Keine Million Elektroautos
Weg ist sie, die Million. „So, wie es im Moment aussieht, werden wir dieses Ziel nicht erreichen.“ Mit diesem Satz hat Angela Merkel das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 endgültig zu Grabe getragen. Was die Grünen nun zur „Bankrotterklärung“ stilisieren, ist am Ende nur – die simple Wahrheit. Ein Kommentar von Peter Schwierz.
Ich muss gestehen: Als ich die Aussage der Bundeskanzlerin las, geäußert auf einem Kongress der Unionsfraktion in Berlin, hielt sich meine Aufregung in Grenzen. War doch allen Fachleuten schon seit Jahren klar, dass es mit der Million bis 2020 nichts mehr wird. Artikel, die mit der einschlägigen Wortgruppe begannen, bis 2020 wolle die Bundesregierung eine Million Elektroautos auf die Straße bringen, habe ich in den vergangenen Monaten nach diesem ersten Satz kopfschüttelnd abgebrochen. Und davon gab es viele, das können Sie mir glauben.
Wenn nun Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer die Aufgabe des Ziels als „klima- und industriepolitische Bankrotterklärung“ bezeichnet, dann hat er zwar Recht, betreibt aber nur Wahlkampf. Oder was unterscheidet die Merkel-Äußerung von der (inzwischen abgestraften) grünen NRW-Ministerin Sylvia Löhrmann, die vor einem Wahlkampfauftritt von ihrem Dienst-Verbrenner ins Wahlkampf-Hybridauto umgestiegen ist?
Tatsächlich ist es an der Zeit, sich ehrlich zu machen in Deutschland. Ja, wir bauen die besten Verbrenner der Welt. Ja, wir lieben es, damit ohne Tempolimit über unsere Autobahnen zu ballern. Nein, die dreckige Luft in den Städten bringt uns nicht auf die Palme. Solange unser Diesel-SUV vor der Tür parken darf und uns komfortabel und günstig in einem Rutsch von Flensburg nach Freiburg schaukelt, haben wir keinen Sinn für Alternativen. Vermutlich gehören Sie zu den 15.000 Abonnenten von electrive.net, die jetzt aufgebracht widersprechen wollen. Aber Ihnen muss klar sein: Sie sind die Ausnahme!
Bequemlichkeit statt Verkehrswende
Zwischen Modellregionen und Schaufenstern war die Elektromobilität in den vergangenen Jahren vor allem Flickschusterei. Hier ein elektrisches CarSharing, dort ein paar Ladesäulen – mehr war selten. Der Umweltbonus war nur PR-Aktion, das Ladeinfrastuktur-Programm spät dran, die Ausländer-Maut (in einem freien Europa) des Verkehrsministers liebstes Ding. Von der Energiewende im Straßenverkehr ist die Bundesrepublik heute so weit entfernt wie die Zugspitze von der Nordseeküste. Das liegt vor allem an drei Dingen: dem mangelhaften Angebot der Hersteller, den schlechten Rahmenbedingungen für alternative Antriebe und dem Unwillen der Politik, an beidem wirklich etwas zu ändern. Es hat seine Gründe, dass der BMW i3 im Jahr 2017 noch immer das erste und einzige Purpose Design-Elektroauto aus Deutschland ist und ansonsten wie beim e-Golf die Kompromisse dominieren. Wirtschaft und Gesellschaft haben es sich bequem eingerichtet. Deutsche Verbrenner verkaufen sich weltweit wie geschnitten Brot, sie mehren dadurch hierzulande den Wohlstand. Wer daran ernsthaft etwas ändern wollte, stand schnell als grüner Bevormunder oder Arbeitsplatz-Gefährder am Pranger. In diese Falle sind die Grünen oft getappt.
Und nun? Wie geht es weiter, nachdem Angela Merkel die Million höchstamtlich annulliert hat? Ganz einfach: Jetzt wird sich die beste Technologie durchsetzen. Dass der Diesel das nicht ist, wissen wir jetzt. Er wird sich in Europa noch ein paar Jahre halten und dann zumindest im Auto langsam aber sicher den Rückzug antreten. Die Autohersteller werden zwar viel unternehmen, um das zu verhindern, doch mehr als eine Nische ist der Diesel nach dem Aus in den USA nicht. Auch der Plug-in-Hybrid, als das Beste aus zwei Welten verkauft, hat nur auf Sicht eine Daseinsberechtigung. Was langfristig bleibt, sind Batterie-elektrische Fahrzeuge, Wasserstoff-Autos mit Brennstoffzelle an Bord – oder Verbrenner, betankt mit synthetischen Kraftstoffen. Von diesen drei Lösungen werden sich zwei durchsetzen – die günstigste und die komfortabelste.
Wettbewerb erfordert Chancengleichheit
Das heißt: Der Wettbewerb um die Mobilität der Zukunft ist eröffnet. Statt Planwirtschaft ist Innovationsgeist gefragt. Und die Zeichen deuten darauf hin, dass hier Batterie und Brennstoffzelle das Rennen machen werden, auch wenn so mancher Automobiler vom synthetischen Kraftstoff träumt, um den Verbrennungsmotor zu retten. Was man sich von der nächsten Bundesregierung nur wünschen kann, ist Chancengleichheit in diesem Wettstreit – auch im Interesse der etablierten Autohersteller, die sonst zu lange in die falsche Technologie investieren, während Newcomer wie StreetScooter und Tesla ohne Ballast auf neue Lösungen setzen. Der Steuer-Vorteil für Diesel an der Tankstelle muss deshalb schleunigst weg. Denn heute kosten 100 Kilometer im Elektroauto mit Strom von der öffentlichen Ladesäule oft mehr als 100 Kilometer mit dem Diesel.
Es gab einmal eine rot-grüne Bundesregierung, die in schlechten Zeiten den Mut hatte, mit der Agenda 2010 die Weichen für gute Zeiten zu stellen. Beim Verkehr sollten nun in guten Zeiten die richtigen Signale für saubere gesetzt werden. Dazu braucht es kein staatliches Millionen-Ziel. Es gibt in Deutschland, Europa und der Welt genug kreative Köpfe und findige Ingenieure, die den Wettstreit um die Mobilität der Zukunft nicht fürchten. Ob die besten Lösungen dann aus Kalifornien, Deutschland oder China kommen, wird genau dieser Wettbewerb entscheiden – wenn er fair ausgetragen werden kann.
Weiterführende Links:
>> Merkel kassiert das Ziel von einer Million E-Autos bis 2020
>> Merkel verabschiedet sich vom Elektroauto-Ziel
>> Stecker gezogen. Ein Versagen der Regierung? Die Analyse.
>> Grüne werfen Bundesregierung bei Elektromobilität Scheitern vor
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