„Die Käufer des Mission E werden eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mit High Power Chargern vorfinden.“

Vor ein paar Wochen hat Porsche seinen ersten 800-Volt-Ladepark in Berlin vorgestellt. Wir haben mit dem verantwortlichen Experten Michael Kiefer von Porsche Engineering über die futuristischen High Power Charger gesprochen. Und Kiefer macht klar: Die Zukunft des Ladens will Porsche aktiv mitgestalten.

Herr Kiefer, warum befassen Sie sich bei Porsche Engineering so intensiv mit Ladeinfrastruktur? Andere Automobilhersteller haben das Thema eher stiefmütterlich behandelt.

Das liegt natürlich vor allem an unserem ambitionierten Versprechen, das wir mit dem Mission E, dem ersten rein batteriebetriebenen Sportwagen von Porsche, abgeben. Immerhin möchten wir, wenn der Mission E Ende des Jahrzehnts auf den Markt kommt, 80 Prozent der Batteriekapazität in 15 Minuten laden. Dazu braucht es eine adäquate Ladeinfrastruktur und wir haben es uns zum Ziel gesetzt, selbst auch eine entsprechend leistungsfähige Technologie anzubieten. Darüber hinaus ist es natürlich unser Anspruch, an der Schnittstelle zum Kunden Maßstäbe zu setzen, unserem Premium-Anspruch – nicht nur in Sachen Design – gerecht zu werden und uns von Wettbewerbern idealerweise abzuheben.

Mit wie vielen Leuten haben Sie Ihre Lösung entwickelt und wie lange hat das gedauert?

Wir haben zwei Jahre an der Entwicklung des Konzepts gearbeitet, das wir heute zum ersten Mal vorstellen. Wir waren ein Entwicklungsteam, das bis zu 70 Personen umfasst hat. Für dieses Team haben wir Köpfe gesucht, die über ein für Porsche eher ungewöhnliches Wissen verfügen und sich beispielsweise mit Transformatoren sehr gut auskennen. Sehr viele Leistungselektroniker waren dabei, aber auch Verfahrenstechniker, Energietechniker – allesamt Berufsbilder, die nicht klassischer Weise bei einem Sportwagenhersteller zu finden sind. Insofern war es auch richtig, das Thema bei der Porsche Engineering zu platzieren, weil wir über externe Entwicklungsaufträge bereits viel Erfahrung außerhalb des Automobilsektors gesammelt haben.

Sie haben auch einen eigenen Transformator entwickelt. Was machen Sie da anders?

Die Technologie an sich ist nichts Neues. Sie gibt es nur noch nicht in Zusammenhang mit Ladestationen. Wir nennen die Technologie bei uns Splitted Powerline. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, schaffen wir es über die galvanische Trennung die einzelnen Ladesäulen in den Stromkreisen voneinander zu trennen. Diese galvanische Trennung im Transformator ermöglicht es uns, die Leistungselektronik deutlich kleiner zu bauen und eine bis dato einmalige Effizienz zu erreichen.

Mit der Wasserkühlung sind Sie bisher allein im Markt. Das klingt jetzt erstmal nach einer sehr komplizierten Technologie, die auch wieder störungsanfällig sein könnte. Oder können Sie mir die Angst nehmen, dass ich – wie heute oft – an Ladepunkten strande, die nicht funktionieren?

Das kann ich definitiv. Im Gegensatz zu einer Luftkühlung, die stark von der Außentemperatur abhängig ist und hohe Temperaturunterschiede bringt, ermöglicht die Wasserkühlung eine gleichmäßige Konditionierung – und das auch noch für die gesamte Ladeinfrastruktur. Und über Redundanzen in den Wasserkreisläufen sichern wir die durchgängige Funktionsfähigkeit. Das heißt, in unseren Kühlwürfeln haben wir zwei getrennt voneinander arbeitende Kühlaggregate, die auch getrennt voneinander den Ladepark versorgen. Würde uns ein Kühlaggregat ausfallen, könnte das zweite Kühlaggregat den kompletten Ladepark betreiben. Das haben Sie heute bei einer Luftkühlung nicht. Wenn die ausfällt, dann steht die Anlage.

Wird jeder Interessent diese 800-Volt-Ladestationen bei Ihnen kaufen können?

Wir wollen dieses Produkt aller Voraussicht nach gemeinsam mit einem Partner vertreiben. Als Porsche Engineering liegen unsere Stärken ganz klar in der Entwicklung. Vertrieb und Vermarktung können andere sicherlich besser.

Der einzige Hersteller, der bisher massiv eigene Infrastruktur entwickelt hat, ist Tesla. Was machen Sie anders als die Kollegen aus Kalifornien?

Es ist bei uns gute Tradition, dass wir nicht so sehr auf den Wettbewerb achten, sondern unsere Entwicklungen unabhängig davon nach unseren Kriterien vorantreiben. Aber unser technologischer Ansatz ist schon alleine deshalb anders, weil wir höhere Leistungswerte benötigen, um die vorgegebenen Ladezeiten zu erfüllen. Zudem arbeiten wir an einer Lösung, die möglichst wenig Fläche benötigt, denn die ist überall ein rares Gut.

Wo Sie die Fläche ansprechen: Tesla plant gerade neue Ladeparks mit 20, teilweise 40 Ladeplätzen. Was sehen Sie da kritisch? An der Autobahn gibt es doch Fläche genug?

Es steht mir nicht zu, die Arbeit von Tesla zu beurteilen. Jeder hat seine eigene Philosophie. Für uns steht im Vordergrund, dass wir eine möglichst hohe Frequenz an den Ladepunkten erreichen. Wir sind momentan der Überzeugung, dass zu Beginn durchschnittlich sechs Ladepunkte an einer Station ausreichend sind. Denn wir haben ja deutlich kürzere Standzeiten durch eine relativ hohe Ladeleistung und somit einen höheren Durchsatz.

Also kann man sagen, die Ladestation der Zukunft ist eigentlich doch wieder eine Tankstelle? Frei nach dem Motto: Schnell hin, schnell weg!

Ja, ich persönlich bin der Überzeugung, dass es sich dahingehend entwickeln wird, auch wenn es in einer Übergangsphase sicherlich noch verschiedene Ausprägungen geben wird. Im Moment nutzen wir häufig noch Parkplätze, wie am neuen Porsche-Zentrum Adlershof in Berlin zum Beispiel, um die Voraussetzungen für Elektromobilität zu schaffen. Das unterscheidet sich vom klassischen Tankstellen-Prinzip erheblich. Aber der nächste Schritt wird sicherlich sein, dass auch Tankstellenbetreiber auf den Zug aufspringen.

Welche Zukunft hat das AC-Laden, wenn DC jetzt zur Tankstelle der Zukunft mutiert?

Ich denke, AC-Laden wird eine lange Zeit noch seine Daseinsberechtigung haben. DC-Ladesäulen, wie man sie jetzt hier sieht, verursachen deutlich höhere Infrastrukturkosten: Baukosten, Netzanschluss, Transformator und mehr. Insofern glaube ich schon, dass sich AC vor allem im Privatbereich noch länger halten wird.

Mit welcher Ladeleistung? Einphasig? Dreiphasig? Was ist der Standard, den Sie sich vielleicht erhoffen? Möglicherweise auch über alle Hersteller hinweg?

Da haben wir, ganz offen gesprochen, noch keine Präferenz. Wir betreiben ja heute auch eigene AC-Entwicklungen. Wir haben Produkte, die wir bis 22 kW AC betreiben. Und das werden wir auch sukzessive fortführen, auch mit eigenem Branding. Denn auch in der Vergangenheit haben wir bei Porsche immer ganzheitlich gedacht. E-Mobility hört ja nicht beim Kauf eines Fahrzeugs auf.

Sehen Sie Porsche in Zukunft auch als Betreiber von Ladeinfrastruktur?

Das ist noch nicht abschließend diskutiert. Sicher ist, dass wir die Hardware anbieten wollen und werden. Alles Weitere wird sich zeigen.

Im Moment ist die User Experience bei Ladeinfrastruktur eher eine schwierige: verschiedene Ladekarten, Betreiber, Abrechnungsmodelle – ein großes Durcheinander. Wie sieht Ladeinfrastruktur in einer perfekten e-mobilen Welt aus?

Ich denke, der neue Standard ist 15118, also Plug and Charge. Dabei wird die Ladeinfrastruktur quasi mit dem Fahrzeug verheiratet und der gesamte Vorgang – bis hin zur Rechnung – läuft automatisiert. Das bietet einen hohen Komfort und löst die Kartenvielfalt auf. Auch RFID-Karten sollten an allen Säulen funktionieren.

Wie viele Porsche High Power Charger werden wir denn in zehn Jahren in Deutschland sehen?

Möglichst viele, hoffe ich. Aber eine konkrete Zahl zu nennen wäre zum heutigen Zeitpunkt äußerst spekulativ. Natürlich setzen wir in erster Linie auf unsere Porsche-Zentren. Darüber hinaus wollen wir aber auch am weiteren Markt partizipieren.

Welche Chancen rechnen Sie sich aus, dass Ihre Hardware beim High Power Charging Konsortium zum Zuge kommt?

Es handelt sich um eine öffentliche Ausschreibung, an der wir uns – wie andere Marktteilnehmer auch – beteiligen. Die Entscheidung liegt alleine bei den OEMs, die sich an dem Joint-Venture beteiligen. Ich kann nur sagen, dass wir von unserem Technik- und Design-Konzept überzeugt sind. Und wir gehen auch davon aus, dass wir bei den Investitionskosten wettbewerbsfähig sind.

Kann es sich ein Automobilhersteller eigentlich noch leisten, nicht an Ladeinfrastruktur zu denken?

Es ist sicherlich nicht zwingend notwendig, eine eigene Entwicklung voranzutreiben, wie wir es machen oder auch Tesla. Aber jeder Automobilhersteller sollte zumindest die gesamte Wirkkette im Blick haben. Denn eines ist klar: Das Auto wird dabei immer das teuerste Element bleiben und deshalb wird der Kunde sich bei Problemen innerhalb dieser Kette immer zuerst an den Hersteller wenden. Deshalb haben wir ein natürliches Interesse, diese Wirkkette – vom Fahrzeug bis hin zum Netz – so weit abzusichern, dass der Kunde, wenn er ein Problem hat, auch bei uns einen kompetenten Ansprechpartner findet, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

Letzte Frage: Wann genau – in welchem Jahr, in welchem Monat – werden Sie sich mit einem Porsche Mission E durch ein landesweites Netz an High Power Chargern aus Ihrem Hause bewegen können?

Der Mission E wird Ende des Jahrzehnts neue Maßstäbe beim elektrischen Fahren setzen, soviel steht jedenfalls fest. Und die Käufer dieses Sportwagens werden europaweit auch eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mit High Power Chargern vorfinden. Wie viele davon aus unserem Hause sind, ist erst einmal zweitrangig.

Herr Kiefer, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

1 Kommentar

zu „„Die Käufer des Mission E werden eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mit High Power Chargern vorfinden.““
Derpostler
04.08.2017 um 10:08
"Natürlich setzen wir in erster Linie auf unsere Porsche-Zentren", sagt er. Dies wird der Grund werden, warum das Projekt nicht erfolgreich wird. Niemand will zu einem Autohändler fahren um sein Auto aufzuladen. Schnelllader gehören direkt an Autobahnen und Schnellstrassen und sonst nirgendwohin.

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