Audi e-tron – erster deutscher Tesla-Fighter startet durch
Großen Aufwand hat Audi mit dem e-tron betrieben. Und das hat sich gelohnt: Das Elektroauto aus Ingolstadt, das heute Premiere in San Francisco feiert, hat das Zeug zum Tesla-Fighter – als erster deutscher Stromer überhaupt. Die Botschaft von Audi: Sieh her Elon, wir können nicht nur Schummel-Diesel.
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Im Jahr 2018, sechs Jahre nach dem Marktstart des Tesla Model S, steigen deutsche Autokonzerne endlich in den Ring mit Elon Musk. Anders als Mercedes beim EQC, der auf einer Verbrenner-Plattform aufbaut, hat Audi den heute in seiner Serienversion vorgestellten e-tron von Grund auf als Elektroauto entwickelt.
Der 4.901 mm lange, 1.935 mm breite und 1.616 mm hohe Elektro-SUV bringt entsprechend stimmige Eckdaten mit. Und kann damit Tesla auch tatsächlich Konkurrenz machen. Dieses Kunststück ist zuvor nur Jaguar mit dem I-Pace gelungen. Natürlich sollte man hier nicht vergessen, dass etwa ein Model X noch mehr Sitzplätze bereitstellen kann und die Kalifornier dem Kunden mit ihrem Supercharger-Netzwerk gleich eine passende Infrastruktur mit in die Hand geben. Dennoch wirkt der Audi e-tron von vorne bis hinten durchdacht – und zwar anhand der Bedürfnisse des geneigten Elektromobilisten. Das offenbaren die technischen Daten, die wir zur Premiere für Sie zusammenfassen.
Der Antrieb
Bis zu 300 kW maximale Leistung können die beiden eigens von Audi produzierten Elektromotoren für acht Sekunden zur Verfügung stellen. Dies sind 165 kW an der Hinter- und noch einmal 135 kW an der Vorderachse. Drehmoment: 664 Nm. Binnen 5,7 Sekunden geht es von 0 auf 100 km/h. Hierfür muss allerdings die Fahrstufe von D auf S gestellt werden. Wer es minimal genügsamer mag, der erhält eine Systemleistung von immerhin bis zu 265 kW und 561 Nm. Dann beschleunigen die beiden E-Maschinen das Elektro-SUV in 6,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h. Für den Antrieb nutzt der Elektro-SUV vorwiegend die E-Maschine an der Hinterachse. Fordert der Fahrer mehr Leistung an, als diese bereitstellen kann, greift der E-Motor an der Vorderachse unterstützend ein. Dieses Antriebskonzept bringt u.a. die Vorzüge der Quattro-Technologie mit. Hinzu gesellt sich eine serienmäßige Luftfederung mit adaptiven Dämpfern. Insgesamt kann der Fahrer zwischen sieben Fahrprofilen auswählen. Bis 0,3 g rekuperiert der Elektro-SUV übrigens. Um das einzuordnen, liefert Audi eine Beispielrechnung mit: Bei einer Bremsung von 100 km/h kann der e-tron mit maximal 300 Nm und 220 kW elektrischer Leistung rekuperieren.
Die Batterie
Der flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von stattlichen 95 kWh (nutzbar sind 83,6 kWh) befindet sich unter der Passagierzelle zwischen den beiden Achsen. Aufgeteilt ist die Batterie in 36 Module, die jeweils über zwölf Pouch-Zellen mit je 60 Ah bestückt sind. Doch dabei soll es nicht bleiben: Ähnlich wie es Jaguar bereits angekündigt hat, lassen sich auch die Ingolstädter die Option offen, auf andere Formate wie etwa prismatische Zellen zu setzen.
Die Batterie bringt ein Gewicht von 700 Kilo mit. Zum Vergleich: Bei Mercedes-Benz wiegt der 80 kWh große chemische Seicher 650 kg. Audi hat es also geschafft, eine im Verhältnis zur Kapazität leichtere Batterie zu kreieren. Während beim EQC pro Kilowattstunde ein Gewicht von 8,13 kg anfällt, sind es beim Audi e-tron nur 7,37 kg auf Systemebene.
Auch zum Thermomanagement gibt es detaillierte Informationen: Für einen dauerhaften Hochleistungsbetrieb der Batterie sorgt ein Kühlsystem aus flachen Aluminium-Strangpressprofilen, die einheitlich in kleine Kammern aufgeteilt sind. Der Wärmeaustausch zwischen den Zellen zu dem unterhalb angeordneten Kühlsystem erfolgt über ein wärmeleitfähiges Gel, das unter jedes Zellmodul gepresst wird. Es führt die entstehende Abwärme gleichmäßig über das Batteriegehäuse in das Kühlmittel – eine besonders effiziente Lösung.
Das Laden
Zur Ladeleistung hatte sich Audi bereits ausgiebig geäußert: Während eine AC-Ladeleistung von 11 kW serienmäßig verbaut ist, kann optional auf 22 kW erhöht werden, von einer zweiten Typ-2-Ladebuchse ganz zu schweigen. Die Möglichkeiten des dreiphasigen Stromnetzes werden also voll ausgeschöpft. Die DC-Ladeleistung beziffern die Ingolstädter mit 150 kW – was ein neuer Spitzenwert ist. Jaguar nähert sich dem in Software-Schritten zwar ebenfalls an, doch der EQC von Mercedes verharrt bei 110 kW.
Alle Audi e-tron, die ab Mitte 2019 vom Band purzeln, werden Plug&Charge ab Werk unterstützen. Auch im privaten Umfeld kann der Kunde die Funktion zur Freischaltung seines Ladesystems nutzen. Auch hier teilt Audi gegenüber electrive.net mit, dass die Funktion für alle Ladearten (AC und DC) unterstützt wird. Konsequenterweise schließt dies auch die HPC-Schnelllader von IONITY mit ein.
Über seinen neuen Ladedienst eröffnet Audi allen e-tron-Kunden – und damit auch Besitzern von Plug-in-Modellen – nach eigener Aussage den Zugang zu etwa 80 Prozent aller öffentlichen Ladestationen in Europa. Zum Marktstart sind bereits mehr als 72.000 Ladepunkte in 16 EU-Ländern verfügbar, weitere acht Märkte in Osteuropa kommen einige Monate nach Marktstart hinzu. Die Abrechnung erfolgt zentral über nur einen Vertrag mit einheitlichen und transparenten Preismodellen. „Gemeinsam mit unserem starken Partner Digital Charging Solutions bauen wir den Service weiter aus“, sagt Fermin Soneira, Leiter Produktmarketing von Audi. Auf Nachfrage erfuhr electrive.net in San Francisco, dass neben Digital Charging Solutions als Plattformbetreiber auch eine Anbindung an die Roaming-Netzwerke von Hubject oder auch e-clearing.net (Smartlab) besteht. Das optionale Ladesystem connect mit der dann verfügbaren AC-Ladeleistung von 22 kW ermöglicht im Zusammenspiel mit einem Heimenergie-Managementsystem (HEMS) intelligente Ladefunktionen. Hier kommt die Kooperation mit den HEMS-Anbietern SMA und Hager ins Spiel. Wie genau dies funktioniert, haben wir an dieser Stelle bereits erläutert.
Und sonst noch…
Wie es um die Aerodynamik bei einem SUV bestellt ist, sollte hinreichend bekannt sein. Auch was dies für die Verbrauchswerte bedeutet. Die gibt Audi übrigens bislang nicht an. Grund: Die Homologation steht noch aus. Den CW-Wert nennt man mit 0,27 aber schon. Zum Vergleich: Ein Tesla Model X kommt auf 0,25 und ein Jaguar I-Pace auf einen Wert von 0,29. Was bedeuten diese Werte für die Reichweite? Nach WLTP sollen über 400 Kilometer möglich sein. Auch hier muss das Auto noch die Homologation für die genaue Angabe durchlaufen. Zum Vergleich schafft der Jaguar I-Pace mit seinen 90 Kilowattstunden nach dem WLTP-Zyklus etwa 480 Kilometer und ein Tesla Model X mit 100 kWh kommt auf eine NEFZ-Reichweite (WLTP liegt noch nicht vor) von bis zu 565 Kilometern. Obwohl der I-Pace also einen schlechteren CW-Wert als der Audi e-tron hat, fährt er dennoch weiter. Die abschließende Bewertung erfolgt freilich erst im Praxistest.
Produziert werden die E-Antriebe von Audi Hungaria in Györ. Mercedes-Benz setzt hierbei stattdessen auf einen Zulieferer. Produziert wird der e-tron im Werk Brüssel, das künftig CO2-neutral betrieben wird. Zudem gibt es eine eigene Batteriemontage in der belgischen Hauptstadt. Die Produktion der Fahrzeuge hat unlängst begonnen. Und so kommt es, dass die ersten Auslieferungen bereits für Ende diesen Jahres geplant sind. Als Grundpreis ruft Audi für den e-tron 79.900 Euro auf – was durchaus eine Ansage in Richtung Tesla ist. Abzuwarten ist noch, was bereits in der „umfangreichen Serienausstattung“ inkludiert ist.
Technische Daten: | |
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Leistung | 300 kW (408 PS) |
max. Drehmoment | 664 Nm |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
0 – 100 km/h | 5,7 Sekunden |
Reichweite kombiniert* (WLTP) | über 400 km |
Verbrauch* (WLTP) | n.A. |
Batteriekapazität | 95 kWh (83,6 netto, 700 kg) |
Ladeleistung DC | 150 kW (CCS) |
Ladezeit DC | ca. 30 Minuten (80 Prozent) |
Ladeleistung AC | 11 kW (optional 22 kW, Typ 2) |
Ladezeit AC | ca. 7,6 Stunden (3,8 Stunden) |
Leergewicht* | n.A. |
Sitzplätze | 5 |
Kofferraumvolumen (Liter) | ca. 600 l (+ 60 l Frunk) |
Anhängelast | 1.800 kg (gebremst) |
* vorläufige Angaben, Homologation steht noch aus
Beim Audi e-tron wird es natürlich nicht bleiben. Denn die Ingolstädter müssen früher oder später auch mit Elektroautos Geld verdienen, was mit dem e-tron als Sonderlösung wohl kaum zu schaffen sein wird. Bis 2025 wollen die Ingolstädter deshalb für jedes Modell der Kernbaureihe eine elektrifizierte Variante anbieten, sei es vollelektrisch oder als Plug-in-Hybrid.
Mit dem e-tron zeigt der deutsche Autobauer, dass er in der Lage ist, ein begehrenswertes Elektroauto auf den Markt zu bringen. 2019 folgt der Audi e-tron Sportback, 2020 ein rein elektrisches Kompaktmodell sowie im selben Jahr der in Neckarsulm entstehende Audi e-tron GT. Schon auf der Los Angeles Motorshow gibt das Showcar e-tron GT concept einen Ausblick auf die Serienversion des GT. Der Konzern, in dessen Entwicklungsabteilung der Diesel-Betrug mutmaßlich seinen Anfang nahm, setzt damit den Blinker ins Elektro-Zeitalter.
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