Was machen wir nur mit unserem Überschuss-Strom?
Im Jahr 2016 wurden rund 50 TWh Strom aus Deutschland in die Nachbarländer exportiert. Prof. Dr. Werner Tillmetz vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) rechnet in seinem Meinungsbeitrag vor, wie man mit diesem Überschuss die Energiewende auf der Straße voranbringen könnte.
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Auf der einen Seite erzeugen wir zwischendurch immer wieder zu viel Strom in Deutschland und müssen ihn an unsere Nachbarn verkaufen, unter anderem weil es keine ausreichenden Speicher gibt, um den temporär überschüssigen Strom aus Wind und Sonne zu speichern. Andererseits taucht immer wieder die Frage auf, woher kommt denn der Strom für die vielen Elektrofahrzeuge der Zukunft.
Einige interessante Aspekte zum Thema Thema Stromproduktion in Deutschland findet man auf der Fraunhofer-Seite www.energy-charts.de. Zum Beispiel wird dort erklärt, woher unser Strom jeden Tag kommt und auch, wieviel wir exportieren. In einer aktuellen Zusammenfassung findet sich dort auch die folgende Grafik, die aufzeigt, dass 2016 etwa 50 TWh Strom aus Deutschland zu unseren Nachbarn exportiert wurden.
Anhand dieser Fakten bietet sich folgende Überlegung an: Was wäre, wenn wir diesen Strom nicht exportiert hätten, sondern zum Betanken von Elektrofahrzeugen benutzt hätten? Mit den 50 TWh Strom ließen sich mehr als 20 Millionen E-Autos das ganze Jahr über fahren. Das ist fast die Hälfte unserer Flotte, die dann unsere individuelle Mobilität emissionsfrei und ohne importiertes Erdöl ermöglicht hätte. Eine faszinierende Vorstellung, wie ich finde.
Viele werden sofort argumentieren, dass die Gleichzeitigkeit von Überschussstrom und dem Laden der E-Autos nur teilweise gegeben ist. Doch da die meisten Autos 23 Stunden am Tag stehen, hilft ein intelligentes Stromnetz, verbunden mit einer intelligenten Ladestrategie ein ganzes Stück weiter. Und dann gibt es ja noch die Brennstoffzellen-Fahrzeuge mit Wasserstoff als Treibstoff. Die 50 TWh könnten wir per Wasser-Elektrolyse in den gut speicherbaren Wasserstoff umwandeln. Der Stromüberschuss hätte in diesem Fall für mehr als 7 Millionen Brennstoffzellen-Fahrzeuge für das ganze Jahr gereicht.
Nachdem der Strom für durchschnittlich 3,5 Cent pro kWh ins Ausland verkauft wurde, hätte sich der E-Autofahrer über Treibstoff-Kosten von 0,70 € pro 100 km freuen können. Den Vergleich mit der aktuellen Tankstellenrechnung für Benzin kann jeder selbst anstellen. Natürlich gibt es im Detail und wie immer viele Wenns und Abers. Im Grundsatz zeigt die Abschätzung aber, dass die Energiewende auf der Straße machbar ist.
Über den Autor
Professor Dr. Werner Tillmetz leitet seit 2004 als Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Baden-Württemberg in Ulm den Geschäftsbereich Elektrochemische Energietechnologien und gehört der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Ulm an. Er promovierte in Elektrochemie 1984 an der TU München und war 20 Jahre in verantwortlichen Positionen in der Industrie tätig. Untrer anderem forschte er an Brennstoffzellen für Elektromobilität bei Daimler und Ballard Power Systems.
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