Flixbus startet E-Bus-Linie in Paris und plant für Deutschland
Flixbus hat heute in Frankreich seinen Einritt in die Elektro-Ära eingeläutet. Zwei E-Busse werden ab sofort zwischen Paris und Amiens verkehren. Electrive.net war bei der Premiere live dabei. Der Fernbusanbieter aus München hat uns verraten, wo die erste deutsche Elektro-Linie eingerichtet wird.
Im Fernbussegment ist die Elektrifizierung einer kompletten Linie bis dato eine Premiere. Flixbus lässt es sich folglich nicht nehmen, den ersten E-Bus für die Langstrecke werbewirksam vor malerischer Kulisse vorzustellen: direkt an der Seine, am Fuße des Eiffelturms. Es handelt sich bei dem Bus um das leicht angepasste Modell ICe 12 des chinesischen Herstellers Yutong: gut 12 Meter lang, maximal 100 km/h schnell und mit Platz für 49 Reisende. Zehn Lithium-Ionen-Batteriepakete eines chinesischen Herstellers mit einer Gesamtkapazität von rund 250 kWh sollen für einer Reichweite von rund 200 Kilometern sorgen.
Zwei Exemplare werden die rund 150 Kilometer lange Strecke zwischen Paris und der weiter nördlich gelegenen Stadt Amiens nun täglich in Angriff nehmen. An Wochenenden und in den Ferien wird das Angebot auf zwei Verbindungen pro Tag aufgestockt. Das Ticket kostet sieben Euro – genauso viel wie zuvor mit herkömmlichen Bussen. Geladen werden die Fahrzeuge jeweils an den beiden Endpunkten der Strecke. Dafür kalkuliert Flixbus je drei bis vier Stunden ein. In Amiens ist die Ladeinfrastruktur eigens geschaffen worden, in Paris halten die E-Busse am Busbahnhof La Defense, aber laden einige Kilometer weiter auf dem Betriebshof von B.E. Green, einer Tochtergesellschaft des französischen Buskonzerns Dominique.
Yvan Lefranc-Morin, Frankreich-Direktor von Flixbus, spricht denn auch selbstbewusst von einer Weltneuheit: „Über eine solche Distanz ist eine 100-Prozent elektrifizierte Linie bisher noch nicht angeboten worden.“ Inwiefern es sich bei 150 Kilometern um eine Fernstrecke im eigentlichen Sinne des Wortes handelt, darüber lässt sich sicher debattieren. Stadtbusse mit E-Antrieb legen unter Umständen ähnliche Distanzen zurück, haben aber natürlich theoretisch und häufig auch praktisch die Möglichkeit, zwischengeladen zu werden.
Maßgeblichen Anteil an dem am nun startenden Testlauf hat das Unternehmen B.E. Green: Es hat die E-Busse für je rund 400.000 Euro erworben („rund 30 Prozent teurer als herkömmliche Busse“) und stellt die Fahrer. Flixbus integriert sie in sein Liniennetz – ein Geschäftsmodell, das bei dem deutschen Unternehmen generell so zur Anwendung kommt und mit dem es innerhalb von fünf Jahren vom Drei-Mann-Startup zum größten Fernbusanbieter Europas aufgestiegen ist. B.E. Green ist seit acht Jahren auf dem Feld der E-Mobilität aktiv und hat sich auf rein elektrisch betriebene Shuttles, Mini-Busse und Co. spezialisiert. Ein Jahr lang dauerte es nach den Worten von Geschäftsführer Patrick Mignucci, um das E-Bus-Projekt vorzubereiten. „Bisher ziehen es französische, ja europäische Hersteller vor, sich auf elektrische Stadtbusse zu konzentrieren“, begründet der B.E. Green-Chef, warum zwischen Paris und Amiens nun chinesische Busse zum Einsatz kommen werden. „Die hiesigen Hersteller haben die technischen Fähigkeiten, aber der Fernbusmarkt ist ihnen bisher nicht attraktiv genug.“
Beim Yutong ICe 12 ist Flixbus den einen oder anderen Kompromiss eingegangen. Anders als es sonst Standard ist, gibt es keine Toilette an Bord und die Sitze sind beispielsweise nicht wie üblich Grün gehalten. Bei der Jungfernfahrt mit geladenen Gästen über das Kopfsteinpflaster am Ufer der Seine wird dann aber deutlich, was wirklich den Unterschied zur Diesel-Flotte des Fernbusriesen ausmacht: die Ruhe. Mit im Bus ist Stefan Tontsch, angereist aus Berlin und seines Zeichens Leiter Betrieb bei Flixbus. Er verfolgt die Einweihung gespannt, ist für Deutschland doch Ähnliches in Vorbereitung.
Deutsche Elektro-Teststrecke liegt im Südwesten
„Die E-Bus-Teststrecke in Deutschland wird zwischen Frankfurt und Mannheim eingerichtet“, bestätigt Tontsch eine schon gerüchteweise in Umlauf befindliche, aber bis dato noch nicht spruchreife Information. Anders als in Frankreich gestaltet sich die Installation von Ladevorrichtungen an beiden Endhaltestellen als etwas aufwändiger – vor allem, was Genehmigungen angeht. „Grundsätzlich sind die Genehmigungsverfahren in Deutschland umfangreicher, deshalb startet der Testbetrieb in Deutschland auch später als in Frankreich“, so Tontsch. Konkret peilt Flixbus hierzulande nun den Start „im Sommer“ an.
Auf der rund 110 Kilometer langen Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim, die mehrere Zwischenhalte aufweisen soll, wird das Modell C9 von BYD zum Einsatz kommen. Das 12 Meter lange Fahrzeug bietet bis zu 40 Personen Platz und kann maximal 90 km/h erreichen. Auch hier sind rund 200 Kilometer Reichweite drin, auch hier wird die Ladezeit sich auf drei bis vier Stunden belaufen.
Auf die Frage, warum Flixbus bei seinen Teststrecken in Frankreich und Deutschland auf Modelle zweier unterschiedlicher Hersteller zurückgreift, erläutert der Betriebsleiter, dass es gerade darum gehe, zu testen, wie sich verschiedene E-Bus-Modelle im Alltag bewähren. „Für uns ist das auch Neuland. Wir sammeln Erfahrung, was die Fahrt, das Laden und die Instandhaltung angeht. Und auch, wie sich die E-Busse wirtschaftlich schlagen.“ Dabei hätte das Unternehmen gerne eine größere Auswahl an Modellen gehabt: „Wir würden ja noch mehr E-Bus-Modelle testen, aber Yutong und BYD sind im Moment die einzigen Hersteller mit einem entsprechenden Angebot.“
Abgesehen von der bis dato mangelhaften Auswahl und den hohen Investitionskosten spielen für den Fernbusmarkt vor allem zwei Faktoren bei der potenziellen Einführung von alternativ angetriebenen Busse eine entscheidende Rolle: die Reichweite und die Ladedauer. „Aktuell liegt die Reichweite von E-Bussen noch bei rund 200 Kilometern“, so Tontsch. „Aber die nächste Generation dieser Busse könnte vielleicht schon 400 bis 500 km Reichweite bieten.“ Gleichzeitig könne sich die Ladezeit auf vielleicht ein bis eineinhalb Stunden verringern, so die Hoffnung des Betriebsleiters. „Das sind sehr gute Zukunftsperspektiven“, sagt Tontsch. Grundsätzlich sei Flixbus offen gegenüber allen Arten von alternativen Antrieben – auch gegenüber Brennstoffzellen-Fahrzeugen. „Busse mit Hybridantrieb wären ebenfalls eine vielversprechende Möglichkeit“, fügt er hinzu. „Aber da sieht es von der Herstellerseite her noch schlechter aus als bei Elektrobussen.“
Optimistisch stimmt den Betriebschef, dass elektrifizierte Buslinien den Herstellern eine Plattform bieten können, um ihre neuen Technologien zu platzieren. Das sei vielleicht ein Anreiz. Bereits vor einigen Wochen hatte sich André Schwämmlein, deutscher Geschäftsführer von Flixbus, noch deutlicher geäußert: „Wir als Anbieter setzen hier ein klares Zeichen, dass die Mobilitätswende möglich ist. Zeitgleich ist der erste E-Fernbus ein Signal an die Bushersteller, Innovationen voranzutreiben und Alternativen zum reinen Diesel-Antrieb zu entwickeln.“
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