GroKo in spe klammert sich an den Verbrenner
Kein Mut, keine Visionen für die Mobilität der Zukunft: Wie der „Spiegel“ unter Berufung auf ein Papier der entsprechenden Sondierungs-Fachgruppe berichtet, haben es Union und SPD bei einer Neuauflage der Großen Koalition nicht eilig mit dem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Es droht weiter Flickschusterei.
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„SPD und Union streben bei einer Neuauflage der Großen Koalition keinen schnellen Ausstieg aus der derzeitigen Motorentechnologie an“, schreibt „Spiegel Online“ unter Berufung auf ein Papier der zuständigen Fachgruppe . Die Elektromobilität soll zwar – ebenso wie der ÖPNV und die Bahn – gefördert werden. Doch die drohenden Fahrverbote wollen die GroKo-Sondierer offenbar vor allem mit Effizienz-Steigerungen beim Verbrennungsmotor und Nachrüstungen bei den Diesel-Abgasanlagen abwenden.
Damit gibt sich die angehende Neuauflage der GroKo ähnlich rückwärtsgewandt wie die noch amtierende Regierung, was angesichts der verhandelnden Personen natürlich kein Wunder ist. Allerdings droht Deutschland so langsam die Isolation: In den meisten Ländern rundherum sind Benzin- und Dieselautos längst zum Auslaufmodell erklärt worden. Selbst das noch stärker vom Diesel abhängige Frankreich vollzieht unter Emmanuel Macron ein Wendemanöver bei voller Fahrt. Wenn Deutschland also Exportweltmeister bleiben soll, wozu die Automobil-Industrie bekanntlich wesentlich beiträgt, was will man dann in wenigen Jahrzehnten eigentlich noch verkaufen? Ganz offensichtlich drehen Union und SPD das frühere Motto von Erich Honecker um. Es lautet dann: „Vorwärts nimmer, rückwärts immer!“
Dabei müssten die Rahmenbedinungen für die Elektromobilität in Deutschland eigentlich dringend verbessert werden. Insbesondere das ebenfalls absehbare Festhalten von CDU und SPD an den Diesel-Subventionen macht der jungen Technologie zu schaffen. An allen Ecken wird Technologieoffenheit gefordert, um dann bei den Kosten aber keine Gleichheit herzustellen. Die Ladeinfrastruktur ist ebenfalls noch lange nicht da, wo sie sein müsste. Mit dem laufenden Förderprogramm wird bestenfalls der Rückstand gegenüber den Pionieren in Europa aufgeholt. An eine Führungsrolle ist dagegen noch lange nicht zu denken. Es drohen mit einer neuen GroKo also weitere Jahre der nur mäßig wirksamen Förderprogramme. So mancher Automanager ist da gedanklich inzwischen weiter als die Vertreter der schrumpfenden Volksparteien. Planungssicherheit kann die Branche von der Politik jedenfalls nicht erwarten.
„Zwischen Modellregionen und Schaufenstern war die Elektromobilität in den vergangenen Jahren vor allem Flickschusterei“, haben wir von electrive.net schon im Mai 2017 analysiert, als Bundeskanzlerin Angela Merkel das Millionen-Ziel begraben hat. Es steht zu befürchten, dass dieser Satz auch für die neue GroKo gilt. Wenn sie denn zustande kommt.
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Update vom 12.01.2018: Die Spitzen von Union und SPD haben die Gespräche erfolgreich abgeschlossen und ein 28-seitiges Sondierungspapier veröffentlicht. Dieses bestätigt den Vorab-Bericht des „Spiegel“: Die angehende GroKo nennt Elektromobilität nur ein einziges Mal – als eine von mehreren Maßnahmen, um Fahrverbote zu vermeiden, die Luftreinhaltung zu verbessern und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Von einer Verkehrswende ist nicht die Rede. Hier die Passage im Wortlaut:
„Wir wollen Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern. Die Mobilitätspolitik ist dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet. Wir wollen die Klimaziele von Paris erreichen und dabei soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen. Dafür bedarf es eines ganzen Bündels von Maßnahmen, wie zum Beispiel der Förderung von Elektromobilität, des Öffentlichen Personennahverkehrs und des Schienenverkehrs; effizienteren und sauberen Verbrennungsmotoren inklusive Nachrüstungen sowie der Verstetigung der Mittel im Rahmen des Nationalen Forums Diesel. Wir setzen uns dabei für ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen von Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und Gewerkschaften ein.“
Interessanter ist da schon die Aussage, wonach die GroKo in spe die „Lücke zum Klimaziel für 2020 soweit wie möglich“ schließen will. Dazu soll noch 2018 ein Fahrplan „zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums“ beschlossen werden – vorbereitet von einer Kommission. Ähnlich solle im Bau- und im Verkehrssektor vorgegangen werden, heißt es weiter. Hieraus allerdings abzuleiten, dass die Große Koalition einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor von einer Expertengruppe vorbereiten lässt, wäre wohl zu viel des Guten. Die Schlussfolgerung des VCD liegt näher: „Vieles in dem Abschlusspapier von CDU, CSU und SPD klingt wie ein ‚Weiter so‘ in der Verkehrspolitik“, kritisiert der ökologische Verkehrsverband – wohl zurecht.
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