FDP: „Elektromobilität muss ohne Zwang attraktiv sein.“
Eine Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl am kommenden Sonntag ist durchaus möglich. Die Position der Union zur Elektromobilität kennen wir. Deshalb haben wir uns mit den beiden Junior-Partnern unterhalten. Michael Theurer (MdEP), FDP-Präsidiumsmitglied und Landesvorsitzender der FDP Baden-Württemberg, bezieht dabei eine klare Position: Seine Partei ist für Elektromobilität, aber gegen eine Quote oder die Fortführung der Kaufprämie. Elektroautos, so Theurer, müssen sich beim Kunden durch ihre Attraktivität durchsetzen, nicht durch staatliche Vorgaben oder Zwänge.
Die FDP steht für Marktfreiheit statt Staatsdirigismus. Wie bewertet die Partei daher Forderungen nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Aus des Verbrennungsmotors, wie es die Grünen für 2030 anstreben?
Fahr- und Technikverbote lehnen wir ab. Wir halten sie für falsch und gefährlich. Niemand, kein Wissenschaftler, kein Ingenieur und schon gar kein Politiker kann voraussagen, welcher Antrieb sich im Jahre 2030 durchsetzen wird. Politik muss Zielvorgaben für den Klima- und Gesundheitsschutz machen, muss Festlegungen auf bestimmte Technologien aber unbedingt vermeiden. In der Diskussion völlig ausgeblendet werden die Kunden. Das ist ein großer Fehler. Denn Kunden kaufen Produkte, wenn sie Vorteile in ihnen sehen. Dazu gehören Komfort, der Preis, die ökologische Bilanz, die Reichweite, die Sicherheit und der Fahrspaß. Am Ende entscheidet ja immer der Kunde. Um nicht missverstanden zu werden: Wir sind für Elektromobilität. Allerdings gehen wir davon aus, dass wir für längere Zeit ein Miteinander von batteriebetriebenen Elektroautos und Verbrennungsmotor haben werden. Das liegt auch an bislang ungelösten Umweltproblemen der Batterietechnologie – von den Umweltproblemen beim Lithium-Abbau in der Atacama-Wüste bis zur ungelösten Entsorgungsfrage.
Können die Grünen dann überhaupt ein Koalitionspartner der FDP sein?
Auf Landesebene sind die Freien Demokraten Koalitionen eingegangen, an denen auch die Grünen beteiligt sind. In Rheinland-Pfalz eine Ampel, in Schleswig-Holstein Jamaika. Entscheidend ist, ob wir Freie Demokraten unsere wesentlichen Inhalte in konkretes Regierungshandeln umsetzen können. Für eine Zusammenarbeit auf Bundesebene sehe ich angesichts der Forderungen der Grünen große Hürden. Einführung der Vermögenssteuer, Erhöhung der Erbschaftssteuer und das Verbot von Benzin- und Dieselmotoren, das ist mit der FDP nicht zu machen.
Wichtige Industrienationen wie die USA, Japan oder China haben Quoten für E-Fahrzeuge eingeführt oder werden das tun. Welche Quote hält die FDP in Deutschland für richtig?
Eine Quote für E-Autos ist ein planwirtschaftlicher Eingriff, den wir ablehnen. Wir wollen keine Quote. Wir wollen stattdessen in Forschung und Entwicklung investieren und diese beiden Säulen des Fortschritts steuerlich besserstellen. Was bringt eine Quote – wenn die Kunden das Elektroauto, das es im Moment auf dem Markt gibt, nicht kaufen wollen. Der richtige Weg ist, Elektromobilität so weiterzuentwickeln, auch von der Ladeinfrastruktur, dass es für die Menschen ohne Zwang attraktiv ist.
Der Bund bezuschusst den Kauf von Batterie-elektrischen Autos, Brennstoffzellen-Autos sowie Plug-in-Hybriden mit pauschalen Summen. Das geschieht zeitlich (bzw. nach Budget) befristet. Will die FDP nach dem Auslaufen die E-Prämie weiterführen und falls ja, in welcher konkreten Höhe?
Nein. Das Scheitern der Kaufprämie zeigt doch, dass Menschen Autos, die sie für unpraktisch, ineffizient und ökologisch fragwürdig halten auch dann nicht kaufen, wenn man sie ihnen künstlich günstiger anbietet. Was fehlt, ist vor allem die richtige Infrastruktur und eine Forschungsförderung, die technologieoffen ist. Das Elektroauto ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch die herkömmlichen Antriebsarten wie der Diesel lassen sich effizienter und ökologischer gestalten, zum Beispiel durch die Harnstoffeinspritzung. Auf der anderen Seite sind Brennstoffzellen-Antriebe ebenfalls im Kommen. Die Politik weiß eben nicht am besten, was sich am Ende beim Verbraucher durchsetzt.
Welche staatlichen Zuschüsse (z.B. Infrastruktur zum Laden, Wasserstoff-Tankstellen) hält die FDP für richtig?
Bei der Ladeinfrastruktur und Wasserstoff-Tankstellen sehen wir bereits Initiativen der Autohersteller und Energieunternehmen selbst, diese auszubauen. Gerade aber außerhalb von Ballungsgebieten muss hier der Staat tätig werden – ähnlich wie beim Glasfaserausbau.
Welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht der FDP geschaffen werden, um die Ansiedlung einer Batteriezellproduktion in Deutschland zu begünstigen?
Batteriefabriken sind bereits in Deutschland geplant. Die Frage einer Förderung durch den Staat stellt sich im Moment nicht. Zunächst müssen essentielle Fragen der Produktion und der Entsorgung von Lithium-Ionen-Akkus geklärt werden. Die Batterie könnte der Atommüll des 21. Jahrhunderts werden. Bei der Produktion stellen sich nicht nur Fragen der Ressourcenknappheit, sondern auch ethische. So arbeiten laut Amnesty International tausende Minderjährige in kleinen Kobaltminen im Süden des Kongos unter prekären Bedingungen. Die Frage ist, ob wir beim aktuellen Stand der Technik bei dem Batterieantrieb nicht mehr Schaden anrichten, als wir Nutzen daraus ziehen.
Die EU hat für Energie eine Mindestbesteuerung beschlossen. Langfristig soll die Steuer auf alle Kraftstoffe gleich hoch sein, was pro Liter Diesel nicht nur das Abschmelzen des Energiesteuervorteils (18,4 Cent pro Liter), sondern wegen des höheren Energiegehalts zu einigen weiteren Cent Aufschlag im Vergleich zu Benzin führen würde. Wann plant die FDP, diese Subvention abzubauen?
Der Diesel wurde jahrelang von der Politik als klimafreundlich beworben und befördert. Die Fuhrparks mittelständischer Unternehmen bestehen ausschließlich aus Dieselfahrzeugen. Pendler sind ebenfalls betroffen. Es hätte nichts mit Planungssicherheit oder Fairness zu tun, würde man den Diesel jetzt wieder verteuern.
Welche weiteren Maßnahmen zur Einführung der E-Mobilität hält die FDP für wichtig? Hierzu gibt es etliche Beispiele von der Zulassung so genannter Personal Light Electric Vehicles (PLEV) bis zum Umstieg des öffentlichen Busverkehrs auf Emissionsfreiheit.
Um Fahrverbote für Diesel in Innenstädten zu verhindern, muss in einem ersten Schritt der ÖPNV emissionsfrei gemacht werden. Die E-Mobilität wird sich darüber hinaus selbst einführen, wenn Hersteller attraktive Produkte anbieten können.
Gibt es andere Punkte, die Sie und Ihre Partei für wichtig und relevant halten?
Neue Mobilitätskonzepte der Zukunft sind unabhängig vom Antrieb notwendig – sie werden digital gesteuert und flexibel sein – und sie werden unabhängig von privaten Fortbewegungsmitteln Menschen unkompliziert von A nach B bringen. Die Vernetzung und Digitalisierung sowie die autonome Personen- und Güterbeförderung sind heute schon Realität – und werden die Zukunft der Mobilität prägen. Hier vertrauen wir Freie Demokraten auf die Kreativität, die Innovationskraft und die klugen Köpfe unserer Ingenieure. Ziel muss doch sein, dass wir die riesige Transformation unserer Wirtschaft so bewerkstelligen, dass die Betriebe, die Angestellten diese Transformation ohne harte Brüche meistern können. Deshalb ist eine Verbots- und Verzichtsideologie mit festen Auslaufdaten von bestimmten Technologien nicht nur ökonomisch falsch, sondern auch unsozial und gefährlich. Der Fortschritt kommt – wir können ihn durch politische Rahmenbedingungen nur beschleunigen oder abbremsen – aber nicht aufhalten. Im Interesse Deutschlands und Europas sollten wir die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung verbessern, die Arbeitsbedingungen und Freiheiten für Forscher aus aller Welt attraktiv gestalten. Für uns Freie Demokraten ist klar: Wir brauchen Freihandel, den Austausch von Gütern und Know-how, wir brauchen Fachkräfte und Forscher aus aller Welt, wir brauchen ein Forschungsumfeld, dass Experimente erlaubt und zunächst Chancen, nicht Gefahren sieht, wir brauchen Begeisterung und Neugier für Forschung, Naturwissenschaften, Experimentiergeist und Selbstständigkeit schon in unseren Schulen – damit wir mit Deutschland in Europa mit an der Spitze eines neuen Zeitalters stehen.
Herr Theurer, ich danke Ihnen für das Gespräch!
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