Nissan Leaf reduziert #Rapidgate-Effekt per Update
Nissan bietet für den Leaf mit der 40-kWh-Batterie nun ein Software-Update an, das die DC-Ladeleistung heraufsetzt und den #Rapidgate-Effekt damit eingrenzt. Christoph M. Schwarzer hat sich die Lösung genauer angeschaut und weitere Details zum Thermomanagement des 62-kWh-Akkus recherchiert.
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Skandalisierung ist das Aufbauschen eines Fehlers oder Missstands. Als die zweite Generation des Nissan Leaf auf die Straßen kam, stellten die Fahrer einen starken Rückgang der Leistung bei mehrfachem DC-Laden fest und nannten das #Rapidgate. Für die einen war diese Auslegung lediglich ein Schutz der Batterie vor Überhitzung und damit ein Vorteil für die Dauerhaltbarkeit. Für die anderen kam der Leaf nicht mehr in Frage. Inzwischen hat Nissan ein Softwareupdate für den Leaf entwickelt. Gewissermaßen einen Fix für #Rapidgate. Die Redaktion von electrive.net hat sich informiert und zusätzlich nach dem Temperaturmanagement der kommenden Version mit 62-kWh-Batterie gefragt.
Bekannt geworden ist der Software Fix durch Björn Nyland. Der norwegische Tesla-Fahrer und beliebte Youtuber hat die Daten einer Messfahrt zuerst am 4. Januar veröffentlicht und später in einem Kurzfilm zusammengefasst. Der Vergleich der Ladekurven zeigt, dass die Leistung bei steigender Batterietemperatur weit weniger deutlich abnimmt als zuvor. Eine Stichprobe: Wo die alte Software im Verlauf bereits auf circa 26 kW drosselte, erlaubt die neue noch rund 40 kW. Noch weniger ging auch. electrive.net hatte im Frühjahr 2018 festgestellt, dass bei aggressiver Fahrweise – also dem gezielten Heißfahren der Batterie – schon bei der zweiten Gleichstromladung weniger als 16 kW übrigblieben. Kein Problem für alle, die Geduld haben. Ein No Go für Langstrecken- und Dauerfahrer etwa im Kurier- oder Taxidienst.
Der Leaf ist keine prinzipielle Ausnahme. Sämtliche Batterie-elektrischen Autos reduzieren die Leistung und damit die Geschwindigkeit des Ladens bei steigender Batterietemperatur. Nach dem Software Fix liegt der Nissan Leaf 40 kWh ungefähr auf dem Level des Volkswagen e-Golf. Die Kritik im vergangenen Jahr richtete sich an das Ausmaß, nicht an den Vorgang an sich.
Keine Abstriche bei der Langlebigkeit
Nissan hat den Software Fix nicht an die große Glocke gehängt. Auf Anfrage von electrive.net teilt die Pressestelle mit, dass alle seit Mai im britischen Werk Sunderland für den europäischen Markt produzierten 40er Leaf ab Werk damit ausgerüstet sind. Besitzer von davor gebauten Leaf können die Überarbeitung beim Händler aufspielen lassen. „Ziel des Updates ist es“, so Nissan Deutschland, „die Schnellladeleistung unter bestimmten europäische Fahrbedingungen zu optimieren. Die Sicherheitsvorkehrungen zur Regulierung der Batterietemperatur bleiben aktiv, arbeiten effektiv und gewährleisten die Langlebigkeit und Qualität der Fahrzeugbatterie.“ Entsprechend bleibt die Garantie unverändert bestehen.
In der Szene hat seitdem eine breite Diskussion über die Notwendigkeit einer aktiven Luft- oder Flüssigkeitskühlung von Traktionsbatterien in Elektroautos Fahrt aufgenommen. Viele Fans haben erwartet, dass der kommende Leaf e+ mit 62 kWh Kapazität ein aktives Temperaturmanagement erhält – er bekommt es nicht, obwohl ein offenbar fehlerhafter Tweet von Nissan UK zumindest eine Luftkühlung suggeriert hatte.
Allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob das ein Mangel ist. Schließlich werden die Ladevorgänge mit der von 270 auf 385 Kilometer (nach WLTP) gewachsenen Reichweite seltener; neben einem radikalen Fahrstil ist das Laden selbst sehr hitzetreibend. Der Temperaturstress findet bei einer größeren Batterie also automatisch weniger häufig statt.
25 Prozent höhere Energiedichte im Leaf 62
In diesem Zusammenhang weist Nissan auf die Unterschiede zwischen 40er und 62er Batterie hin: Der Innenraum für die Passagiere ist gleich. Bezogen auf das gesamte Batteriesystem hat sich die volumetrische Energiedichte trotzdem um 25 Prozent erhöht. Das ist das Ergebnis von viel Detailarbeit. So sind im 40er Leaf je acht Zellen zu einem Modul zusammengefasst. Im 62er dagegen gibt es Module zu zwölf, 21 und 27 Zellen, was zu einer größeren Flexibilität im Packaging führt. Hier kommt laut Nissan auch eine neue Schweißtechnologie zum Einsatz, die weniger Bauraum braucht als die im 40er Leaf.
Insgesamt steigt die Zahl der Zellen von 192 auf 288 Zellen. Die Module sind so im Gehäuse eingebaut, dass der 62er im Vergleich zum 40er Leaf eine weniger ausgeprägte Wärmeentwicklung hat. Wir von electrive.net.net freuen uns auf den Leaf e+, der ab dem dritten Quartal des Jahres auf der Straße sein wird – Nissan redet von Ladespitzen bis zu 100 kW Leistung. Der Leaf e+ startet in der maximal ausgestatteten Sonderserie 3.ZERO für 46.500 Euro (Umweltprämie nicht einberechnet, alle Details hier). Wie gehabt werden preisgünstigere Versionen folgen.
Zurück zum vermeintlichen Aufreger #Rapidgate: Die Autohersteller befinden sich bei der Entwicklung in einem mehrfachen Zielkonflikt aus Batteriegröße in Kilowattstunden, der daraus folgenden Belastung für die einzelne Zelle, der kalendarischen und zyklischen Haltbarkeit, dem Gewicht und dem Bauraum sowie den Kosten. Der Nissan Leaf, mit über 380.000 Exemplaren weiterhin das meistverkaufte Elektroauto überhaupt, hat immer durch seine Japan-typische Verlässlichkeit überzeugt. Man kann davon ausgehen, dass die Ingenieure auch beim Software-Update keine Risiken an den Kunden weitergeben. Der Fortschritt bei den Batterien kommt offensichtlich Schritt für Schritt und nicht in Sprüngen.
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