Der Blitz-Effekt
Wie geht’s bei Opel nach der Übernahme durch PSA weiter in puncto eMobility? Von Sanierung auf Verbrenner-Basis bis Total-Elektrifizierung scheint alles möglich. Unsere Analyse zeigt: Die weitgehend unbekannten E-Pläne von PSA könnten Opel in die Hände spielen. Und ihr Ursprung liegt in Asien.
Karl-Thomas Neumann ist nicht der Typ, der Benzin im Blut hat. Er steht unter Strom. KT, wie der Vorstandsvorsitzende der Adam Opel AG gerne abgekürzt wird, hat die Energiewende im Auto begriffen. Für ihn ist der Batterie-elektrische Ampera-e nicht die ungewollte Verrenkung eines Maschinenbau-Ingenieurs. Die Elektrizität gehört zu seinem beruflichen Werdegang. Darum passt der Blitz als Markensymbol von Opel so gut zu ihm. Und vielleicht ist er darum bei Volkswagen angeeckt – er verließ das Unternehmen 2012. In Wolfsburg war KT Leiter der Elektrotraktion, er entwickelte neue Antriebe und hatte nur einen Vorgesetzten: Martin Winterkorn.
Was aber wird nun aus Opel, der defizitären Marke aus Rüsselsheim? Schließlich verlangt die französische Peugeot Société Anonyme (PSA) nach der Übernahme, dass Opel bis 2020 Gewinn macht. Und das gilt mit E-Autos bisher als unmöglich, weil die Skaleneffekte der Massenproduktion fehlen.
Synergie- und Skaleneffekte
Die Annahme, Opel würde aus diesem Grund in naher Zukunft nur noch Autos mit Verbrennungsmotoren bauen, ist jedenfalls falsch. Denn die Übernahme durch PSA ist eine Chance für den Strom. Für Opel, aber auch für die anderen drei Konzernmarken DS Automobiles, Citroën und Peugeot. Es wird Synergieeffekte geben, weil alle etwas beizutragen haben, und die Stückzahlen werden steigen.
Auf den ersten Blick ist die Faktenlage äußerst dürftig. In der Pressemitteilung steht lediglich eine kurze Formulierung zur E-Strategie:
„GM und PSA erwarten auch, gemeinsam an der weiteren Bereitstellung der Elektrifizierungstechnologien zu arbeiten und vorhandene Liefervereinbarungen für Holden und bestimmte Buick-Modelle fortzuführen. PSA wird Brennstoffzellensysteme möglicherweise langfristig von einem GM/Honda-Joint-Venture beziehen.“
Der letzte Satz ist am leichtesten zu verstehen: PSA inklusive Opel wird der bekannten Brennstoffzellen-Allianz von GM und Honda beitreten, falls das notwendig ist. Gerade hier ist der Umstieg von der Handfertigung in die Serienproduktion wichtig, wenn die Kosten sinken sollen.
China und Südkorea als Schlüsselstandorte
Was unter der „weiteren Bereitstellung der Elektrifizierungstechnologien“ zu Beginn gemeint ist, muss dagegen interpretiert werden. Klar ist: Der Ampera-e wird weitergebaut. Opel ist darüber hinaus jedoch nicht auf General Motors angewiesen. Denn egal, ob man der Spur in die USA oder der nach Frankreich folgt: Irgendwann landet man immer in Asien.
Bei GM verschweigt man zwar nicht, dass der Antriebsstrang des Chevrolet Bolt aka Opel Ampera-e aus Südkorea stammt, man hängt es aber auch nicht an die große Glocke. Großzulieferer LG Electronics ist wesentlich konkreter. LG in Incheon liefert nach eigenen Angaben „eine Reihe von Komponenten und Systemen“, was beiläufig klingt und untertrieben ist: Der elektrische Antriebsmotor, das Wechselrichtermodul, das Ladegerät im Auto, der strombetriebene Kompressor für die Klimaanlage, die Batteriezellen und Pakete für 60 Kilowattstunden pro Fahrzeug, das Starkstromverteilermodul, die Batterieheizung, das Kombiinstrument sowie das Infotainmentsystem kommen von LG Electronics. Also einfach der komplette Antriebsstrang und mehr.
Die Autoindustrie ist mit höchster Selbstverständlichkeit globalisiert und vernetzt. Und nirgends steht geschrieben, dass Opel und PSA – wollen wir sie OPSA nennen? – keine weiteren Verträge mit LG Electronics abschließen können.
Elf Autos mit Ladestecker bis 2021
Wahrscheinlich besteht diese Notwendigkeit nicht. Denn PSA ist, dem aktuell schmalen Produktportfolio zum Trotz, keineswegs ein schwacher Partner. Im Gegenteil, in der Kooperation mit Dongfeng aus China verfolgt PSA eine zielgerichtete Elektrifizierungsstrategie, von der Opel profitieren wird.
In der deutschen Öffentlichkeit hat es sich noch nicht ausreichend herumgesprochen: Mit dem Fokus auf dem Avantgarde-Label DS Automobiles wird PSA zwischen 2019 und 2021 vier Batterie-elektrische Autos sowie sieben Plug-In-Hybride auf den Markt bringen. Den Anfang macht dem Vernehmen nach ein Crossover, der Ende kommenden Jahres vorgestellt wird.
Danach geht es Schlag auf Schlag, wie electrive.net in Hintergrundgesprächen erfuhr. Jedes neue Modell von DS Automobiles wird elektrifiziert sein. Entweder auf Basis der mit Dongfeng entwickelten e-CMP (electrified Common Modular Platform) für Kleinwagen, mittelgroße Limousinen und Kompakt-SUVs. Oder mit der EMP2 (Efficient Modular Platform) für Kompakt- und Premiummodelle und dem Schwerpunkt auf Plug-In-Hybriden.
Einen Vorgeschmack auf das, was kommt, bietet die zum Genfer Autosalon 2016 vorgestellte Studie DS E-Tense. Wir konnten (zugegeben nur auf dem Beifahrersitz des Prototyps) eine Runde durch Berlin drehen. Die Idee eines leistungsstarken und emissionsfreien Antriebs in Verbindung mit extrovertiertem Design wird Käufer finden. Ganz sicher.
Freie Auswahl für Opel
Es liegt auf der Hand, dass Opel gewissermaßen freie Auswahl hat. Die Rüsselsheimer können prüfen, was am besten in die eigene Angebotsstruktur passt. Wenn es um Privatkunden geht, dürfte der von DS verfolgte Ansatz eines SUV-artigen Autos in der Golf-Klasse vielversprechend sein; ein entsprechendes Opel-Derivat wäre also schlüssig, um das Erbe von Mokka und Crossland X anzutreten.
Vielleicht, das ist zumindest eine Hoffnung, hat Opel auch bei den Nutzfahrzeugen einen Vorteil durch die Übernahme. Lieferfahrzeuge wie der Citroën Berlingo Electric sind voll funktionsfähig und brauchen dringend einen technisch modernisierten Nachfolger. Warum nicht mit Blitz an der Fahrzeugfront? Die Nachfrage wird langsam steigen, wenn der Preis sinkt und die Kommunen auf Fahrverbote für Bestandsdiesel setzen.
Opels Blitz ist also nicht nur nicht verloren, sondern auf dem richtigen Weg. Das Interesse der Kunden, die explizit ein Auto einer deutschen Marke wollen, bleibt bestehen, und das weiß PSA. Dass Geduld erforderlich ist, bis Batterie- und Brennstoffzellen-elektrische Fahrzeuge betriebswirtschaftlich Erfolg haben, weiß jeder in der Branche – wenn das Geschäftsmodell renditeträchtig wäre, würde es ein größeres Angebot geben. Ein langer Atem ist zwingend erforderlich, und den hat KT Neumann: Er ist Marathonläufer.
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