Grüne: „6.000 Euro Kaufprämie für die erste Million.“
Kommt die Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl? Durchaus möglich. Deshalb haben wir uns die Positionen der Junior-Partner angeschaut. Nach FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer kommt nun Dieter Janecek (MdB), wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, zu Wort: Im Interview fordert er eine Erhöhung der direkten Kaufprämie auf 6.000 Euro für die erste Million E-Autos, ein europäisches Engagement für Batteriezellfabriken und einen planbaren Ausstieg aus den Dieselsubventionen.
Herr Janecek, was ist das Zieljahr für ein Verbot von Verbrennungsmotoren?
Wir Grüne haben in der Partei das Jahr 2030 für den Ausstieg beschlossen. Danach sollen keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden. Viele andere Länder haben sich ähnliche Ziele gesetzt. Entscheidend ist aus unserer Sicht: Emissionsfreies Fahren ist das Ziel, und das ist technisch möglich.
2030 – ist das eine bewusste Provokation angesichts der geringen Auswahl an Batterie-elektrischen Autos, die es heute zu kaufen gibt?
Die Jahreszahl leitet sich logisch aus dem Klimaziel der Bundesregierung ab, die CO2-Emissionen im Verkehr bis 2050 um 85 Prozent zu reduzieren. Wenn Sie die Fahrzeuge im Bestand und deren Laufzeit berücksichtigen, müssen Sie 2030 komplett auf die Nullemission umstellen. Ich behaupte: Die Frist von 13 Jahren ist großzügig bemessen; wir würden das auch in fünf Jahren schaffen.
Soll es vor 2030 eine Quote geben, die wie etwa im US-Staat Kalifornien jährlich ansteigt?
Nein, wir fordern keine Quote. Die Industrie braucht einen planungssicheren Rahmen, und den setzen wir mit dem Ausstiegsjahr 2030. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir an mehreren Punkten ansetzen. Nachfrageseitig wollen wir die direkte Kaufprämie ausbauen und zwar auf 6.000 Euro für die erste Million.
Darüber hinaus wollen wir den Kommunen erlauben, eine abgasbezogene Citymaut einzuführen. Ein wichtiger Punkt unserer städtischen Verkehrspolitik soll außerdem die Förderung des Carsharings sein: Wer in Berlin-Charlottenburg seinen privaten Pkw aufgibt, bekommt dafür einen Carsharing-Parkplatz vor der Haustür – das finde ich vorbildlich. Das Carsharing sollte grundsätzlich elektrisch und mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden.
Setzen Sie ganz aufs Batterie-elektrische Fahren, oder was bedeutet Technologieoffenheit für Sie?
Im Wettbewerb der Antriebstechnologien um Emissionsfreiheit hat das Batterie-elektrische Fahren das größte Potenzial. Die Kosten werden weiter drastisch sinken. Wer in synthetische Kraftstoffe investieren will, kann das gerne tun – ich glaube aber, dass Verbrennungsmotoren in naher Zukunft ökonomisch nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden.
Wie möchten die Grünen die Ansiedlung von Batteriefabriken an deutschen Standorten fördern?
Wir sind in der Gefahr, dass sich unser Rückstand bei der Batteriezellproduktion auf China und die USA weiter vergrößert. Um dem entgegenzuwirken, kann ich mir ein deutsch-französisches Konsortium vorstellen – ähnlich wie bei Airbus. Die Staaten würden direkt investieren. Warum nicht in der Grenzstadt Fessenheim als Ersatz für das marode Atomkraftwerk eine Zellfabrik bauen? So oder so: Eine Batteriezellproduktion ist eine dringende europäische Aufgabe.
Was sagen Sie zu denen, die wie die FDP in Batterien den kommenden Atommüll des 21. Jahrhunderts sehen?
Wer das behauptet, hat zu wenig Sachkenntnis und übersieht die Chancen. Nach ihrem Einsatz als Traktionsbatterien – und obwohl Autos wie der Nissan Leaf bereits seit fünf Jahren auf dem Markt sind, gibt es keine verschlissenen Akkus – können sie als stationäre Speicher oder für andere Zwecke im Second Use eingesetzt werden. Wahrscheinlich dauert es mehr als 20 Jahre, bis das Thema relevant wird. Die Metalle lassen sich schon heute problemlos recyceln, und anders als für Erdöl, das einfach unwiderruflich weg ist, gilt das auch für kritische Materialien aus schwierigen Herkunftsländern.
Sie meinen Kobalt oder Coltan aus der demokratischen Republik Kongo?
Zum Beispiel, ja. Natürlich stehen wir hier vor einer großen Herausforderung. Wir müssen Druck auf die produzierenden Staaten ausüben, um die Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern. Der Ressourcenbedarf wird erheblich wachsen. Eine Alternative dazu ist, am Ersatz kritischer Materialien zu forschen. Ohne das Thema Cobalt kleinreden zu wollen: Es ist ja nicht so, dass wir bei der Ölförderung keine Probleme haben. Man muss sich ja nur mal ansehen, was die Ölförderung im Nigerdelta angerichtet hat.
Themenwechsel: Welche Infrastrukturprojekte in der E-Mobilität sind besonders wichtig?
Ich könnte mir vorstellen, dass der Staat infrastrukturseitig für Ladesäulen in Vorleistung geht und die Industrie produktseitig. Baden-Württemberg mit Ministerpräsident Kretschmann ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Ausbau funktionieren kann: Alle zehn Kilometer soll es einen DC-Ladepunkt geben. Für den Massenhochlauf der E-Mobilität muss aber auf den Fernstrecken noch mehr passieren. Es ist Aufgabe der kommenden Bundesregierung, in der nächsten Legislaturperiode genug Ladeparks zu errichten. Technisch ist das machbar.
Planen die Grünen eine Umgestaltung des Steuersystems, also zum Beispiel das Abschmelzen des Energiesteuervorteils vom 18,4 Cent pro Liter?
Bei der Kfz-Steuer möchten wir ähnlich wie in Frankreich ein Bonus-Malus-System einführen. Autos mit hohem CO2-Ausstoß kommen mit erhöhten Steuern für einen Teil der E-Förderung auf. Gleichzeitig muss das Dieselprivileg abgeschmolzen werden. Wir reden hier von rund zwölf Milliarden Euro, die zur Finanzierung der Verkehrswende eingesetzt werden können. Allerdings müsste der Anstieg bei der Energiesteuer auf Dieselkraftstoffe planbar und langfristig erfolgen.
Was muss noch passieren in der Verkehrspolitik?
Wir sehen Verkehr als integriertes System. Wir können in zehn bis 15 Jahren eine emissionsfreie Mobilität schaffen. Das gilt für Autos und Nutzfahrzeuge, aber auch für alle anderen Verkehrsträger. Die Bahn braucht dringend eine Investitionsoffensive, auch und gerade bei der Elektrifizierung von Strecken.
Dazu müssen die Bedingungen fürs Radfahren und das Carsharing verbessert werden. Wichtig ist mir eine App, in der alle Mobilitätsdienstleistungen gebündelt werden und die Kilometerkosten für den Nutzer sofort transparent sind. Das ist Teil eines digitalen Verkehrssystems.
Sie sind wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Ist E-Mobilität für Sie zuerst ein Wirtschafts-, Verkehrs- oder Umweltthema?
Für mich ist die E-Mobilität zuerst ein Umweltthema. E-Mobilität bedeutet für mich: Ich will unabhängig vom Erdöl sein und emissionsfrei privat oder im Sharing fahren. In der nächsten Legislaturperiode sollte der Bundestag eine Enquetekommission einberufen, um ein schlüssiges Gesamtkonzept für den Verkehr der Zukunft zu erarbeiten. Das fehlt bisher. Wir wollen, dass die Erdölindustrie einbricht und die negativen Umweltfolgen der fossilen Rohstoffe minimiert werden.
Eine mögliche Regierungskoalition nach der Wahl könnte ein Jamaika-Bündnis sein. Glauben Sie, dass das mit der FDP möglich ist?
Die Aussagen vor der Wahl und nach der Wahl sind zwei Paar Schuhe. Wir Grüne kämpfen natürlich für eine Zweierkoalition. Aber natürlich stellen wir uns der Verantwortung, wenn das Wahlergebnis eine Dreierkoalition ermöglicht oder erzwingt. Sicher ist: Wir würden hart verhandeln.
Herr Janecek, ich danke Ihnen für das Gespräch!
1 Kommentar