NOx-Grenzwerte: EU-Kommission verklagt Deutschland
Die EU-Kommission macht ernst und verklagt sechs Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, wegen anhaltender Nichteinhaltung der Grenzwerte für Luftqualität in vielen Städten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.
Die Klagen gegen Deutschland, Frankreich und Großbritannien beziehen sich konkret auf die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid, während sich Ungarn, Italien und Rumänien wegen der anhaltend hohen Feinstaubbelastung vor dem EuGH verantworten müssen. „Die heute vor dem Gerichtshof angeklagten Mitgliedstaaten haben in den zurückliegenden zehn Jahren genügend ,letzte Chancen‘ erhalten, um die Situation zu verbessern“, sagte der für Umwelt zuständige EU-Kommissar Karmenu Vella zur Begründung der Klagen.
Nach Ansicht der EU-Kommission haben die betreffenden Staaten keine „überzeugenden, wirksamen und zeitgerechten Maßnahmen vorgeschlagen, um die Verschmutzung schnellstmöglich – wie es das EU-Recht vorschreibt – unter die vereinbarten Grenzwerte zu senken“. Die Rede ist dabei von Grenzwerten, die schon seit 2010 für alle EU-Staaten verbindlich sind. Schon zwei Mal – 2015 und Ende 2016 – hatte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Der Gang vor den EUGH ist der nächste logische Schritt, wenn mehrmalige Ermahnungen keine Wirkung zeigen.
Deutschland hat zwar mit dem „Sofortprogramm für saubere Luft“ und Software-Updates für Diesel-Pkw reagiert, aber diese Maßnahmen haben kurzfristig eine zu geringe Wirkung, um die Grenzwerte einzuhalten. Nach Angaben des „Spiegel“ wurden die Grenzwerte auch 2017 in 66 deutschen Städten überschritten. Unterliegt die Bundesregierung vor Gericht, drohen hohe Strafzahlungen. Die Klage dürfte den Druck auf betroffene Städte, Fahrverbote einzuführen, noch einmal erhöhen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Februar bekanntlich geurteilt, dass Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind.
Neben den sechs genannten Staaten verfehlen auch die Tschechische Republik, die Slowakei und Spanien die EU-Grenzwerte. Im Gegensatz zu Deutschland & Co. haben sie nach Ansicht der Kommission aber Maßnahmen getroffen oder zumindest in Planung, die geeignet seien, um gegen die Luftverschmutzung vorzugehen.
Die Anklage muss die Regierung jetzt erstmal verdauen. Aus deutscher Sicht ist das allerdings noch nicht alles: Die EU-Kommission wirft Deutschland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich darüber hinaus vor, die EU-Vorschriften für die Typ-Genehmigung von Fahrzeugen zu missachten. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Regierung diese Anschuldigung gefallen lassen muss. Schon seit zwei Jahren macht die Kommission auf diese Weise Druck, um eine ihrer Ansicht nach angebrachte Reaktion der Bundesregierung auf den Diesel-Abgasskandal zu erreichen. Die Genehmigungsvorschriften der EU für Fahrzeugtypen sehen vor, dass die Mitgliedstaaten über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionssysteme verfügen, um Autohersteller davon abzuhalten, gegen geltendes Recht zu verstoßen.
zeit.de, spiegel.de, europa.eu
0 Kommentare