Auswertung der These: Stadtbusse ab 2025 nur elektrisch?!
Elektrische Stadtbusse sind bei den Metropolen heiß begehrt. An der Produktion hapert es aber noch. Gute Nachrichten lieferte die IAA Nutzfahrzeuge mit serienreifen Modellen. Die Hersteller brauchen jetzt Klarheit – indem ab 2025 nur noch E-Stadtbusse zugelassen werden dürfen. Dem schließt sich auch die Mehrheit der Teilnehmer unserer These des Monats an.
** Sie können sich die Auswertung der These hier auch als PDF herunterladen. **
Noch sind elektrische Busse im Linienbetrieb des öffentlichen Personennahverkehrs deutscher Städte kaum unterwegs. Das wird sich aber voraussichtlich zügig ändern. Denn einerseits kündigen sich durch Entscheidungen von Verwaltungsgerichten in immer mehr Städten Diesel-Fahrverbote an, die auch nicht nachgerüstete Diesel-Busse betreffen werden. Ausgelöst wurden sie von der Umweltorganisation Deutsche Umwelthilfe, die in insgesamt 28 deutschen Städten auf die Einhaltung des Stickstoffdioxid-Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft klagt, der seit 2010 gilt. Andererseits nehmen die bisher sehr zögerlichen deutschen Nutzfahrzeughersteller Fahrt bei der Entwicklung von Elektrobussen auf. So präsentierte beispielsweise MAN auf der IAA Nutzfahrzeuge im September den seriennahen Prototyp seines E-Stadtbusses Lion’s City E mit bis zu 270 Kilometer Reichweite, während Daimlers Messestar der Mercedes-Benz eCitaro war, ein Elektrobus, der kürzlich in Hamburg seinen ersten Einsatz erlebt hat.
Besonderes Aufsehen erregte Anfang September das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in der Klage gegen das Land Hessen, wonach Deutschlands „Pendlerhauptstadt“ Frankfurt, in die täglich bis zu 300.000 Arbeitskräfte einfahren, bis zum 1. Februar 2019 einen Luftreinhalteplan in Kraft setzen muss, der zum ersten flächendeckenden Diesel-Fahrverbot in einer deutschen Großstadt führen könnte. Auch alle ÖPNV-Dieselbusse dürften dann nur noch fahren, wenn sie mit Filtern nachgerüstet wurden. Aus gutem Grund hat Frankfurt also seine ersten fünf Elektrobusse bestellt – beim polnischen Hersteller Solaris. Bis zum Jahr 2030 wollen alleine Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München mindestens 3.000 Elektrobusse bestellen – wenn die Hersteller liefern können. Vor diesem Hintergrund formulierten wir unsere These des Monats Oktober, die insgesamt 239-mal bewertet und kommentiert wurde:
„Um die notwendige Elektrifizierung des städtischen Busverkehrs zu forcieren, sollten ab 2025 keine Stadtbusse mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden“
Eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer stimmte ihr vorbehaltlos (197) oder mit Vorbehalten (24) zu. Eindeutig (6) oder mit Einschränkungen (12) sprach sich eine sehr kleine Minderheit gegen die These aus. Neutrale Bewertungen kamen nicht vor.
Zeichnet man die Diskussion der These inhaltlich nach, so finden sich darin die folgenden Aussagen. Sie spiegeln ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.
PRO: „Das muss man einfach machen“
Ein eindeutig terminiertes Verbot der Zulassung von Stadtbussen mit Verbrennungsmotoren würde sowohl den kommunalen Verkehrsbetrieben als auch den Fahrzeugherstellern Planungssicherheit geben. So lautet ein gewichtiges Argument vieler Befürworter der These. „Die Verkehrsbetriebe benötigen Planungssicherheit für ihre Investitionsentscheidungen und die Bushersteller brauchen einen verlässlichen Hochlauf der Produktion zur Kostensenkung bei (noch) zu teuren E-Bussen.“ Die Industrie könnte ihre Entwicklungsressourcen entsprechend fokussieren, die Kommunen hätten Gelegenheit, die notwendigen Infrastrukturen forciert und zielgerichtet aufzubauen.
„Busflotten sind so leicht zu elektrifizieren, dass muss man einfach machen“, schreibt ein Diskussionsteilnehmer und befindet sich damit im Einklang mit sehr vielen anderen, die die besondere Eignung von Linienbussen für die Umstellung auf Elektromobilität betonen. „1. Gerade Fahrzeuge, die in Städten unterwegs sind MÜSSEN schadstofffrei betrieben werden. 2. Gerade Fahrzeuge, die in einer festen Infrastruktur unterwegs sind, sind für E-Mobilität besonders prädestiniert, denn Reichweite und Ladestationen können leicht optimiert werden“, fasst ein Kommentator in dieser Hinsicht die Aspekte von Notwendigkeit und Eignung prägnant zusammen. Hinzu kommt die Tatsache, dass Elektro-Stadtbusse dank ihrer hohen Fahrleistung bei relativ niedrigen Betriebskosten schon heute in Sachen Wirtschaftlichkeit nicht hinter Bussen mit Verbrennungsmotoren zurückstehen. Weil der ÖPNV Aufgaben der Daseinsvorsorge erfülle, schlägt ein Diskussionsteilnehmer vor, solle man den Fahrstrom von Elektrobussen von den EEG-Umlagen befreien, um deren Wirtschaftlichkeit weiter zu erhöhen. „Das ergäbe einen enormen Antrieb“.
Weniger auf Diesel- als auf Benzinmotoren bezogen, ist das häufig angeführte Argument des Klimaschutzes. „Aufgrund des Bekenntnisses der Bundesregierung und der Teilnahme am Paris Agreement sowie den EU-Richtlinien zur sofortigen CO2- Reduzierung bis 2025 sind die Städte dazu verpflichtet. Es gibt kein Zurück mehr“, schreibt einer und ein anderer ergänzt: „Nachdem der ÖPNV von der öffentlichen Hand finanziert wird, kann diese endlich mal was Konkretes für Klima und Umwelt tun“. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder auf gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Abgas- und Lärmemissionen in Städten, vor allem auch durch Busse, verwiesen: „Wer jemals einen beschleunigenden und brummenden Diesel-Bus in der Nähe seiner Wohnung gehört und gerochen hat, kennt das Thema.“
Manche Befürworter der These berufen sich in erster Linie auf die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand und damit auch des ÖPNV, wenn es darum geht, mit den Erfordernissen einer nachhaltigen Entwicklung ernst zu machen. Deshalb sollten die Städte auch andere Nutzfahrzeuge ihres Fuhrparks schnellstmöglich elektrifizieren, wie zum Beispiel Müllwagen. Darüber hinaus wird Elektrobussen im ÖPNV eine Signalwirkung zugeschrieben. Böten sie doch den Bürgern eine besondere Möglichkeit, Elektromobilität zu erleben, wodurch diese eventuell auch bei ihren Privatfahrzeugen zum Umstieg animiert würden.
Mehrfach wird China als Vorreiter der Elektrifizierung von Bussen erwähnt. Vor zehn Jahren habe man dort damit bereits begonnen. Gleich drei Kommentatoren heben die unweit von Hongkong gelegene Millionenstadt Shenzhen auf den Schild. Einer schreibt: „In Shenzhen (China) wurden alle 16.400 Busse elektrifiziert. Eine deutsche Firma kann seit kurzem ebenfalls Busse auf E-Antrieb umbauen. Warum warten die deutschen Städte so lange?“
Zahlreiche Pro-Kommentatoren begründen ihre Meinung mit Argumenten, die sich eher auf die Vorzüge der Elektromobilität allgemein als speziell auf Elektrobusse beziehen, so beispielsweise: „Dies wäre eine von vielen anderen notwendigen Maßnahmen, um die Elektromobilität voranzutreiben.“ Auffällig viele Befürworter machen sich erst gar nicht die Mühe, ihre Zustimmung zur These mit Argumenten zu untermauern. Die These sei ein „No-Brainer“ behauptet etwa ein Teilnehmer, „die Zeit ist reif“ ein anderer, während ein dritter meint: „Das ist selbstverständlich und benötigt keine Begründung“.
EHER PRO: Skeptische Einwände
Differenzierter sind demgegenüber manche skeptischen Äußerungen. „Eigentlich stimme ich voll zu, bin nur wegen der vermutlichen Lieferengpässe um eins zurück gegangen“, heißt es etwa in einem Eher-Pro-Kommentar. Ein anderer verweist auf die systemischen Implikationen der These: „Allerdings erfordert E-ÖPNV auch Wartung und Reparatur, (Nach-)Ladestationen, Fahrertraining, angepasste Netzstrukturen, ggf. neue Fahrpläne sowie natürlich die E-Bus-Produktion. Ob diese gesamte Infrastruktur flächendeckend und gleichzeitig in allen Städten bis 2025 möglich ist? Außerdem mag im Stadtkern-Umland-Mischbetrieb auch der Erdgas-Bus (wirtschaftlich und energetisch) noch sinnvoll sein. Vielleicht wäre eine (steigende) Quotenregelung sinnvoller.“ Selbst Hybride oder Verbrenner könnten, „z.B. bei Überlandbussen, die auch in Städte fahren“ weiterhin sinnvoll sein. Auch wenn keine „Neubusse ohne Elektromotor mehr zugelassen werden“, sollte „die alte Flotte, solange wirtschaftlich, weiter benutzt werden“, meint ein anderer Diskussionsbeteiligter. Denn „ein Bus stellt eine sehr hohe Investition dar und benötigt viele Ressourcen; da wäre es wirtschaftlich und ökologisch fatal, funktionierende Busse vorzeitig aus dem Verkehr zu ziehen“. Ohne „ein Förderinstrument für finanzschwache Kommunen“ werde sich die flächendeckende Einführung von Elektrobussen ohnehin nicht realisieren lassen.
EHER CONTRA: Vorrang für dichteren ÖPNV
Mit Elektrobussen werde „Geld verbrannt“, da sie derzeit deutlich teurer seien als Dieselbusse. Besser sei es zunächst, Dieselbusse mit Filtern nachzurüsten. Denn die hohen Kosten für Elektrobusse gingen zu Lasten des für eine Verkehrswende dringend notwendigen Ausbaus des ÖPNV. So lautet das Hauptargument im Eher-Contra-Lager. „Das Streckennetz muss verbessert werden, damit die Leute vom Auto in den Bus umsteigen! Der Zwang ab 2025 nur E-Busse zu verwenden, könnte den Streckennetzausbau ‚bremsen‘, sodass weniger Fahrgäste den Bus nutzen.“ Statt den ÖPNV zu verteuern, solle man „lieber einen Zulassungsstopp für Verbrenner-SUV“ erlassen. Wenn der Gesetzgeber Verbote erwäge, meint ein anderer, „dann zuerst beim Pkw. Besser noch: ÖPNV-Unternehmen mit Elektro-Strategie schreiben nur noch E-Busse aus und sorgen damit aktiv für Nachfrage bei den Herstellern.“ Allerdings gibt es auch einen ganz anderen Grund, mit „Eher contra“ zu stimmen: „2025 ist zu spät. Mit fällt kein vernünftiges Argument ein, warum das nicht ab sofort gelten sollte.“
CONTRA: Technologieoffene Bewertung empfohlen
„Dringende Empfehlung ist eine TECHNOLOGIEOFFENE Bewertung in Anbetracht der erforderlichen Umlauflänge und eine Tank-To-Wheel-Betrachtung noch dazu! Auch saubere(!) Diesel- und Gasmotoren, die übrigens mit Biomethan nahezu CO2-neutral fahren, sind sinnvoll“, ist ein typischer Contra-Kommentar dieser Diskussion. Ein anderer lautet: „Es wird noch lange Strecken geben, die aufgrund der Topographie oder der Taktung mit Elektrobussen keinen Sinn machen. Dafür wird man noch lange den sauberen Diesel brauchen, gerne hybridisiert, aber solche pauschalen Verbote machen keinen Sinn.“ Originell wirkt der Einwand, dass E-Busse im Vergleich zu konventionellen Bussen wegen ihres hohen Batteriegewichts etwa ein Drittel weniger Fahrgäste befördern könnten.
Drei besondere Konfliktpunkte
„Mit einem entsprechenden positiven Beschluss werden endlich auch die deutschen Hersteller gedrängt, in diesen Markt voll einzusteigen“, lautet ein Pro-Kommentar zum Nutzen einer Ordnungspolitik, die Technologieverbote einsetzt. Ihm steht die Ansicht entgegen: „Ein Verbot von Verbrennerbussen ist meines Erachtens nicht zielführend. Vielmehr ist der Wettbewerb aus Fernost eine wirtschaftlich regulierende Größe, die Kommunen durchaus mutiger nutzen sollten, um die etablierten OEM wachzurütteln.“
Sind Busse wirklich der wichtigste Hebel, an dem angesetzt werden muss? Ja, sagen manche, denn „Linienbusse in Städten fahren mehr km pro Tag und verbrauchen ein Vielfaches im Vergleich zum PKW. Daher ist der Austausch der Diesel-Busse wirkungsvoller als der der PKW“. Nein, sagen andere, denn gegenüber „dem Individualverkehr sind Busse deutlich effizienter bzgl. dem Schadstoffausstoß per Kopf. Daher sollte vor allem der Individualverkehr im urbanen Raum adressiert werden.“
Und wie sieht es mit der Ökobilanz aus? „Der ökologische, gesundheitliche und energetische Effekt bei der Elektrifizierung von Stadtbussen im Vergleich zu PKW ist aufgrund des fast 100-mal höheren Energieverbrauchs über die Fahrzeuglebensdauer auch um diesen Wert größer“, argumentiert ein Befürworter der These, während ein anderer entgegenhält: „Solange der Ladestrom zu 60% aus fossilen Energien stammt (…), sind rein batterieelektrische Stadtbusse ökologischer Selbstbetrug.“ Auch dürften, meint ein Dritter, „bei der Herstellung der Batterien ökologische und soziale Aspekt nicht außer Acht gelassen werden“.
Fazit
Die Elektrifizierung des städtischen Busverkehrs ist aller Voraussicht nach nur eine Frage der Zeit. Fast alle Diskussionsteilnehmer wünschen sich, sie möge so schnell wie möglich realisiert werden. Dabei zeigt sich in einigen Diskussionsbeiträgen, dass das Verb „zulassen“ in unserer These unterschiedlich verstanden werden kann. Entweder in dem Sinne, dass 2025 schon der Betrieb von Verbrennungs-Bussen im städtischen ÖPNV nicht mehr zugelassen sein sollte („Je früher desto besser. Die Technik ist da und 6 Jahre bis zur Umsetzung sollte für alle reichen“) oder in dem Sinne, dass ab 2025 neu zugelassene Busse im Stadtverkehr nur noch elektrischen Antrieb haben dürfen („die letzten Diesel-Stadtbusse kämen so erst etwa 2040 aufs Altenteil“). An der grundsätzlichen Perspektive ändert diese zeitliche Differenz wenig. Bedenkenswert bleibt dennoch die Frage, ob der Antriebswechsel im öffentlichen Busverkehr regulatorisch erzwungen werden oder besser einem technologieoffenen Wettbewerb überlassen bleiben sollte. Von großer Bedeutung wird es dabei sein, wie gut es gelingt, Elektrobusse mit einer sauberen Ökobilanz über ihren gesamten Lebenszyklus herzustellen und zu betreiben.
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