Das Ressourcenproblem der Elektromobilität

Treiben wir den Teufel (Verbrennungsmotor) mit dem Beelzebub (Elektroauto) aus? Oder anders gefragt: Woher kommen die Rohstoffe für die Elektromobilität? Die Beschaffung von Kobalt und Co. treibt die großen Hersteller zunehmend um. Ein Lagebericht von Christoph M. Schwarzer.

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Die Zweifel wiegen schwer. Die Vorwürfe sind hart. Die Gegner des Batterie-elektrischen Autos sagen, dass es die Abhängigkeit vom Rohöl beendet und durch die von kritischen Materialien ersetzt. In der alphabetischen Reihenfolge die wichtigsten vier: Kobalt, Kupfer, Lithium und Neodym. Wegen der erwartbar stark steigenden Nachfrage schießen die Aktienkurse mancher Lieferfirmen genauso nach oben wie das Selbstbewusstsein einiger Förderländer. Im Ergebnis könnten die Preise für Batterien weniger schnell fallen, als es die Skaleneffekte erhoffen lassen. Außerdem weisen NGOs auf katastrophale Arbeitsbedingungen bis zur Kinderarbeit in Minen hin. Der Ruf des Elektroautos an sich leidet. Oder wird hier nur wieder ein neuer Bullshit als Gegenargument zur Energiewende im Verkehr veröffentlicht?

Wahrscheinlich nein. Anders als bei der Klimabilanz und dem Recycling, wo die Kritikpunkte sachlich widerlegt sind, könnte es bei der Ressourcenversorgung ein echtes Problem geben. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht zurzeit Kobalt. Ein Großteil der Weltproduktion wird in der so genannten Demokratischen Republik Kongo gefördert. 40.000 Kinder, so schätzt Amnesty International, arbeiten hier. Die „Kontrollen der Kobalt-Lieferkette“ seien zwar verbessert worden, aber noch „weit davon entfernt, lückenlos“ zu sein, sagt Mathias John von Amnesty International. Protest gegen die Behauptung der Kinderarbeit gibt es nicht. Stattdessen bekennen sich führende Autohersteller wie BMW zur Responsible Cobalt Initiative (RCI), die an der Verbesserung der Umstände und der Transparenz arbeitet.

Die Lieferländer sind am Drücker

Neben dieser ethischen Belastung gibt es die bei den Kosten. So plant die DR Kongo, die Lizenzgebühren für Kobalt von zwei auf fünf Prozent zu erhöhen. Deutschen Unternehmen wie Volkswagen fällt es zunehmend schwerer, langfristige Lieferverträge abzuschließen.

„Dies ist ein Anbietermarkt“, erklärt Matthias Wachter, der beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Abteilung für Sicherheit und Rohstoffe leitet. Wachter teilt die Analyse, dass die Komponenten für den Batteriebau perspektivisch teurer werden könnten. Ähnliches befürchtet auch Hyundai in einer Prognose vom Dezember letzten Jahres: Ab 2020 könnten die Batteriekosten stagnieren.

Gleichzeitig sei es ein „Paradox, dass ressourcenreiche Staaten in Afrika unter ihrem Reichtum leiden“, so Wachter. Angesichts der hohen Einnahmen aus dem Rohstoffexport vernachlässigen viele Machthaber eine Diversifizierung der Wirtschaft. Korruption und eine steigende Kluft zwischen Arm und Reich sind die Folge.

„Aus Sicht des BDI ist ein Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit notwendig“, sagt Matthias Wachter. Nicht Dreijahresprojekte, sondern langfristige Perspektiven müssten geschaffen werden. „Vor Ort müssen funktionsfähige wirtschaftliche Strukturen entstehen.“

Für China ist dieses Gemengelage ein Vorteil. Das Land ist nicht zufällig oder aus reiner Umweltliebe ein Treiber der Batterie-elektrischen Mobilität: Eigene Rohölvorkommen gibt es nicht. Aber Neodym für die Permanentmagneten in E-Motoren und Ressourcen für den Batteriebau.

2016 wurden weltweit über 84 Millionen Pkw produziert, davon knapp 24 Millionen für den chinesischen Markt – 2010 wurden dort erst elf Millionen verkauft. Die Marke von 100 Millionen wird bald erreicht sein. Dazu addieren sich etliche leichte und schwere Nutzfahrzeuge. Wenn ein großer Teil davon oder sogar alle mit Batterien elektrifiziert werden sollen, stehen wir erst am Anfang eines Umbruchs.

Bewusstsein schaffen, Ersatz prüfen

Was also ist zu tun?

Zuerst ist es wichtig, dass ein Bewusstsein für die Situation entsteht. Ernst nehmen und nicht verdrängen. In der Vergangenheit – siehe Erdöl – hat es nie einen völligen Zusammenbruch bei der Ressourcenförderung gegeben, obwohl der vielfach prognostiziert wurde. Steigende Preise dagegen sind leicht vorstellbar.

Ideen, die Rohstoffe zu ersetzen, werden darum hoch gehandelt. So hat der Renault-Nissan-Konzern jüngst das Startup Ionic Materials gekauft. Die Firma forscht an Kobalt-freien Feststoff-Elektrolyt-Batterien. Bis zum Serieneinsatz werden aber viele Jahre vergehen. Branchenkreise gehen davon aus, dass es fünf oder mehr Jahre dauert, bis überhaupt Solid State Batterien in Massen produziert werden.

Der Anteil der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien nimmt überall zu. Das Material für die Batterieproduktion dagegen wird knapper und teurer. Hier liegt eine Chance für das Brennstoffzellen-elektrische Fahrzeug: Die Tanks sind aus Ressourcenperspektive simpel, und der Platinbedarf sank pro Auto auf zuletzt unter 50 Gramm. Zum Vergleich: Im Abgasstrang eines modernen Dieselantriebs sind bereits rund 15 Gramm verbaut.

Wer hat Recht – Optimisten oder Skeptiker?

Die Fürsprecher der Elektromobilität wie etwa die Organisation Agora Verkehrswende wiederum neigen dazu, das Problem kleinzureden. In einem Interview mit ZEIT ONLINE heißt es, selbst bei einem 40-fach höheren Bedarf als heute gebe es keine physische Knappheit. Den Kostenaspekt lässt Agora allerdings genauso aus wie absolute (statt relativer) Zahlen: Mit einer 40-mal höheren Batterieproduktion können nur etwa ein Viertel der Pkw-Neuzulassungen des Jahres 2025 voll elektrifiziert werden. Aus Agora spricht der Optimismus.

Was stimmt? Das können wir von electrive.net nicht abschließend klären. Wir beobachten die Sorgen der Industrie mit Aufmerksamkeit und haben nicht den Eindruck, dass sie als Entschuldigungsinstrument für mangelndes Engagement vorgeschoben werden. Deutschland ist ein ressourcenarmes Land, so viel ist klar. Umso wichtiger ist es, beim Denken vorne zu sein. Und natürlich bei der realen Umsetzung aller Projekte zur Elektromobilität. Dem Plus bei den Verkäufen zum Trotz verhält sich die Politik zögerlich: Im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD spielt das Elektroauto keine Rolle. Das ist ein Armutszeugnis für die Parteien – und es könnte zur Deindustrialisierung Deutschlands beitragen.

8 Kommentare

zu „Das Ressourcenproblem der Elektromobilität“
B.L.
24.01.2018 um 12:17
Vielleicht mal als Denkanstoß an die Skeptiker: 1. Die gleichen Rohstoffe werden ja anderswo genau so eingesetzt (und derzeit noch in viel größeren Mengen). Oder wer ist heute noch bereit auf Smartphone/Tablet/Laptop/PC zu verzichten? 2. Fast alle Artikel mit Akku-Antrieb setzen inzwischen auf Li-Akkus 3. Auch aktuelle Autos mit Flüssigkraftstoff-Antrieb haben einen nicht unerheblichen Elektronikanteil - und er wächst mit jeder Modellgeneration!Das ist also kein (reines) PKW-Problem. Das macht natürlich die Situation nicht besser, aber Kriege um Rohstoffe und Korruption sind so alt wie der Mensch selbst. Daran wird sich vermutlich auch nicht so schnell etwas ändern.Aus meiner Sicht ist die Diskussion ein reines Ablenkungsmanöver, das den alteingesessenen PKW-Herstellern in die Hände spielt.Nicht falsch verstehen: Ich will das Problem nicht kleinreden. Aber auch ohne E-PKW verschwinden unsere Probleme nicht wieder. Ich glaube nur, dass wir ein sehr großes durch ein weniger großes ersetzen - das sollte man als das sehen was es ist: eine Verbesserung!
Starkstrompilot
02.02.2018 um 01:25
Sie sind der einzige Kommentar, der hier den richtigen Ton trifft und nicht in diese 'das geht ja gar nicht'-Reflexe verfällt. Im Kongo haben wir es nicht mit technischen, sondern gesellschaftlichen Prolemen zu tun. Kinderarbeit und Ausbeutung ist kein Problem des elektrischen Autos. Außerdem bezieht Tesla z.B. sein Kobalt und Lithium nicht aus solchen Ländern. Dazu setzen sie wie Renault fremderregte Motoren ein, brauchen also kein Neodym und Kobalt in den Magneten. Man kann solche Rohstoffe also auch meiden. Es geht, wenn man will.
Peter Kass
26.01.2018 um 23:56
Ganz ihrer Meinung!
Karsten Berg
24.01.2018 um 13:05
Natürlich ist es vernünftig, sich um die gesammte Wertschöpfungskette als Rohstoff-abhängiges Land Gedanken um die Zukunft zu machen. Aber da müssen auch Taten erfolgen. Aussitzen gilt nicht..! Da muss man schon mal über den wohlbehüteten dt. Tellerrand "gucken" und im Ausland, wi z.B. nach jenen Rohstoffen "Ausschau" halten. China und Japan tun das auch schon lange. Von Luft allein fährt noch kein Auto der Zukunft. Leider..!
Martin Leitner
24.01.2018 um 14:13
Der Artikel berücksichtigt einen wichtigen Aspekt nicht: das autonome Fahren. Es kann damit gelingen, die Anzahl produzierter Autos um etwa 80% zu senken. Statt 100 Millionen Besitzautos müssten dann "nur mehr" 20 Millionen E-Shuttles jährlich produziert werden. Dass das den Autoherstellern nicht gefällt, ist klar. Umso mehr wäre daher die Politik gefordert, die Weichen entsprechend zu stellen.
Christian Zander
25.01.2018 um 06:26
Ich denke, der Ausbau des Recyclings ist ziemlich wichtig. Das Recycling wurde bisher sträflich vernachlässigt, weil es offenbar günstiger war, neue Rohstoffe zu beschaffen. Recyceltes Material soll angeblich bis zum Doppelten so teuer sein.Außerdem haben wir mit dem Zweitleben eines E-Mobil-Akkus auch nicht den sofortigen Druck für das Recyling.Meines Wissens ist Recycling von Altbatterien zu 100% möglich. Dann müssen die Rohstoffe eben auch zu Teilen von da kommen.Aber richtig ist, dass wir durchaus Probleme haben mit der Rohstoffversorgung. Und Kinderarbeit, nee, das geht einfach gar nicht.B.L hat durchaus Recht, auch das Recycling von allen möglichen anderen elektronischen Geräten muss verbessert werden. Geplante Obsoleszenz, insbesondere bei Mobiltelefonen und Unterhaltungselektronik, sollte unbedingt vermieden werden.
Benjamin Reuter
25.01.2018 um 14:57
In meiner Promotion habe ich mich mit genau diesem Thema beschäftigt und Werkzeuge aufgezeigt, wie man derartige Probleme (Risiko von Lieferengpässen ebenso wie soziale Abbaubedingungen) frühzeitig in der Fahrzeugentwicklung berücksichtigen kann. Wer sich dafür interessiert: https://www.amazon.de/Bewertung-Nachhaltigkeitsaspekten-Technologieauswahl-Elektrofahrzeuge-Fahrzeugtechnik/dp/3843927588/ref=sr_1_fkmr0_1?ie=UTF8&qid=1516888478&sr=8-1-fkmr0&keywords=Nachhaltigkeitsaspekte+bei+der+rohstoffwahl+f%C3%BCr+elektrofahrzeuge
Fritz Vogel
30.01.2018 um 18:33
Stellen wir uns vor in Deutschland gäbe es einen Rohstoff der plötzlich weltweit aus irgendwelchen Gründen besonders gefragt ist und im Preis steigt. Würden wir das dramatisch empfinden. Im Gegenteil. So wie die Saudis über Öl nicht traurig waren und schwer reich wurden. Das Problem ist die Selbstverständlichkeit der weltweiten Industrie den Rohstoff so billig zu fordern, dass Kinderarbeit und Korruption quasi notwendig sind. Die Lösung ist einfach. Akzeptieren wir, dass der Preis eines E-PKWs um 400,- EUR steigt und fordern wir gleichzeitig ein, das dieser Rohstoff aber nur aus Quellen stammen darf die, überwachterweise, umweltverträgliche und sichere Abbaubedingungen und faire Löhne für die dort angestellten Arbeiter und keine Kinderarbeit akzeptieren. Fair Trade Kobalt oder Lithium sozusagen. Dann können die Menschen dort hoffentlich in naher Zukunft Ihre Kinder in die Schule schicken und nicht in die Mienen. Als Umwegrentabilität könnten diese Länder und vor allem deren Bevölkerung reicher werden und weniger Flüchtlinge produzieren. Wenn die Automobilfirmen entsprechende Angebote fair produzierter Fahrzeuge anbieten, die Konsumenten diese auch annehmen kann das wiederum ein USP für europäische Fahrzeuge werden und Chinesen müssten nachziehen. Gerade der Typische Elektrofahrer der ersten Jahre wird die Mehrkosten in der Höhe von Alufelgen akzeptieren wenn er damit sicher sein kann, dass sein E-Auto keine Kinderarbeit bewirkt.

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