Problem-Korridor Autobahn A24

„Ich hab noch einen Koffer in Berlin, deswegen muss ich nächstens wieder hin!“ Das Sehnsuchtslied lässt mich ratlos zurück, denn auch mich, den Autoren dieses Beitrags, zieht es immer wieder von Hamburg aus in die Hauptstadt. Zum Beispiel zu Peter Schwierz, dem Chefredakteur von electrive.net. Das Problem: Der Korridor zwischen den beiden größten deutschen Metropolen hat zu wenig Infrastruktur für Autos ohne Verbrennungsmotor.

Besonders schlecht sieht es für die wachstumsstarke Klasse der Batterie-elektrischen Normal-Pkw wie Volkswagen e-Golf, Nissan Leaf oder BMW i3 aus. Knapp 300 Kilometer Autobahn A24 liegen zwischen Elbufer und Spreekanal, viele davon ohne Tempolimit. Und die können verdammt lang werden.

Zusätzlich – es geht eben nicht nur um Schwierz und Schwarzer, um Berlin und Hamburg – wird die Achse der A24 gespeist vom Verkehr an die Ostsee, nach Schwerin und in die Hansestädte Wismar und Rostock. Eine Region, die vom Tourismus lebt und zu jedem Ferienanfang von tausenden Familien zeitgleich angefahren wird.

Die kritische Analyse der verschiedenen Lade- und Tanksysteme zeigt ein differenziertes Bild, bei dem sauber zwischen Ist-Zustand und kommender Perspektive unterschieden werden muss. Wir konzentrieren uns auf das, was im Jahr 2017 passiert oder besser: passieren soll.

Tesla und die Supercharger

Die Supercharger von Tesla sind und bleiben das Vorbild fürs Gleichstrom-basierte Schnellladen. Mit bis zu 120 Kilowatt Leistung (bald: 145 kW) übertreffen sie die Konkurrenz von CCS und Chademo (beide 50 kW) um mehr als das Doppelte. Und angesichts der bei Tesla üblichen Batteriekapazitäten scheinen die beiden Supercharger mit je sechs Ladeplätzen zwischen Hamburg und Berlin überflüssig.

Tesla Supercharger A24
Tesla-Fahrer können zwischen Berlin und Hamburg dank gut platzierter Supercharger bedenkenlos verkehren. Karte: Tesla

Sie sind es aber nicht. Zum einen ist es ein Komfortvorteil, wenn man während einer zehnminütigen Pause Reservestrom lädt. Für die schnelle Fahrt. Opportunity Charging. Oder weil am Zielort nicht zwangsläufig eine Wallbox frei ist. Wichtig sind die zwei Supercharger auch für die nahe Zukunft: Es wird mehr Teslas geben. Zum Beispiel das Model 3, das es nicht in allen Versionen von Berlin nach Hamburg schaffen wird.

Die Kalifornier sind mit ihren Standorten Herzsprung und Wittenburg also vorbereitet für das, was kommt. Die Kunden werden es zu schätzen wissen.

CCS und Chademo

Abseits der teuren Teslas sieht es für Batterie-elektrische Autos finster aus. Am Rasthof Schaalsee Süd hat Tank & Rast einen Multicharger aufgestellt. Von dort sind es rund 160 Kilometer bis nach Neuruppin, wo die Firma Allego ebenfalls Stromstecker für sämtliche CCS- und Chademo-Autos bereitstellt. Eine zu große Entfernung, wie ein szenebekannter Elektroauto-Profi jüngst feststellte: Sieben Kilometer vorm rettenden Anschluss rollte er auf einer brandenburgischen Landstraße aus. Am Sonntagnachmittag.

A24 mit Strecke
Weites Land: Zwischen den einzigen Triple-Chargern entlang der A24 klafft eine gigantische Lücke. Karte: Google Maps

Mit Tank & Rast sowie Allego sind die wichtigsten Player genannt, die zur Verbesserung der desaströsen Ist-Situation beitragen werden.

Tank & Rast will bis Ende des Jahres alle 400 Standorte direkt an den Autobahnen (auch unter dem Label Serways) mit einem Multicharger versehen. Auf der Verbindungsachse von Hamburg nach Berlin und zurück sind das – je nach Zählweise – mindestens sechs Standorte pro Fahrtrichtung. Vorerst ist die elektrische Energie kostenlos; später soll die Bezahlung wahlweise mit EC-Karte möglich sein.

Darüber hinaus bereitet Tank & Rast die Standorte mit entsprechenden Kabeln sowie einem Trafo für die bei CCS erwartete Steigerung der Ladeleistung von 50 auf 150 kW vor. „Sobald entsprechende Serienfahrzeuge am Markt verfügbar sind“, heißt es von Tank & Rast, erfolge die Aufrüstung.

Übersetzt: Nicht nur zwischen Hamburg und Berlin, sondern in ganz Deutschland entstehen mittelfristig Ladeparks nach dem Vorbild von Tesla. Genug, um sich sogar mit eingeschränkter Batteriekapazität durch die Republik zu hangeln.

Tank & Rast wird auf den Geländen tätig, die vom Unternehmen selbst verwaltet werden. Und natürlich gibt es noch viele andere geeignete Standorte. Ein Beispiel ist das Kreuz Wittstock-Dosse, ein Knotenpunkt mit viel Raum und McDonalds. Lademöglichkeit? Fehlanzeige.

Allego, die Tochter des niederländischen Netzbetreibers Alliander, ist das zweite Schwergewicht beim Aufbau der DC-Ladeinfrastruktur. Anders als Tank & Rast kann Allego nicht auf quasi-eigene Standorte zugreifen. Darum sucht das Unternehmen Flächen, die nah an der Autobahn sind, die im Gegensatz zu Tank & Rast aus beiden Fahrtrichtungen angefahren werden können und ausreichend Parkplätze haben. Grundsätzlich geht es bei Allego gut voran; so sind allein im Dezember sechs Standorte in Betrieb genommen worden – aber nicht zwischen Hamburg und Berlin.

„Der Korridor der Bundesautobahn A24“, sagt die Pressestelle, sei „von größtem Interesse und einer der Mittelpunkte unserer Bestrebungen.“ Dass es nicht schneller vorangeht, begründet Allego mit den „selbstverständlichen betriebswirtschaftlichen Abwägungen“ der Eigentümer an attraktiven Standorten. Und: „Wir glauben, dass die Bereitschaft zur Zusammenarbeit positiver wird, wenn ein Markthochlauf der BEV sichtbar wird.“ Das klingt nach einem mühsamen Geschäft und nach Verhandlungspartnern, die noch nicht vom Erfolg Batterie-elektrischer Autos überzeugt sind.

Wasserstoff-Tankstellen

„Das Thema [Brennstoffzelle] hat bei uns eher einen kommunikativen Charakter“, erklärte kürzlich Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, gegenüber dem Nachrichtensender N-TV. Mit diesem Satz entwertet er das gesamte und umfangreiche Engagement des Konzerns beim Wasserstoff-Auto. Und er kann sicher sein, dass er unter den Anhängern der Batterie-elektrischen Konzepte reichlich Applaus für seine Aussage bekommt. Die Brennstoffzelle gilt bei ihnen als Geldverbrennstoffzelle, als der Untote unter den Elektroautos.

Es lässt sich nicht leugnen: Der Aufbau der H-Tankstellen bleibt deutlich hinter den Ankündigungen zurück. Bis Ende 2015, so hieß es lange, würden 50 Säulen in Deutschland zur Verfügung stehen. Die Wirklichkeit ist ernüchternd.

Autohersteller wie Toyota und Hyundai, die ihre Fahrzeuge auch darum anbieten, weil sie die Einhaltung solcher Versprechen durch vielfach staatliche Stellen erwartet haben, müssen enttäuscht sein. Es ist kein Wunder, dass bisher nur 30 Mirai auf deutschen Straßen fahren. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass oberhalb des Mains riesige Lücken im Netz klaffen – in Bayern, dem Heimatland des Bundesverkehrsministers, geht es übrigens blendend voran. Danke, Dobrindt.

Wasserstoff? Bekommen Sie sowohl in Berlin als auch in Hamburg. Dazwischen aber (noch) nicht. Karte: NOW

Grundsätzlich, und das ist das Gute, kann man mit den beiden verfügbaren Brennstoffzellenautos aus Japan und Südkorea ohne Tankstopp von Hamburg nach Berlin fahren. Zumindest, wenn man sich im Fahrstil mäßigt. Und vorausgesetzt, der Wasser-Druckbehälter lässt sich tatsächlich komplett befüllen, was aus der Erfahrung heraus häufig nicht funktioniert.

Bei H2 Mobility, wo man faktisch die Nachfolge der Clean Energy Partnership (CEP) antritt, ist die Zuversicht trotzdem groß. Im Lauf des Jahres werden 60 H-Tankstellen in Betrieb sein, es geht also jetzt Schlag auf Schlag. Innerhalb der nächsten 18 Monate, so heißt es weiter von H2 Mobility, sollen auf der Achse Hamburg-Berlin drei Zapfsäulen fertiggestellt sein.

Wahrscheinlicher Standort für die erste H-Säule zwischen den beiden bevölkerungsreichsten deutschen Städten wird der Neubau eines Autobahn-Autohofs nahe der Abfahrt Neuruppin durch TOTAL sein, wo nach unseren Informationen bereits die Abstimmung mit den Behörden läuft. Das französische Unternehmen ist mit neun H2-Stationen Marktführer.

Fachkreise berichten, dass es in der Vergangenheit unter anderem Genehmigungsprobleme gab, weil lokale Behörden noch nie mit dem Thema Wasserstoff befasst waren. Die Chance für den Wasserstoff bleibt: Wenn wirklich viele der 45 Millionen Pkw sowie etliche Nutzfahrzeuge ohne Verbrennungsmotor fahren sollen, bietet die Brennstoffzelle eine deutliche Komplementärlösung zum Akku. Allerdings müsste der Wasserstoff aus regenerativen Quellen gewonnen werden und nicht wie heute üblich aus Erdgas.

Fazit: Durchhalten und nachprüfen!

So deprimierend die Ist-Situation in vielen Punkten abseits von Tesla ist, so zuversichtlich stimmt uns die Entwicklungsperspektive für das Jahr 2017. Aber wir bei electrive.net sind misstrauisch geworden. Wir wollen und werden überprüfen, was sich wirklich tut. Auf eigener Achse. Wir werden jeden Inhalt dieses Beitrags nochmals anschauen, um zu sehen, was eingetreten ist – und wo wir zu leichtgläubig waren. Bis dahin halten wir einfach geduldig durch. Versprochen.

4 Kommentare

zu „Problem-Korridor Autobahn A24“
Timo
25.01.2017 um 15:38
A7 Hamburg - Hannover ist auch nicht besser.
josef
25.01.2017 um 21:42
Elbphilharmonie, BER, 12 Jahre NIP Mobilität mit Wasserstoff....da ist einfach kein Geld mehr da für ein paar Steckdosen.
i_Peter
26.01.2017 um 00:00
160 km sollen ein Problem sein für eAutos ? Der Ampera-e fährt 500 km weit, 400 km der Zoe, 300 km der BMW i3 und demnächst der eGolf, 280 km der Ioniq: wo ist das Problem ? Ich glaube tatsächlich, die Redakteure vonElectrive.net sind zuwenig draussen unterwegs. Kommt hier nach Baden-Württemberg: da hat die EnBW gerade die Autobahnraststätten mit Tripple-Schnellladern ausgestattet. Je Richtung mindestens 2 Ladesäulen, insgesamt 68 Stück zusätzlich zum vorhandenen Netz,, mit dem man schon jeden Punkt im Ländle erreichen konnte. Bezahlen kann man mit EC- oder Kreditkarte, mit RFID oder per Smartphone mit der Intercharge-App zu den Konditionen des eigenen Strom-Providers. Ja, natürlich, wenn der große Urlaubsansturm kommt, könnten es schon einige Ladesäulen mehr sein. Aber müssen wir uns darum schon Sorgen machen ?
Peter Schwierz
26.01.2017 um 10:19
Nun tatsächlich fahre ich als Chefredakteur von electrive.net seit über zwei Jahren einen BMW i3, zunächst in erster Generation, jetzt mit der größeren Batterie. Leider sagen die von Ihnen erwähnten Norm-Reichweiten nichts über den Alltag aus, zumal nicht auf der Autobahn, wo der Energieverbauch regelrecht in die Höhe schnellt, wenn man sich nicht gerade permanent direkt hinter einen Lkw klemmt. Selbst mit der großen Batterie bleibt die Strecke eine Herausforderung, gerade im Winter. Ich fahre just morgen mit dem i3 von Berlin nach Rostock – in der Hoffnung, dass der Schnelllader bei Neuruppin nicht wie zuletzt defekt ist. Mit Baden-Württemberg würde ich in punkto DC-Ladesäulen tatsächlich gerne tauschen!

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