Auf der Langstrecke mit dem BMW i3 (94 Ah)
Wenn einer eine Reise tut, dann fährt er gern elektrisch. Zumindest, wenn er seine Brötchen mit einem Branchendienst für Elektromobilität verdient und einen BMW i3 (94 Ah) sein Eigen nennt. Doch mit so einem City-Stromer auf die Langstrecke fahren – kann das gut gehen im kalten Winter? Ein Reisebericht.
Winterferien in Berlin, Freunde aus Südschweden haben eingeladen. Man könnte da entspannt mit dem Flugzeug rübermachen, nach Kopenhagen und dann mit der Bahn über den Öresund. Man könnte aber auch den neuen BMW i3 (94 Ah) nehmen, der dank Umweltbonus seit ein paar Monaten vor der Haustür steht. Der Familienrat entscheidet sich für letzteres. Die Kinder lieben ihren „Stromi“ ohnehin, wollten schon immer mal auf einer Fähre übernachten und können die Sorgenfalten des eMobility-Experten nicht nachvollziehen. Wird schon klappen, lautet das Motto. Und wenn nicht, gibt’s wenigstens eine gute Story, denkt sich der Branchendienst-Betreiber. So startet die Reise nach Malmö, die Hauptstadt der Provinz Skåne, Ende Januar mit einem voll gepackten Elektroauto.
Teil I – die Entdeckung der Langsamkeit
Die Hinreise an einem kalten Januar-Freitag gehen wir entspannt an. Für die erste Etappe von Berlin ins knapp 75 Kilometer entfernte Neuruppin im Norden Brandenburgs ist der Akku nicht mal zu 100 Prozent geladen. Am Zweitwohnsitz der Familie wartet schließlich eine 11-kW-Wallbox, ein ausgedehnter Spaziergang und ein Kaffeetrinken mit den Großeltern nutzt der i3, um seine Zellen randvoll mit Energie zu saugen.
Am späten Nachmittag, die an diesem Tag überraschend mal scheinende Sonne neigt sich schon ihrem Untergang entgegen, fahren wir weiter in Richtung Rostock. Da die Nacht-Fähre nach Trelleborg dort erst um 23 Uhr ablegt, planen wir noch eine weitere Ladepause ein – an einem der beiden einzigen AC-Ladepunkte, die es entlang der A19 überhaupt gibt. Dieser wird vom Schlosshotel Fleesensee betrieben und befindet sich im dortigen Parkhaus, rund 10 Kilometer von der Autobahn entfernt. 11 kW kann sich der i3 nach 95 Kilometern Fahrt dort ziehen, ganz ohne Authentifizierung. Die Parkgebühr wird uns auch erlassen, da wir im Restaurant des Hotels zu Abend essen. Ein toller Service mitten in der Ladewüste zwischen Prignitz und Müritz!
Bei der Weiterfahrt nach Rostock haben wir es auch nicht eilig, rollen gemählich auf der rechten Spur dahin, während auf freier Strecke links die Verbrenner nur so vorbeischießen. Wir stattdessen sparen bei langsamer Fahrt Energie für die Ankunft am nächsten Morgen in Schweden. Und das soll sich noch als gute Idee erweisen, denn die Abfahrt der „Robin Hood“ verzögert sich. In der Warteschlange im Rostocker Überseehafen wird die Zeit lang. Fast zwei Stunden lang müssen wir den i3 bei einer Außentemperatur um den Gefrierpunkt im Stand beheizen. Während um uns herum die Abgasrohre qualmen, haben wir dabei ein CO2-freies Gewissen. Irgendwann rollen wir in den Bauch der Fähre. Handbremse ziehen, Kabine aufsuchen, gute Nacht.
Teil II – Ladeinfrastruktur, überall Ladeinfrastruktur
Nicht ganz ausgeschlafen rollen wir keine sieben Stunden später in Trelleborg von der Fähre. Stockdunkel ist es draußen, die 30 Kilometer bis Malmö würde die Batterie noch schaffen. Doch es soll da an der Autbahn diese Tankstelle mit einem kostenfreien Multi-Charger geben. Das wollen wir ausprobieren! Und da ist er, knallrot und umringt von grünem Kunstrasen steht er neben der OKQ8-Tanke, die Samstagmorgen um 6:30 Uhr noch geschlossen hat. Im Ladeverzeichnis steht: „Eine Ladekarte kann man im Tankstellenshop ausleihen. Mit Stand Mai 2016 schaltet die Säule aber mit jeder beliebigen RFID frei.“ Letzteres erweist sich als richtig, unser PlugSurfing-Schlüsselanhänger reicht zur Aktivierung und der Strom fließt, während im Osten so langsam die Sonne aufgeht und den Kindern schon wieder die Augen zufallen. Und wir staunen derweil darüber, dass man sich mit langen AC-Ladepausen von Berlin nach Rostock kämpfen musste, um in Schweden quasi direkt aus dem Hafen an einen DC-Schnelllader zu rollen. Noch dazu an einen, der neben vielen konventionellen Zapfsäulen steht.
Nach 20 Minuten Schnellstrom geht’s mit 110 km/h weiter nach Malmö, wo wir nach einer halben Stunde schon fast am Frühstückstisch unserer Freunde sitzen. Für den i3 suchen wir später eine Parkmöglichkeit mit Stromanschluss, können die in allen Apps angezeigte Ladestation aber am Straßenrand nicht entdecken. Denn dort gibt es gar keine Parkplätze, sondern baulich abgetrennte, breite Radwege. Da ist kein Platz für Ladesäulen. Nach drei Runden um ein Einkaufszentrum wird klar: Den Strom muss es in der Tiefgarage geben. Also ab unter Tage! Dort warten sechs gelbe Kompaktlader, die gemähchliche 7 kW liefern und fast alle mit Plug-in-Fahrzeugen oder reinen Stromern belegt sind. Wir finden noch ein Plätzchen. Authentifizieren oder gar zahlen müssen wir auch hier nicht. Also bleibt das E-Auto für den Rest des Tages dort und wir schauen uns Malmö zu Fuß an. Und verstehen jetzt auch das Konzept: Denn Ladestationen gibt es dort in jedem Parkhaus und in jeder öffentlichen Tiefgarage. Auch einige DC-Schnelllader von E.ON, Clever und Fortum stehen in der Stadt bereit.
Die 300.000-Einwohner-Stadt will bis 2020 zur Vorzeigestadt in punkto Nachhaltigkeit werden. Da passen breite Radwege gut ins Bild – und sie werden rege genutzt. Das Parken wird in den Untergrund verlagert und das Laden von E-Fahrzeugen ermöglicht. Wir fühlen uns beim Gedanken an die Situation in Berlin wie im siebten Himmel der Elektromobilität…
Teil III – Schnellstrom im Norden
Nach fünf tollen Tagen Malmö mit ausgedehnten Besuchen zahlreicher Indoor-Spielplätze und Ausflügen ins südschwedische Umland treten wir die Heimreise zunächst auf dem Landweg an. Über die Öresundbrücke führt die Route vorbei an Kopenhagen und über die dänische Insel Falster. Gegen Mittag wollen wir die neue Hybrid-Fähre von Gedser nach Rostock nehmen. 137 Kilometer von Malmö entfernt soll es auf der kleinen Insel Farø im Storstrømmen zwischen Sjælland und Falster einen Schnelllader von E.ON geben. Da wir das Schiff erwischen müssen, fahren wir, was die dänischen Verkehrsregeln erlauben (meist 110, selten 130 km/h) und kommen mit 8 Prozent Restreichweite an der Ladestation an. So viel zur Winter-Reichweite des neuen i3. Gegenwind und Kälte fordern ihren Tribut von der Batterie, die immerhin 27,2 kWh nutzbare Kapazität bietet. Jetzt muss alles klappen.
Der Wind pfeift nur so um die ABB-Station, es ist saukalt. So stand es auch warnend in den Ladeverzeichnissen. 30 Minuten Ladezeit sind einkalkuliert. Eine RFID-Karte von E.ON haben wir natürlich nicht, also rufen wir die Hotline an. Der nette Herr gibt uns eine vierstellige Pin, die der ABB-Lader auch schluckt und versucht, den Ladevorganz zu starten. Doch der i3 bricht ab. Die nette Stimme vom E.ON-Support rät, das Auto noch mal kurz über den Parkplatz zu fahren und es erneut zu versuchen. Und siehe da – es klappt. Wir verziehen uns in die unterkühlte (und menschenleere) Raststätte, wo uns der E.ON-Mitarbeiter erneut anruft und wir ihm unsere Kreditkartendaten durchgeben. Knapp 14 Euro wird uns das Laden später gekostet haben und nach genau 30 Minuten geht’s dann auch planmäßig weiter. E.ON will den komplizierten Pin-Prozess nach Aussage des Mitarbeiters bald in eine App verlagern. Uns ist das in dem Moment egal. Wir sind nur froh, dass der DC-Stromstoß geklappt hat. Denn das Schiff wartet nicht.
Teil IV – Zurück im Entwicklungsland der Elektromobilität
Die Überfahrt von Gedser nach Rostock ist die reinste Freude, ein Fahrbericht zur nagelneun Hybrid-Fähre „Copenhagen“ folgt. Auf deutschem Boden angekommen, müssen wir uns mal wieder um Strom kümmern. Wir laden den i3 am einzigen Rostocker Schnelllader am VW-Autohaus Lütten-Klein randvoll. Das dauert 30 Minuten und kostet uns 7,50 Euro – mit ordentlicher VW-Rechnung, versteht sich. Die Mitarbeiterin schaltet die Säule frei, da wir keine Charge&Fuel-Karte haben. Heißgetränke im tristen Verkaufsraum sind inklusive. Und warm ist es auch noch.
Von Rostock nach Berlin sind es dann 230 Kilometer und der nächste Schnelllader von Allego bei Neuruppin ist 170 Kilometer entfernt. Dazwischen gibt’s nur Ladewüste. Die A19 ist noch immer ein Problem-Korridor, ähnlich wie die Autobahn A24. Leider zeigt das Display im EcoPro-Modus trotz Ladung auf 100% nur 132 km Reichweite an. Das Auto weiß jetzt, dass wir bei der Kälte über die Autobahn nach Berlin wollen.
Wir fordern den i3 heraus, die zweistündige Ladepause am Schlosshotel wollen wir uns sparen. Durch den Warnow-Tunnel geht’s direkt auf die A19. Tempomat auf 80 km/h, gute Musik auf’s Ohr und dann rollen wir dahin. Die Differenz zwischen Reichweite und Strecke wird wie erwartet immer geringer. Doch draußen fällt die Temperatur deutlich in den Minus-Bereich. Die Ausfahrt zur Hotel-Wallbox liegt inzwischen hinter uns. Sie nicht genommen zu haben, soll eine folgenschwere Entscheidung sein. Das Fahren im Modus EcoPro-Plus, dem Reichweiten-Rettungsanker des i3, ist unmöglich: Sofort geht die Heizung aus und die Scheiben beschlagen binnen Sekunden. Es hilft nichts, wir müssen heizen, wenigstens auf 18 Grad, und fahren weiter EcoPro. Kurz vor dem Dreieck Wittstock dämmert uns: Das reicht nicht ganz. 126 Kilometer haben wir auf der Uhr, etwas mehr als 20% Batteriekapazität sind noch übrig. Es bleibt eine Differenz von etwa 5 bis 10 Kilometern bis zum rettenden Schnelllader. Wir haben zu hoch gepokert.
Teil V – Ladewüste Nord-Brandenburg
Also in Wittstock runter von der Autobahn. Notstrom für die fehlenden Kilometer nach Neuruppin müssen wir uns an einer Tankstelle ziehen – aus der Schukosteckdose. Echt peinlich! Ladeinfrastruktur? Gibt’s hier weit und breit nicht. Märkische Ladewüste. Den Rest der Familie sammelt derweil der Schwiegervater ein und bringt sie im warmen Diesel nach Berlin. Der Branchendienst-Betreiber trinkt derweil Kaffee und berechnet die weitere Fahrt.
Nach 40 Minuten Schuko-Nuckeln geht es weiter, zunächst wieder auf die Autobahn. Doch auf der zweispurigen A24 hupen und drängeln nun permanent die Lkw-Fahrer. Achtzig fährt hier keiner, deshalb runter auf die Landstraße, wo ich langsamer fahren kann. 16 Grad im Innenraum und es sollte passen bis zur DC-Station. Doch was ist das: Eine Umleitung wegen Baustelle? Das reicht niemals. Also mitten durch, meist geht das auf märkischen Landstraßen, eine Spur ist immer befahrbar. Dass die Bauleute Sandhaufen in den Weg gekippt haben, hält einen gebürtigen Brandenburger nicht auf. Über Waldwege kurve ich drumherum. Alles, nur nicht die längere Umleitung nehmen. Ich sage Fuchs und Hase gute Nacht, eine Rehherde glotzt mich an. Ein Elektroauto haben die Tiere hier oben vermutlich noch nie gesehen. Fehlt nur noch ein Wolf… Auf der letzten Zelle lande ich schließlich am ersehnten DC-Lader. Immerhin: Ins Schwitzen kam ich angesichts der Kälte nicht.
Jetzt wird erstmal geladen – und geheizt. Denn ein Restaurant zum Aufwärmen gibt’s im Gewerbegebiet Treskow bei Neuruppin nicht. 80 Prozent in 30 Minuten sind auch nicht zu schaffen, ich brauche Energie, um mich aufzuwärmen. Aber es reicht nach der halben Stunde auch so für die restlichen Kilometer nach Berlin, die ich dann mit Vollgas und gemütlichen 22 Grad im Innenraum genieße.
Fazit
Elektromobilität in Südschweden und Dänemark? Überhaupt kein Problem! Die Dichte an normalen und schnellen Ladestationen ist immens. Im Norden Deutschlands ist dagegen von Alltagstauglichkeit noch keine Spur. Von Rostock nach Berlin brauche ich inklusive aller Ladepausen und der peinlichen Nummer an der Tankstelle fast sechs Stunden. Für eine Strecke, die mit dem Verbrenner auf der linken Spur auch in zwei zu machen ist. Schuld ist der Mangel an DC-Ladestationen an den Raststätten und Autohöfen, die ich passiert habe. Bleibt zu hoffen, dass Tank & Rast als nächstes die Ladewüste im Nordosten der Republik bewässert – und endlich die Autobahnen A19 und A24 elektrifiziert. In Bayern ist dank Dobrindtscher Einflüsse die Grundversorgung ja schließlich längst gegeben. Vielleicht klappt’s dann beim nächsten Mal mit der elektrischen Langstrecke im Winter besser. Sonst muss doch das Flugzeug her oder ein Diesel ran. Oder ein Tesla?!
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