Dynamik bleibt das Alleinstellungsmerkmal des BMW i3 – basta. Bevor hier allerdings der Geschlechterkampf vollends losbricht, sei noch erwähnt, dass die Laune bei sanfter Fahrt über Brandenburger Landstraßen schnell besser wurde und ein Konsens entstanden ist: Zwischen Feldern und Hügeln macht der Renault Zoe seine Sache sehr ordentlich, gleitet entspannt und mit ausgewogener Straßenlage dahin, wo ein i3 auf seinen schmalen Reifen nur ungeduldig auf den nächsten Überholvorgang lauert. So wird der Familienausflug zu einem Ponyhof in der Nähe zum Erfolg. Alles ist normal. Normal? Ja das ist es: Der Renault Zoe ist ein ganz normales Auto – nur eben elektrisch. Ist es das Geheimnis seines Erfolgs?
An der Steckdose
Wenn es um die Stromversorgung geht, entfaltet der kleine Zoe seine wahre Größe. Kein Elektroauto saugt Wechselstrom serienmäßig schneller an! In einer knappen Stunde ist die Batterie zu 80 Prozent (SOC) gefüllt, gleiches dauert beim bisherigen i3 gut und gerne fünf Stunden. Wir haben auch mehrfach von rund 40 Prozent SOC auf 100 durchgeladen, was nie mehr als 70 Minuten gedauert hat. Schon ein halbstündiger Einkauf im Supermarkt mit Ladesäule vorm Eingang wird so zum ernsthaften Tankvorgang. Kritiker monieren zwar, dass der Renault Zoe nach dem Facelift auf die Version R240 mit neuem Motor und verbesserter Ladeelektronik „nur noch“ mit 22 kW lädt, doch für jene 43 kW, die es vorher waren, sind passende Ladestationen ohnehin noch spärlich gesät. Dass der Onboard-Lader nun Luft- statt Wasser-gekühlt ist, fällt dem Nutzer dagegen gar nicht auf. Damit ist der Zoe für Laternenparker, die auf öffentliche Ladesäulen angewiesen sind, eine höchst praxistaugliche Angelegenheit. Auch für den Fall, dass es mal über die Grenzen von Bundesländern hinweg geht.
Wäre da noch die Sache mit der Reichweite: Auf 240 Kilometer beziffert sie Renault, daher auch das Kürzel R240. Vor Übernahme des Fahrzeugs muss jemand einen Reset durchgeführt haben: 200 km wurden uns angezeigt – bei einer Batteriekapazität von 22 kWh ein fast schon illusorischer Wert. Und siehe da: Mit jedem Ladevorgang wurde es weniger. Nach einem Wochenende mit Autobahn-, Landstraßen- und Stadtfahrten waren es nach der Vollladung nur noch 132 Kilometer. Sprich: Der Zoe macht in diesem Feld nichts schlechter oder besser als seine Konkurrenten mit ähnlichen Batteriegrößen. Allein das Auf und Ab der Reichweiten-Anzeige – je nach Fahrsituation geht’s munter rauf und runter – erfordert eine gewisse Gelassenheit bei Steuermann oder Steuerfrau.
Normal, normaler, Renault Zoe
Was macht nun den Renault Zoe so beliebt? Vermutlich ist es genau die oben beschriebene Mischung aus einem ganz normalen Auto und durchdachter Elektromobilität. Wer in diesen Stromer einsteigt, muss nicht umdenken. Er kann das Elektroauto sofort bedienen, findet reichlich Platz, kommt ausreichend flott voran, erlebt eine erwartbare Reichweite und ein alltagsfreundliches AC-Ladesystem. Wer sich dann noch mit dem Plastik-Interieur anfreunden kann und nicht die elektromobilen Darstellungsmöglichkeiten eines BMW i3 sucht, der wird mit dem Zoe glücklich. Zumal der Einstiegspreis im Vergleich zu vielen Konkurrenten günstig ist. (Die Kombination aus Fahrzeugkauf und Batteriemiete muss freilich für jeden Anwendungsfall individuell gerechnet werden.) Dass der Zoe ganz offensichtlich bei Frauen einen Stein im Brett hat, kommt nicht von ungefähr: Frauen entscheiden beim Autokauf eher mit dem Kopf. Und für den hat der (oder eben die) Zoe einige gute Argumente parat.
Text: Peter Schwierz
Fotos: Jens Stoewhase & Peter Schwierz
Das sagen die anderen
„Nicht nur schneller voll“ >> Fahrbericht von Februar 2016 bei auto-motor-und-sport.de
„Stromschnäppchen“ >> Fahrbericht von November 2015 bei heise.de
„Das erste vernünftige E-Auto im Test“ >> Fahrbericht von Juli 2013 bei autobild.de
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