Eichrecht? Kein Problem!
Das Eichrecht erhitzt bundesweit die Gemüter all jener, die sich mit dem Ladeinfrastruktur-Aufbau befassen. Sie schwanken zwischen Angststarre und Unwohlsein. Und jetzt bereiten die Eichbehörden auch noch eine Schwerpunktaktion vor. Grund genug für electrive.net, die Entwicklung zu analysieren. Eine Bestandsaufnahme von Christoph M. Schwarzer.
Ein Liter Superbenzin kostet 1,29 Euro. Die Autofahrer kennen den aktuellen Preis genau. Und sie sind es gewohnt, in dieser Volumeneinheit zu rechnen. Sie tanken den Sprit, bezahlen an der Kasse und können sicher sein, für ihr Geld die korrekte Menge zu bekommen – die Zapfsäulen werden regelmäßig vom Eichamt geprüft. Diese transparente und nachvollziehbare Marktsituation ist auch an Ladesäulen für Batterie-elektrische Autos und Plug-In-Hybride erforderlich. Das Wort Eichrechtskonformität aber löst bei vielen Beteiligten Unwohlsein aus: Eine exakte Abrechnung nach Kilowattstunden erhalten die Nutzer selten. Ein Zustand, der sich schrittweise verbessern wird. Das klare Ziel ist die eichrechtskonforme Messung der elektrischen Energie an AC- und DC-Ladepunkten.
Auf dem Papier ist seit 1. Januar 2015 ein neues Eich- und Messgesetz in Kraft. Die Übergangszeit nach der ersten Aufbauwelle (2009, Konjunkturpaket II) ist seitdem vorbei. Wenn ein Autofahrer jetzt seinen Strom nach Kilowattstunden bezahlt, ist das nur an einer eichrechtskonformen Ladesäule korrekt. Die – im Regelfall mit den jeweiligen Landeseichbehörden abgestimmten – Ausweichlösungen sind bekannt: So ist es zum Beispiel erlaubt, den Strom zu verschenken. Auch Session Fees, also Pauschalen (wie neuerdings in Berlin), oder Flatrates sind genehmigt.
Eine ebenfalls beliebte Methode war bisher die Abrechnung nach Anschlusszeit. Dieses Modell wird gerne propagiert, weil damit der Missbrauch von Lade- als Parkplätzen unterbunden werden (AC) oder der Fahrzeugdurchsatz (DC) gesteigert werden kann. Verschiedene Eichrechtsbehörden haben nun verdeutlicht, dass hier die Zeiteinheit selbstverständlich genauso dem Gesetz unterliegt wie jede andere Messgröße.
Eichrechtsbehörden bereiten „Schwerpunktaktion“ vor
Überhaupt, die 13 Landeseichbehörden: Sie machen einfach ihre Arbeit. Das heißt, dass sie die Marktüberwachung durchführen und prüfen müssen, ob die Messgeräte in den Ladesäulen bestimmungsgemäß verwendet werden.
Weil dieses Verfahren noch nicht etabliert ist, bereiten die Landeseichbehörden gerade die „Schwerpunktaktion Verwendungsüberwachung von Ladesäulen“ vor. Verkürzt gesagt geht es in einem ersten Aufschlag darum zu prüfen, wer eine Ladesäule wo und mit welchem Verfahren betreibt.
Für die Schwerpunktaktion befinden sich zwei Fragebögen in Vorbereitung: Einer für die Betreiber, die unter anderem über Standort, Abrechnungsmodell und andere technische Zusammenhänge Auskunft geben. Und ein anderer für die Charge Point Operator (CPO), die neben anderen Aspekten ihr Geschäftsmodell beschreiben. Wahrscheinlich wird die Schwerpunktaktion zu Beginn des vierten Jahresquartals gestartet.
Von der Ist-Situation zum Ziel
Das Ergebnis wird eine präzise Übersicht der Ist-Situation sein. Wie aber kann die aktuelle Lage, in der zwar gesetzlich korrekt oder geduldet abgerechnet wird, in das eingangs beschriebene präzise Modell nach geeichten Kilowattstunden überführt werden? Hierzu gibt es verschiedene Ansätze.
Grundsätzlich gilt, dass die Eichrechtskonformität eines Produkts von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig festgestellt werden kann. Die PTB leitet auf Anfrage ein Konformitätsbewertungsverfahren ein und stellt eine Baumusterprüfbescheinigung aus. Die zweite Rolle der PTB ist die Beratung der Landeseichbehörden.
Nun aber konkret: Wie könnte es in naher Zukunft funktionieren? Hierzu hat Checrallah Kachouh, Geschäftsführer des Ladesäulenherstellers EBG compleo, bei der Veranstaltung Innovations(t)raum Elektromobilität im Juni einen realistischen Vorschlag vorgestellt.
Speicher- und Anzeigemodul von EBG compleo
Das Stichwort heißt Speicher- und Anzeigemodul (SAM). Die meisten AC-Ladesäulen haben bereits einen Stromzähler gemäß MID (Measuring Instruments Directive / Europäische Messgeräterichtlinie) verbaut. Sie messen längst korrekt.
Das Problem ist nun die Vielzahl der Beteiligten im Gesamtablauf – nicht nur der Autofahrer braucht eine Kilowattstunden-genaue Abrechnung: Auch der Betreiber und der CPO, die nachgeschaltete IT-Plattform (z.B. Intercharge, e-clearing.net) sowie der Mobility Service Provider MSP (The New Motion etc.) müssen richtige Zahlen haben.
Das von Checrallah Kachouh vorgestellte Speicher- und Anzeigemodul (SAM) erfüllt mehrere Funktionen: SAM speichert den Anfangs- und Endzählerstand eines Ladevorgangs über einen ausreichend langen Zeitraum und kann ihn auf Anfrage anzeigen. SAM ist für den Autofahrer an der Ladesäule sichtbar. Der Nutzer kann den angezeigten Wert mit seiner später übermittelten Rechnung vergleichen. Die angezeigten Werte sind im Streitfall (egal, zwischen welchen Beteiligten) rechtlich bindend.
Kern des SAM ist also die Eichrechtskonformität einer gesamten Prozesskette. EBG compleo strebt dafür eine Baumusterprüfbescheinigung an und kann sich eine Einführung in der zweiten Jahreshälfte 2018 vorstellen. Über die Kosten ist noch nichts bekannt. Das Prinzip des SAM wäre übrigens auch auf DC-Säulen übertragbar. Die Kombination aus eindeutiger Normierung für DC-Zähler sowie SAM ist potenziell eichrechtskonform.
Das SAM von EBG compleo ist das, was in Hintergrundgesprächen eine „technisch-organisatorische Lösung“ genannt wird, und sie hat den Charme, bei ausreichendem Bauraum sogar für die Nachrüstung tauglich zu sein.
Im Verkauf: Geeichter, mobiler Stromzähler von Ubitricty
Ein weiteres Beispiel: Ubitricity bietet ein eichrechtskonformes System an, dass jeder schon heute kaufen kann. Das Unternehmen hat sich früh engagiert und führt ein Smart Cable im Programm: Im Ladekabel integriert ist ein mobiler und eichrechtskonformer Stromzähler inklusive GSM- und Speichereinheit.
Was in einem Satz beschrieben ist, ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit und löst etliche Abrechnungsprobleme, etwa am Arbeitsplatz, beim heimischen Laden eines Dienstwagens oder in der Tiefgarage einer Eigentümergemeinschaft: Immer muss transparent und nachweisbar nach Kilowattstunden gemessen und abgerechnet werden.
Es ist keine Vision, dass jedes in der Europäischen Union neu zugelassene E-Fahrzeug das Ubitricity-System nicht im Kabel, sondern im Motorraum eingebaut hat. Egal ob im Auto oder in der Ladesäule, es gibt noch ein weiteres wichtiges Argument für die eichrechtskonforme Messung nach Kilowattstunden: Das netzdienliche (und irgendwann das bidirektionale) Laden. Spätestens, wenn Batterie-elektrische Autos massenhaft auf den Straßen fahren, wird diese Idee wirklich wichtig. Es bestehen wenig Zweifel an der Notwendigkeit, in Abhängigkeit der gerade im Netz verfügbaren Leistung zu laden.
Für die Akzeptanz der E-Mobilität bei den Autofahrern muss die Abrechnung auf die eichrechtskonforme Kilowattstunde umgestellt werden, das ist unzweifelhaft. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur das verständliche und bestehende Recht der zuständigen Behörden, langsam Druck aufzubauen. Es ist ihre Pflicht.
19 Kommentare