„Wir brauchen noch mehr gute Ideen für die Mobilität der Zukunft.“

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Dr.-Ing. Bernd Fischer ist promovierter Physiker und am Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen in der strategischen Planung tätig. Im Interview anlässlich der DRIVE-E-Akademie berichtet er, wie er die Zukunft der Elektromobilität einschätzt, welche Erfolge erzielt wurden und wo es noch Forschungsbedarf gibt.  

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Als langjähriger Mitgestalter der DRIVE-E-Akademie, dem Nachwuchsförderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Fraunhofer-Gesellschaft für die Elektromobilität, beschäftigt sich Dr.-Ing. Bernd Fischer vor allem auch mit der Strom-Infrastruktur für elektrifizierte Mobilität.

Im Moment haben wir den Eindruck, dass die Elektromobilität nach vielen Aufs und Abs endlich auf dem Weg zum Durchbruch ist. Teilen Sie unsere Vorfreude?

Ich denke schon, dass die Elektromobilität nun einen weiteren Schub erleben wird. Allerdings bin ich nach den Erfahrungen der letzten Jahre bei dem Wort Durchbruch noch ein bisschen vorsichtig. Die Diskussion um die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge hat das Thema Elektromobilität wieder stärker in das allgemeine Bewusstsein gebracht – aus dem es einige Zeit fast verschwunden war.

Vor etwa zehn Jahren gab es schon einmal einen großen Anstieg des Interesses an der Elektromobilität, was durch die für damalige Verhältnisse hohen Benzinpreise ausgelöst wurde. Diese Diskussion funktioniert scheinbar ausschließlich über Leidensdruck und Emotion und nicht über Vernunft und wissenschaftliche Betrachtung.

Ein großes Problem nach dem Hype damals war, dass Presse und Politik gegenüber vielen Verbrauchern den Eindruck vermittelt hatten, dass binnen weniger Jahre alle elektrisch fahren würden und zwar überall hin – inklusive Urlaubsreisen. Jeder Experte hätte ihnen sagen können, dass das unseriös ist. So etwas führt dann zunächst zu Enttäuschung und dann zu Skepsis.

Was ist heute anders als beim ersten Boom der Elektromobilität vor zehn Jahren?

Das Reichweitenproblem besteht – zumindest in der Wahrnehmung – heute immer noch, obwohl die Technologie große Fortschritte gemacht hat. Hinzu kommen die trotz gesunkener Batteriepreise weiterhin hohen Anschaffungskosten, die Elektromobile für die Verbraucher unattraktiv machen. Viele neue Fahrzeugmodelle sind zudem im Luxussegment angesiedelt. Daher sollte man eher aufzeigen, wo Elektromobilität sofort Sinn macht, also etwa bei Zweitfahrzeugen für die Stadt und zum Pendeln, bei Taxis, Bussen oder bestimmten Flotten-, Liefer- und Nutzfahrzeugen. Für diese Anwendungen ist auch die Ladeinfrastruktur leichter realisierbar. Sie könnten gut als Demonstrator dienen, um die noch weitere Verbreitung in den Privatfahrzeugbereich anzustoßen. Und die Emotionen sollten stärker angesprochen werden: Elektrisch fahren macht wirklich Spaß!

Als förderlich sehe ich, dass elektrisches und autonomes Fahren derzeit oft gemeinsam diskutiert werden. Beide Ansätze lassen sich technisch gut verknüpfen. Außerdem sind die Automobilhersteller aufgrund des Konkurrenzdrucks aus der IT-Branche beim Thema autonomes Fahren nicht so zurückhaltend wie sie es anfangs bei der Elektromobilität waren. Auch hier nennen die Vorhersagen wieder einen relativ kurzen Zeitraum bis zur Einführung – wir werden sehen.

Am Fraunhofer IISB befassen Sie sich mit Energietechnik und Stromnetzen. Ganz pauschal: Sind die deutschen Netze auf den Hochlauf der Elektromobilität eingestellt?

Auf der Ebene der Übertragungsnetze gibt es kein Problem, schon gar nicht bei den aktuellen oder mittelfristig zu erwartenden Fahrzeugzahlen. Unter Umständen kann es auf der Ebene der Niederspannungsverteilnetze zu Engpässen kommen. Die Trafostationen werden in der Regel eh schon mit Luft nach oben ausgelegt, für spätere Verdichtungen. Dennoch braucht es einen Ausbau mit Weitblick, denn: Sollte sich in einer Wohnsiedlung jeder eine 22-Kilowatt-Ladesäule in die Einfahrt stellen, dann gibt es ein Problem, wenn alle gleichzeitig laden wollen. Die Leistung einer solchen Ladesäule ist vergleichbar mit der eines ganzen Hausanschlusses. Hier bräuchte es ein intelligentes, übergreifendendes Energiemanagement.

In welchen Bereichen drohen weitere Engpässe durch mehr E-Fahrzeuge?

Ich sehe noch Probleme in der Ladeinfrastruktur – auch rein räumlich. Wo sollen die Menschen in den dicht bebauten Innenstädten mit Mehrparteienhäusern ihre Autos zum Laden hinstellen? Und gerade dort haben wir ja die größten Probleme mit der Luftverschmutzung. Hier könnten noch mehr Carsharing-Angebote und ein besserer ÖPNV zur Lösung beitragen. Aber das bedeutet immer eine – vielleicht auch nur gefühlte – Einschränkung der Freiheit für den einzelnen Verbraucher. Wir brauchen unbedingt noch mehr gute Ideen für die Mobilität der Zukunft.

Im Moment reden alle über High Power Charging. Welchen Forschungsbedarf sehen Sie im Hinblick auf Netzintegration und Leistungselektronik in den kommenden Jahren?

Speziell bei der Anbindung der Ladeinfrastruktur an die Mittelspannung ist Bedarf. Auf Batterieebene werden Zellen benötigt, die die deutlich höheren Ladeströme mitmachen. Ein weiterer Punkt ist auch die bessere Anbindung von Ladeinfrastruktur an Photovoltaik-Anlagen. Am Fraunhofer IISB beschäftigen wir uns viel mit lokalen Gleichstromnetzen, mit der sich Photovoltaik, Speicher und auch Ladeeinrichtungen perfekt und effizient verknüpfen lassen.

Werden sich auch Elektroautos mit ihren großen Batterien tatsächlich als mobile Pufferspeicher nutzen lassen oder ist das nur ein Traum der Forscher?

Das Thema wird schon noch weiter verfolgt, allerdings halte ich eine absehbare Umsetzung in Europa für eher unwahrscheinlich. In Asien könnte das anders sein. In Japan wird es teilweise schon gemacht. Dort ist jedoch auch das Netz an sich instabiler als bei uns.

War die Netzintegration auch bei der diesjährigen DRIVE-E-Akademie ein Thema?

Wir hatten in diesem Jahr tatsächlich einen Vortrag zu Vehicle-to-Grid, aber die Schwerpunkte lagen auf der Fahrzeugkonzeption und den Anwendungen außerhalb des Privat-Pkw – also Nutzfahrzeuge, Busse oder Motorsport. Die Schwerpunkte der DRIVE-E-Akademie variieren jedes Jahr ein bisschen, auch den Fokus Netzintegration hatten wir bereits, etwa mit Vorträgen von und Exkursionen zu Energieversorgern.

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Mittlerweile haben fast 500 junge Menschen an DRIVE-E teilgenommen. Wächst hier eine neue Generation E heran?

Davon bin ich überzeugt. Die äußerst positiven Reaktionen der Teilnehmer auf DRIVE-E und ihr Enthusiasmus begeistern uns Organisatoren regelmäßig. Viele der ehemaligen Teilnehmer arbeiten mittlerweile in der Branche oder haben eigene Unternehmen gegründet. Und sie sind extrem gut miteinander vernetzt, es gibt zu unserer Freude eine regelrechte DRIVE-E-Community. Wir laden auch regelmäßig ehemalige Teilnehmer als Referenten ein und schaffen Kontakte zwischen den Jahrgängen. Spätestens auf der nächsten Messe trifft man dann bekannte Gesichter wieder. Wenn man die Begeisterung und Offenheit der Teilnehmer auf den Rest dieser Generation übertragen kann, bin ich sehr zuversichtlich, dass sich vielleicht doch einiges ändern wird.

Und welche Themen begeistern die Studierenden besonders?

Da gibt es keinen eindeutigen Favoriten. Unsere Teilnehmer kommen aus vielen unterschiedlichen Fachrichtungen, neben dem Ingenieurbereich auch aus den Wirtschaftswissenschaften. Den einen begeistert die neueste Elektronik oder Batterietechnik, den anderen das nächste Geschäftsmodell. Und diese Breite ist auch gewollt.

Über DRIVE-E:

In München drehte sich vom 9. bis zum 14. September während der diesjährigen DRIVE-E-Akademie alles um die elektrische Mobilität der Zukunft. Dabei bekamen die 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Vorträge und Exklusionen viele Einblicke in die neusten Trends und Forschungen im Bereich der Elektromobilität. Ausgerichtet und organisiert wurde das Nachwuchsförderprogramm bereits zum neunten Mal als Gemeinschaftsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Fraunhofer-Gesellschaft. electrive.net ist Medienpartner der DRIVE-E-Akademie. Weitere Informationen gibt es unter: www.drive-e.org

3 Kommentare

zu „„Wir brauchen noch mehr gute Ideen für die Mobilität der Zukunft.““
Boris J.
25.09.2018 um 16:03
Ich hab keine Ahnung, warum noch Ideen fehlen.Die E-Mobilität zum Beispiel ist schon lange Gegenwart und es gibt wirklich viele Erfahrungsberichte sowie Pro und Kontras im Netz. Wünsche der FahrerInnen im Alltag sowie Kritik an den Fahrzeugen, dem Ladenetz sowie Richtlinien und Gesetzgebungen die alles mögliche verhindern.Der soll mal Google befrage, und hat genug Ideen.
Matthias Flatt
26.09.2018 um 15:26
"durch Vorträge und Exklusionen"? Gemeint sind wohl Exkursionen zu Instituten, Laboren o.ä.
Bartholomäus Steiner
03.10.2018 um 17:58
Interessantes Interview ...die anderen Kommentatoren sind immer am meckern^^

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