Vorserien-Microlino feiert Premiere in Zürich
Zweieinhalb Jahre nach dem Start des Projekts hat Micro Mobility Systems jetzt den Vorserien-Microlino in Zürich präsentiert. Das von der Isetta abgeleitete Mini-Elektroauto kann bereits über 4.600 Reservierungen verzeichnen. Jetzt kommt die Produktionshölle. Wir waren bei der Vorstellung dabei.
Es ist das vielleicht sympathischste Projekt, das die Elektromobilität in Europa derzeit zu bieten hat: Ein Vater, der mit seiner Roller-Schmiede Micro Mobility Systems auf eine 20-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken kann, und seine Söhne, die für den Microlino ihre Uni-Prüfungen sausen lassen, bringen gemeinsam einen elektrischen Kabinenroller auf die Straße, der immer mehr Menschen entzückt. Die Rede ist von Wim Ouboter und seinen Söhnen Oliver und Merlin. Seit zwei Jahren brennt die Schweizer Unternehmer-Familie mit ihren Partnern für ein Projekt, das so vermutlich nur auf elektrischer Basis funktionieren konnte – den Microlino. Das Fahrzeug der Klasse L7e verzeichnet bereits über 4,600 Reservierungen. In Zürich – keine hundert Meter vom Micro-Flagship-Store entfernt – haben Vater und Söhne heute Abend die ersten beiden Vorserien-Microlinos der Öffentlichkeit präsentiert. Manche Szene vor Ort erinnerte an die frühen Auftritte von Elon Musk bei Tesla: Im proppenvollen Kaufleuten-Restaurant drängen sich über 300 Gäste, rufen begeistert dazwischen oder johlen nach einer Pointe. Das Produkt wird nach der Präsentation umzingelt, jeder will mal im Microlino sitzen, stundenlang ist kaum ein Rankommen an die beiden Fahrzeuge.
Kommen wir also kurz zu den Eckdaten: Zwei Personen können in dem nur 2,40 Meter kurzen Elektro-Stadtflitzer auf einer Sitzbank Platz nehmen. Interessant ist, dass der Einstieg wie beim Vorbild durch die Frontklappe erfolgt. Dank der kompakten Bauweise kann das Fahrzeug auch quer einparken. Vorteil: So steigen die Insassen direkt auf den Bürgersteig aus. Angeblich passen drei Microlinos auf dem Raum einer normalen Parklücke nebeneinander. Die überfüllten Städte wird’s freuen. Das Kofferraumvolumen beziffert Micro Mobility Systems mit 300 Litern – oder umgerechnet genügend Platz für vier Bierkisten.
Das 510 Kilogramm (inklusive Batterie) leichte Gefährt verfügt über eine 15 kW starke E-Maschine. In nur fünf Sekunden beschleunigt der kleine Flitzer von 0 auf 50 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 90 km/h. Serienmäßig ist eine 8 kWh große Batterie verbaut, die eine Reichweite von bis zu 120 Kilometern ermöglichen soll. Optional gibt es eine 14,4 kWh große Batterie, mit der dann bis zu 215 Kilometer möglich sein sollen. Aufgeladen wird der Akku mittels Typ 1 oder 2 (das ist noch nicht entschieden) oder an der Haushaltssteckdose. An einer AC-Ladestation benötigt der Ladevorgang gut eine Stunde bei der kleinen und zwei Stunden mit der großen Batterie. An der Haushaltssteckdose dauert der Ladevorgang dann rund vier bzw. sechs Stunden.
Zurück zum liebenswürdigen Teil der Geschicht: Eigentlich war der Microlino mal als Marketing-Gag gedacht. Ein elektrischer Kabinenroller im Isetta-Look als Sympathie- und Imageträger für Micro. Letztlich mit dem einfachen Ziel, die Roller-Marke positiv aufzuladen. Bald drängten sich den Machern jedoch Fragen auf: Können wir ein Fahrzeug zwischen Elektroroller und Auto etablieren, günstig in Produktion und Unterhalt, praktisch für die alltäglichen Fahrten in der Stadt? Können wir so ein Fahrzeug irgendwie produzieren? Wim Ouboter gab grünes Licht: Ein Prototyp wurde in China zusammengebaut, kam nach einem Gabelstapler-Unfall beim Abladen aber halb zerstört in der Schweiz an, wurde dort aufwändig repariert und schließlich auf dem Autosalon in Genf präsentiert. „Der Stimmungstest auf der Messe war ein voller Erfolg“, erinnert sich Wim Ouboter im Gespräch mit electrive.net. Und die Geschichte nahm fortan ihren Lauf.
In der Züricher Innenstadt will Micro schon im Frühjahr erste Probefahrten anbieten. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die Vorserien-Fahrzeuge entsprechen nach Aussage von Oliver Ouboter zwar schon zu 90 Prozent dem Serienmodell. Doch an einigen Details – wie etwa dem Ladesystem, das zu Beginn wohl erstmal einphasig daher kommt – wird noch getüftelt. Letztlich geht es dabei vor allem um die Kosten. Denn das Mini-Elektroauto soll zu einem Basispreis von nur 12.000 Euro starten – grob die Hälfte eines E-Smart. Da zählt jedes Detail. Und Typ 2 ist nun mal teurer als Typ 1.
Aktuell läuft in Italien die Homologation. Denn produziert wird der Microlino beim Kooperationspartner Tazzari. Der italienische eMobility-Pionier hält die Hälfte der Anteile am Projekt Microlino – und wittert seine Chance auf ein elektrisches Comeback. Denn vom Zero, mit dem Tazzari vor allem in Norwegen bekannt wurde, bauen die Italiener nur noch ein paar hundert Exemplare im Jahr. Der Microlino dagegen soll über kurz oder lang in fünfstelliger Stückzahl von den Bändern surren. „Wir haben eine Vision von zehn Jahren – und darüber hinaus“, macht Wim Ouboter klar. Schon im Frühling oder Sommer, was realistischer erscheint, sollen die ersten Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert werden. Als Service-Partner für die Schweiz konnte Microlino bereits den Bosch Car Service mit über 70 Standorten gewinnen.
Welches Potenzial steckt nun im Microlino? Glaubt man den begeisterten Stimmen bei der Premiere in Zürich – ein durchaus großes. Unter den Gästen sind Familien, Unternehmer, aber auch Kabinenroller-Sammler, die es kaum erwarten können, ihre Reservierung in eine Bestellung umzuwandeln. Letztlich hat das Fahrzeug die Chance, als Kult-Stromer den Zeitgeist zu treffen. Motto: Retro-Look mit Faltdach trifft auf modernen Elektroantrieb und LED-Lichter. Innen wie außen ist der Microlino durchdacht und macht auch einen wertigen Eindruck. Wenn es die Partnerschaft aus Schweizern und Italienern schafft, die Produktion ans Laufen zu bringen, ist vieles möglich. Dann kann auch die alte Vision von Micro-Gründer Wim Ouboter noch wahr werden: Er wollte einst jedem elektrischen Smart von Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek einen Tretroller beilegen. Es kam anders, wie wir heute wissen: Hayek verkaufte seine Kleinwagen-Idee an Daimler, der Konzern machte aus dem Elektroauto einen Verbrenner. Nun baut sich Ouboter sein eigenes Elektroauto – und verspricht, jedem Exemplar einen Micro-Tretroller in den Kofferraum zu legen. Für die letzten Meter vom Parkplatz zum Ziel. Sympathisch, oder?
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