Daimler und Hermes schicken E-Transporter in die Städte
Nach Post und StreetScooter schließt sich mit Mercedes-Benz und Hermes das nächste Logistik-Doppel für mehr Elektromobilität auf der letzten Meile zusammen. Der Paketzusteller will ab 2018 sukzessive 1.500 E-Transporter von Mercedes-Benz Vans einsetzen. Wir waren bei der Vertragsunterzeichnung in Hamburg dabei. So viel vorweg: Die Angst vor Diesel-Fahrverboten fährt mit.
Zunächst die Fakten: Hermes will bis 2020 den Zustellverkehr in 24 Großstädten elektrisch abwickeln, bis 2025 gar in allen. In einem ersten Schritt werden deshalb 1.500 E-Transporter der Modelle Vito und Sprinter von Mercedes-Benz Vans in die Flotte integriert und erste Logistik-Hubs mit Ladeinfrastruktur ausgerüstet. Anfang 2018 startet eine Pilotphase mit 50 Vorserien-Fahrzeugen in Hamburg und Stuttgart, wobei auch ein Konzept für Ladeinfrastruktur erarbeitet wird. Anschließend soll die Zusammenarbeit auf Ballungsräume im gesamten Bundesgebiet ausgedehnt werden, Gespräche laufen bereits in Berlin und Frankfurt. „Die Unternehmen wünschen sich maßgeschneiderte und kosteneffiziente Elektromobilität“, sagte Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans, bei der Vertragsunterzeichnung in Hamburg. Die Zusammenarbeit mit Hermes diene dafür als Blaupause.
Der E-Sprinter kommt – nur wie?
Unbeantwortet ist bisher die Frage, wie sich die Zahl von 1.500 E-Transportern auf die Modelle Vito und Sprinter aufteilen wird. Von Hermes ist zu hören, dass dieser Punkt in den Verträgen bewusst offengehalten wurde, weil die abschließenden Spezifikationen der Fahrzeuge noch nicht feststehen. Wir erinnern uns: Den Vito E-Cell hat Daimler bereits seit 2011 im Programm, doch nur rund 1.000 Exemplare gingen – zumeist im Leasing und in Demo-Projekten – an Kunden raus. Die neue Generation des Vito E-Cell wurde noch nicht vorgestellt. Das gilt auch für den Elektro-Sprinter, den es so bisher gar nicht gab. Nach Informationen von electrive.net ist die Entscheidung zur Produktion bei Daimler inzwischen gefallen, doch Spezifikationen sind noch nicht duchgesickert.
Volker Mornhinweg deutete in Hamburg immerhin an, dass es den elektrischen Sprinter mit verschiedenen Batteriegrößen geben wird – der Akku also je nach Kundenwunsch skaliert werden könne. Von einer gesicherten Reichweite (wir reden hier nicht von NEFZ, sondern kalt-nassen Wintertagen) von 70 bis 120 Kilometern ist die Rede, was auf eine Mindestkapazität von 40 kWh bei der Basis-Version schließen lässt. Ja nach Anforderung können dann wohl weitere Batteriemodule diesen Wert steigen lassen. Für die kostensensible KEP-Branche (Kurier — Express — Paket) gelte es, „kein Batteriegewicht sinnlos durch die Gegend zu fahren“, wie es Van-Chef Mornhinweg beschrieb. Die Einbindung der Kunden sei obligatorisch. Da macht es Mercedes-Benz nun wie StreetScooter, wo die Zusteller der Deutschen Post ebenfalls Einfluss auf das Produkt nehmen konnten und weiterhin können. In einem Punkt unterscheidet sich das Vorgehen aber von den Post-Pionieren: Abstriche beim Komfort gibt es nicht. Wo der StreetScooter ohne Klimaanlage und kräftige Heizung auskommen muss, soll bei den E-Transportern von Daimler der Fahrer sein Wohlfühlklima genießen können – und die Vorkonditionierung der Fahrzeuge an der Ladestation möglich sein. Ein Anspruch, den der Stern auf der Motorhaube mit sich bringe.
Bei der Elektrifizierung seiner Transporter setzt Mercedes auf die Technik der Pkw-Kollegen, die Batterien liefert die Daimler-Tochter Accumotive aus dem sächsischen Kamenz zu. Auch die E-Antriebe entstehen in Eigenregie. In den nächsten Jahren will Mercedes-Benz Vans insgesamt rund 150 Mio Euro in die Elektrifizierung seines gewerblichen Angebots pumpen. „Wir nutzen natürlich das gesammelte Konzernwissen für Elektromobilität“, betonte Volker Mornhinweg mehrfach. Wichtig auch das eigentliche Ziel der Übung: ein TCO-Delta von Null im Vergleich zu konventionellen Transportern. Soll heißen: Beschaffung und Betrieb der E-Fahrzeuge sollen auf der letzten Meile in Summe nicht mehr kosten als bei Diesel-Fahrzeugen. „Das haben wir geschafft“, freute sich Hanjo Schneider, Mitglied des Vorstandes der Hermes-Mutter Otto Group und Aufsichtsratsvorsitzender der Hermes Europe GmbH bei der Präsentation – und das unabhängig vom Umweltbonus.
Die Angst vor Fahrverboten treibt an
Für Hermes, den größten privaten Paket-Logistiker der Republik, startet mit der Elektro-Offensive eine neue Ära. Und das offenbar später als gedacht. „Wir haben lange miteinander gerungen“, formulierte es Hanjo Schneider etwas verklausuliert. Übersetzt könnte das heißen: Daimler liefert – endlich. Wie viel für Hermes auf dem Spiel steht, machte Alexander Bartelt, Head of Corporate Responsibility, im Gespräch mit electrive.net klar: Die Debatte um Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge habe die Branche tief verunsichert. Hamburg habe solche Verbote lange ausgeschlossen – nun gibt es sie in zwei Straßen doch. Bei Hermes will man sich auch nicht auf ewige Ausnahmen für den gewerblichen Verkehr verlassen. Schließlich sei es dem Anwohner irgendwann nicht vermittelbar, dass er sein Auto stehen lassen muss, während der alte Transporter weiter rollen dürfe. Hermes-Geschäftsführer Dirk Rahn ging im Gespräch noch einen Schritt weiter und machte klar: „1.500 E-Transporter können eigentlich nur der Anfang sein, mittelfristig brauchen wir eher 20.000.“ Denn das Transport-Aufkommen werde sich bis 2025 noch mal verdoppeln. Und wenn keine Diesel mehr in die Städte dürfen, müssen Alternativen her.
Wie nötig Mercedes-Benz Vans eine neue Produktbasis für den elektrischen Umschwung seiner Kunden hat, wurde am Rande der Veranstaltung selbst deutlich. In der Ausstellung stand neben einem Vito E-Cell von 2011 eine fast schon historische Sprinter-Studie mit Brennstoffzelle aus dem Jahre 2001. Daneben das Fahrzeug für die Pressefotos: Ein konventioneller Diesel-Transporter. Immerhin mit der Aufschrift: „Ich liefere demnächst elektrisch.“ Die Stadtbewohner wird’s freuen.
Weiterführende Links:
daimler.com (Pressemitteilung zur Vertragsunterzeichnung)
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