Ladeinfrastruktur: So lädt Deutschland bis 2025
Ab 2020 rollt sie (hoffentlich) an – die große Elektroauto-Welle deutscher Hersteller. Bis dahin sollen flächendeckend Ladestationen stehen und mit dem Fahrzeug-Hochlauf munter weiter sprießen. VDA und NPE diskutieren aktuell die Ziel-Vorgaben dieses Ladenetzes von der Anzahl der Ladepunkte über ihre Leistungen bis hin zu den Kosten. Wir haben die Details.
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Der Nachfrage immer einen Schritt voraus: Je mehr Autos mit Stecker auf Deutschlands Straßen fahren, desto mehr Ladepunkte werden benötigt. Wenn die Infrastruktur der Marktentwicklung hinterherhinken würde, wäre der Schaden für den Ruf des elektrischen Fahrens vorprogrammiert. Niemand mag Zwangspausen. Das wissen auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) und die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE). Dem Branchendienst electrive.net liegt exklusiv eine interne Prognose vor, die aufzeigt, wie der Infrastruktur-Hochlauf nach Meinung der beiden Organisationen bis 2025 aussehen muss. Mit einem Ausbauplan, einer Kostenschätzung und technischen Details. Das Ziel: Kein Fahrer soll auf Strom warten müssen. Und kein Betreiber soll ins Leere investieren.
Der VDA gilt vielen Menschen als Vertreter der konservativen, sprich: Verbrennungsmotor-süchtigen Altindustrie. Dieses Bild aber ist nicht mehr schlüssig. Längst gibt es bei den Mitgliedern des VDA vom Volkswagen-Konzern bis zur BMW Group eine wachsende Fraktion der E-Befürworter. Die Fachgremien des Verbands wiederum haben eine koordinierende und beratende Funktion.
Bessere Auslastung der Säulen
Bei den Schätzungen für den notwendigen Hochlauf der Ladeinfrastruktur diskutiert der VDA die Zahlen der Alternative Fuel Infrastructure Directive (AFID) der EU-Kommission sowie der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE). Beide Quellen gehen von einem bestimmten Verhältnis von Ladepunkt zu Bestandsfahrzeugen aus. Die AFID rechnet mit mindestens 1:10 für AC (Wechselstrom) und 1:100 für DC (Gleichstrom). Diese Korrelation soll bis 2025 konstant sein.
Die Prognosen der NPE wirken im Vergleich weniger pauschal und durchdachter. AC-seitig sieht die NPE für das Jahr 2020 eine Quote von 1:14 und 2025 von 1:16,5. Dieser Zuwachs lässt zwei Interpretationen zu: Zum einen steigt die Zahl der Fahrzeuge und damit die Auslastung eines Ladepunktes. Zum anderen könnte hier eine im Durchschnitt höhere Ladeleistung in die Berechnung eingeflossen sein.
Dieses Vielleicht im Hinblick auf die Geschwindigkeit ist bei der DC-Prognose nicht vorhanden: Wegen der wachsenden Ladeleistung verändert sich das Verhältnis von 1:143 auf 1:193. Das bedeutet mehr Umsatz pro Säule.
50 kW-Säulen vor dem Aus
Bei den Kosten soll für 50 kW-Säulen eine Absenkung von 35.000 Euro heute auf 25.000 Euro im Jahr 2020 erreicht werden – danach wird es keine Ladepunkte dieser Leistungsklasse mehr geben. Stattdessen wird 150 kW der neue Mindeststandard. Hier schlägt ein Punkt zurzeit mit rund 100.000 Euro zu Buche; im Jahr 2020 sollen es noch 85.000 Euro und 2025 gar nur 80.000 Euro sein. Umgerechnet auf einen Ladepark mit acht Stationen an einer Autobahnraststätte sind das also 640.000 Euro.
Die dynamische Prognose der NPE dürfte realistischer sein als die starre der AFID. Auch die Privatkunden profitieren von Skaleneffekten: Der Preis für eine Wallbox inklusive Installation soll von zurzeit 2.000 Euro auf 1.650 Euro im Jahr 2025 sinken. Selbsteinbauprofis mögen diese Kurse für viel zu hoch halten; wer keine genaue Fachkenntnis besitzt, muss und sollte jedoch einen externen Handwerker bemühen.
Interessant ist die absolute Bedarfsprognose: Die AFID will 2025 (AC und DC zusammengezählt) 207.888 öffentliche Ladepunkte in Deutschland sehen, bei der NPE sind es nur 143.966. Hieraus ergibt sich eine Bandbreite für die Investitionen von 1,6 (NPE) bis 2,5 Milliarden (AFID) Euro.
Das ist viel Geld. Scheinbar jedenfalls. Denn im Energiesektor wird ganz selbstverständlich mit weitaus größeren Summen hantiert. Ein passendes Beispiel zur Einordnung ist die Energiesteuer, formerly known as Mineralölsteuer. Sie beträgt pro Liter Benzin 65,45 Cent und pro Liter Diesel 47,04 Cent. Für den Staat ergaben sich daraus allein 2016 Einnahmen von 40,1 Milliarden Euro – die Mehrwertsteuer addiert sich noch dazu. Es muss laut darüber nachgedacht werden, ob eine minimale Anpassung der Energiesteuersätze für fossile Kraftstoffe und das planungssichere Abschmelzen des Dieselvorteils nicht eine geeignete Basisfinanzierung für die Ladeinfrastruktur sein können.
CO2-Flottengrenzwerte als Treiber der Evolution
Es ist nicht zwangsläufig ein Nachteil, dass der VDA traditionell in engem Kontakt mit der jeweiligen Bundesregierung steht. Ein positiver Effekt ist die Planungssicherheit für viele Akteure. Die Motivation dahinter aber soll ebenfalls nicht verschwiegen werden: Wer mit Ingenieuren spricht, die für deutsche Hersteller Elektroautos entwickeln, wird auf Begeisterung an der Arbeit bis zur Euphorie stoßen. Aus strategischer Sicht ist die Elektrifizierung außerdem schlicht notwendig: Denn, so steht es im electrive.net vorliegenden Papier gleich zur Einleitung, der Fahrzeughochlauf, der allen Infrastrukturabsichten zu Grunde liegt, werde auf Basis „des CO2-Regulierungsvorschlags der EU extrapoliert“.
Die Strafzahlungen bei den Flottenemissionen von 95 Euro pro Pkw und Gramm Überschreitung sind so bedrohlich, dass an der Einführung von Batterie-elektrischen Autos und Plug-in-Hybriden kein Weg mehr vorbeiführt. Der Gesetzgeber in Brüssel ist ein elementarer Treiber der Evolution. Das war von den Autoherstellern wahrscheinlich nicht vermutet worden, als sie den Durchschnittswert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer verhandelt haben. Der Trend hin zum SUV und weg vom Dieselmotor war allerdings nicht absehbar und sorgt jetzt für die beschleunigte Einführung von Autos mit Ladestecker.
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