Mercedes-Benz EQC feiert Premiere in Stockholm
Mit dem EQC hat Mercedes-Benz heute in Stockholm sein erstes rein elektrisches SUV vorgestellt. Damit tritt der schwäbische Autobauer endlich in den Wettbewerb mit Tesla. Das Fahrzeug ist technisch allerdings keine Revolution. Wir geben einen ersten Überblick zur Hardware des EQC.
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Ausgestattet ist der rund 2,4 Tonnen schwere Stromer mit einem komplett neu entwickelten Antriebssystem mit je einem elektrischen Antriebsstrang an der Vorder- und Hinterachse. Das soll die Fahreigenschaften eines Allradantriebs sicherstellen. Geliefert werden die E-Motoren von einem nicht genannten Automobilzulieferer. Produziert wird der EQC in Bremen, aus Hamburg kommen die Hinterachse inklusive Antrieb und das Antriebsmodul für die Vorderachse, in dem der Elektromotor und auch die Leistungselektronik verbaut sind. Die vordere E-Maschine ist für den schwachen bis mittleren Lastbereich und die hintere auf Dynamik ausgelegt. Zusammen bringen die Asynchron-Maschinen eine Leistung von 300 kW auf die Straße. Das maximale Drehmoment gibt Mercedes mit 765 Nm an.
Batterie kein Branchenprimus
Die Lithium-Ionen-Batterie (408 V, 210 Ah) bringt eine Kapazität von 80 kWh (netto rund 76 kWh) mit und ordnet sich damit deutlich unter dem Maximum von Tesla (100 kWh) ein und vermag selbst den Jaguar I-Pace (90 kWh) nicht zu schlagen. Selbst ein kompakter Hyundai Kona Elektro bringt es schon auf 64 Kilowattstunden.
Hier zeigt sich der erste Kompromiss, den Daimler eingehen musste: Mehr Speicherkapazität war mit der verwendeten Plattform des Mercedes GLC nicht zu machen. Die flüssigkeitsgekühlte Batterie des EQC wird von der Daimler-Tochter Accumotive in Kamenz produziert. Der 650 Kilogramm schwere Akku besteht aus insgesamt 384 Zellen, die in zwei Modulen mit jeweils 48 und vier Modulen mit 72 Zellen angeordnet sind. Wer die Zellen für den EQC liefert ist nicht bekannt. Das integrale Gesamtkühlkonzept des EQC, bestehend aus einer Wärmepumpe und zwei PTC-Zuheizern, schließt neben der Leistungselektronik, der E-Maschinen und dem Rotor auch die Batterie mit ein.
Reichweite und Ladekonzept
Mit den 80 kWh sollen sich über 450 Kilometer nach NEFZ zurücklegen lassen. Hier gibt Daimler einen Verbrauchswert von 22,2 kWh auf 100 Kilometer an. Erfahrene Elektroauto-Fahrer wissen: In der Praxis dürften kaum mehr als 350 Kilometer herauskommen. Ist die Batterie leer, kann diese via Wechselstrom (AC) nur mit bis zu 7,4 kW aufgeladen werden. Auf einen dreiphasigen Lader scheint man bei Mercedes verzichtet zu haben. Diesen hätten wir zumindest in Deutschland mindestens als Zusatzoption erwartet. Wieder so ein Kompromiss für den Weltmarkt.
Schneller geht es hingegen mit Gleichstrom (DC): In Europa und den USA setzt Mercedes-Benz natürlich auf das Combined Charging System (CCS), in Japan auf CHAdeMO und in China auf den GB/T-Standard. Die DC-Ladeleistung beträgt maximal 110 kW. Innerhalb von rund 40 Minuten soll der Akku damit von 10 auf 80 Prozent geladen sein. Dass der EQC diese Ladeleistung tatsächlich erreichen kann, zeigte kürzlich ein Prototyp an einer Fastned-Station.
Digitale Dienste
In der Navigation zeigt der EQC immerhin die Ladestationen verschiedenster Anbieter an. Gleiches passiert auch in der Mercedes me App. Der Zugang soll über den Dienst Mercedes me Charge ermöglicht werden. Kunden sollen so neben der Authentifizierung von einer integrierten Bezahlfunktion mit einfacher Abrechnung profitieren. Der Kunde hinterlegt dabei einmalig seine Zahlungsmethode. Abgerechnet wird angeblich monatlich und automatisch. Auch ermöglicht das Fahrzeug künftig den automatisierten Zugang zu den IONITY-Schnellladern. Womit die Frage nach einer Plug&Charge-Fähigkeit beantwortet sein sollte. Für Unternehmen und Flottenbetreiber bietet Mercedes-Benz zudem intelligente Ladelösungen an, mit denen Flottenmanager alle Ladevorgänge überwachen und abrechnen können. Dies beinhalte auch die Verrechnung von Kosten, die Fahrern eines Firmenwagens beim Laden zu Hause entstehen. Details dazu gibt es jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Kein Kompromiss, sondern wegweisend dürfte die Integration des Multimediasystems MBUX (Mercedes-Benz User Experience) mit zahlreichen EQ-spezifischen Inhalten sein. So können u.a. Navigation, Fahrprogramme, das Laden und die Abfahrtszeit über MBUX bedient und eingestellt werden, wobei die spezifische Sprachsteuerung dank natürlichem Sprachverstehen die Eingabe erleichtert.
Produktion
Mercedes-Benz integriert den EQC in die Serienproduktion des Werks in Bremen. Dort wird er zusammen mit Verbrenner-Modellen vom Band rollen. Dort läuft er gemeinsam mit der C-Klasse und dem GLC vom Band. Unklar ist bisher noch, in welchen Stückzahlen der EQC produziert werden wird. Wie auch bei der C-Klasse und dem GLC fungiert Bremen dabei als Kompetenzzentrum für die EQC-Produktion an den anderen Standorten. Neben Bremen bereitet sich auch das Joint Venture Beijing Benz Automotive Co. Ltd. (BBAC) auf den Produktionsstart des EQC für den chinesischen Markt vor. In Peking wird neben dem EQC ebenfalls ein kompaktes Elektrofahrzeug gefertigt.
Technische Daten: | |
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Leistung | 300 kW (408 PS) |
max. Drehmoment | 765 Nm |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
0 – 100 km/h | 5,1 Sekunden |
Reichweite kombiniert* (NEFZ) | über 450 km |
Verbrauch* (NEFZ) | 22,2 kWh/100km |
Batteriekapazität | 80 kWh (650 kg) |
Ladeleistung DC | 110 kW (CCS in Europa u. USA) |
Ladezeit DC | 40 Minuten (10-80 Prozent) |
Ladeleistung AC | 7,4 kW (Typ 2) |
Ladezeit AC | ca. 11 Stunden (nicht bestätigt) |
Leergewicht | 2.425 kg |
Sitzplätze | 5 |
Kofferraumvolumen (Liter) | ca. 500 l |
Anhängelast | 1.800 kg (gebremst) |
* vorläufige Angaben
Auf die Straße rollt der EQC hierzulande Mitte 2019. Zu welchem Preis, ist bisher noch nicht bekannt. In einem Gespräch in Stockholm äußerte Daimler-CEO Dieter Zetsche lediglich, dass es eine „wettbewerbsfähige Preisstellung“ sein werde. Legt man den Konkurrenten Audi e-tron zugrunde, der bei 80.000 Euro starten wird, kommt man der Sache vermutlich schon näher. Spekuliert wurde zuletzt über einen Korridor zwischen 60.000 und 70.000 Euro. Interessenten können sich bereits online registrieren, um auf dem Laufenden zu bleiben. Eine echte Bestellmöglichkeit gibt es zur Stunde noch nicht.
Als ein „perfektes Gesamtpaket“ aus „überragendem Design, enormer Funktionalität, herausstechender Sicherheit und einer unübertroffenen Bequemlichkeit“ pries Zetsche den EQC. Doch mehr als ein solides Fahrzeug ist Daimler zum Einstieg ins Elektro-Zeitalter auf den ersten Blick nicht geglückt. Ob sich Tesla-Chef Elon Musk davon beeindrucken lassen wird, darf zumindest bezweifelt werden. Dafür hat das Team von Daimler wohl zu viele Kompromisse gemacht.
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