Auswertung der These des Monats: Förderung nur für neue Zelltechnologie?!

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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier träumt vom europäischen Batteriezell-Wunder, doch das Thema bleibt eine harte Nuss. Bisher hat sich noch kein Konsortium aus der Deckung gewagt. Die Mehrheit der Teilnehmer unserer These des Monats macht klar: „Wer morgen Geld verdienen möchte, muss auch Produkte von morgen entwickeln.“ 

** Sie können sich die Auswertung der These hier auch als PDF herunterladen. **

Die Batterieproduktion entwickele sich mehr und mehr zu einem „wesentlichen Teil der industriellen Wertschöpfungskette weltweit“. Die Beherrschung und Anwendung dieser Schlüsseltechnologie sei eine Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am 13. November 2018 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Energiekommissar Maroš Šefčovič anlässlich der Vernetzungskonferenz Elektromobilität. Man strebe deshalb an, bereits in zwölf Jahren 30 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Batteriezellen aus deutscher und europäischer Produktion zu decken. Das Bundeswirtschaftsministerium werde zu diesem Zweck innerhalb der nächsten drei Jahre Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Mehrere Konsortien seien bereits dabei, sich zu bilden.

Kein Konsortium hat sich allerdings schon aus der Deckung gewagt. VW beispielsweise belässt es im Rahmen seiner Elektromobilitätsoffensive vorerst bei einer Prüfung des Einstiegs in die Batteriezellfertigung, Bosch winkte ab, weil die notwendigen Investitionen von 20 Milliarden Euro zu hoch seien. Derweil kündigten asiatische Hersteller wie CATL aus China und LG Chem aus Südkorea im November eine Intensivierung ihrer Batteriezell-Investitionen in Deutschland und Polen an. Offenbar rechne sich eine herkömmliche Batteriezellfabrik für deutsche Hersteller nicht, kommentierte die „FAZ“ am 19. November. Ohnehin seien Lithium-Ionen-Akkus nur „eine Brückentechnologie auf dem Weg zu nachhaltigen Mobilitätskonzepten“, die Zukunft gehöre aller Voraussicht nach einer neuen Generation von Lithium-Feststoffbatterien: „Wäre Altmaiers Milliarde auf diesem Feld nicht sinnvoller investiert, weil hier eine echte Technologieführerschaft für heimische Unternehmen möglich wäre?“ Vor diesem Hintergrund formulierten wir unsere These des Monats Dezember:

„Die Dominanz asiatischer Hersteller bei der herkömmlichen Batteriezelle wird nicht zu brechen sein. Deutsche Unternehmen sollten deshalb vorrangig bei der Entwicklung der nächsten Batteriegeneration gefördert werden.“

Die These wurde insgesamt 115-mal bewertet und kommentiert. Eine Mehrheit der Teilnehmer stimmte ihr vorbehaltlos (47) oder mit Vorbehalten (14) zu. Eindeutig oder mit Einschränkungen abgelehnt wurde sie von 33 bzw. 19 Teilnehmern. Hinzu kamen zwei neutrale Bewertungen.

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Zeichnet man die Diskussion der These inhaltlich nach, so finden sich darin die folgenden Aussagen. Sie spiegeln ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.

PRO: „Wer morgen Geld verdienen möchte, muss auch Produkte von morgen entwickeln“

„Wer morgen Geld verdienen möchte, muss auch Produkte von morgen entwickeln“, kommentiert ein Befürworter der These. Denn der Zug für Lithium-Ionen-Akkus sei längst abgefahren. Diese Ansicht teilen – in variierenden Formulierungen – viele andere Pro-Kommentatoren. Einerseits mache „ein Invest in mittelfristig auslaufende Technologien langfristig wenig Sinn“, denn „bis deutsche Unternehmen eine nennenswerte Fertigung aufgebaut haben, werden die asiatischen Hersteller bereits Batteriezellen der nächsten Generation anbieten“; andererseits müsse man bei der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie den Produktionsvorsprung der Asiaten in der automatisierten Fertigung und deren relativ geringes Lohnniveau in Betracht ziehen. Hinzu kämen für Deutschland ungünstige Rohstoff-Aspekte bei der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie. Dass weltweit eine intensive Forschung nach neuen Energiespeicherkonzepten stattfinde, spreche dafür, „gleich auf die nächste Batterie-Generation zu setzen“. Das gelte umso mehr, als deutsche Universitäten in der akademischen Forschung zu neuen Batterien gleichauf mit den Asiaten seien und mit dieser Innovation „in wenigen Jahren zu rechnen sein sollte“.

Wer im Sinne einer Me-too-Strategie auf die Produktion herkömmlicher Zellen setze, argumentiert ein Diskussionsteilnehmer, müsse auf Kostenvorteile setzen, wenn er erfolgreich sein wolle. Bei Batterien der nächsten Generation ließe sich der Markt dagegen eventuell über eine Technologieführerschaft erobern. Das sei aber nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller europäischen Hersteller möglich, meint ein anderer. Sie müssten ihre vereinte Marktmacht nutzen, um die nächste Generation in Serie zu bringen. Die EU wiederum, fügt ein Dritter an, müsse entsprechende Rahmenbedingungen schaffen: „Erleichterte Bedingungen für Forschung, Entwicklung und den Bau von Fertigungsanlagen. Nur so kann Europa auf den zweiten Zug aufspringen.“

Statt Steuergelder für veraltete Technologien zu vergeuden, heißt es im Pro-Lager, sollten sie für Batterien ausgegeben werden, die Vorteile hinsichtlich ihrer Leistungs- und Energiedichte bieten und nicht entflammbar sind. Feststoffbatterien werden einige Male ausdrücklich genannt. Auch der Anfang 2017 erstmals propagierte Glasakku wird in diesem Zusammenhang einmal erwähnt. Ein Befürworter mahnt zur Eile, indem er darauf hinweist, dass „die Firma Qing Tao Energy Development in Kunshan, China, bereits begonnen hat, Solid State Batteries industriell herzustellen“. Fast schon resignierend klingt angesichts dessen der folgende Kommentar: „Der Vorsprung an Erfahrung in der Technologie sowie in der Produktion, die sich die asiatischen Hersteller über Jahre angeeignet haben, lässt sich mit Geld allein nicht aufholen. Es ist einfach die Zeit, die versäumt wurde.“

Vereinzelt wird der Vorschlag gemacht, besser in die Brennstoffzellen- als in die Batteriezellenfertigung zu investieren, an einer Stelle heißt es aber auch „keine Geldverschwendung in Brennstoffzellen-Energievernichter“.

EHER PRO: Skeptische Einwände

Das am häufigsten vorgebrachte Argument dieser Diskussion lässt sich freilich keiner Bewertung eindeutig zuordnen, es klingt quer durch alle Lager immer wieder an. „Überholen vom Standstreifen aus geht nicht“, bringt es ein Eher-Pro-Kommentator am besten auf den Punkt. Will sagen: Die Technologieführerschaft bei der Produktion von Batteriezellen der nächsten Generation entsteht nicht sprunghaft aus Forschung und Entwicklung. Sie kann nur erringen, wer zuvor gelernt hat, wie man herkömmliche Zellen zu konkurrenzfähigen Preisen in Massenfertigung herstellt. „Mit der Produktion neuer Akkutypen kann man nicht auf der grünen Wiese beginnen.“ Ohne technologisches und betriebswirtschaftliches Knowhow in der Fertigung von Lithium-Ionen erworben zu haben, darin sind sich viele Diskussionsbeteiligte einig, würden deutsche Unternehmen „auch bei den kommenden Generationen das Nachsehen haben“. Die Vorstellung, man könne irgendwann einfach „mittendrin anfangen“, um bei der nächsten Akkutechnologie Weltmarktführer zu sein, sei arrogant und unrealistisch. Vielmehr müsse man baldmöglichst mit einer großangelegten Zellproduktion beginnen. „Die Produktionserfahrung muss mit heutigen Technologien gesammelt werden, auch wenn dazu Förderung notwendig ist.“ Einige Diskussionsbeteiligte sprechen sich jedoch, unabhängig von ihrer Bewertung der These, generell gegen staatliche Förderung aus: „Eine Branche mit Milliardengewinnen braucht keine Subventionen.“ Ein neutraler Kommentator äußert die Befürchtung, dass Fördermittel verpuffen könnten, „ohne dass konkurrenzfähige europäische Batterieprodukte marktfähig entstehen“.

CONTRA: „Jetzt nicht zu investieren bedeutet, Marktanteile in Zukunft abzugeben“

„Die aktuelle Zelltechnologie wird noch sehr lange dominant sein. Jetzt nicht zu investieren bedeutet, Marktanteile in Zukunft abzugeben.“ So lautet – in dieser oder ähnlichen Formulierungen – das Hauptargument derjenigen, die sich gegen die These aussprechen. Neue Technologien – wie etwa Festkörperbatterien – müssten ja nicht nur „technische Hürden nehmen, sondern die preisliche Lernkurve der Lithium-Ionen-Technologie überholen. Das kann unter Umständen sogar sehr lange dauern – wenn überhaupt“. Aus der großen medialen Präsenz der Festkörperbatterien dürfe man keinesfalls schließen, dass sie schon bald kommerziell realisierbar sein werden. „Die aktuelle Zellengeneration und deren Evolutionssprünge werden uns noch lange als Speicherzellen dienen – sofern die deutsche Industrie auch nur den Hauch einer Chance bei der eMobilität haben will, muss hier so schnell wie möglich investiert werden.“

Mehrfach wird darauf hingewiesen, dass die Fertigung von Batteriezellen der nächsten Generation sich zu einem Großteil mit der Fertigung der aktuellen Zellgeneration decke. Die Produktionstechnik der nächsten Zellgeneration werde also weitgehend der aktuellen entsprechen. Zukünftiger Erfolg hänge essentiell davon ab, bereits heute im Gigafactory-Maßstab einzusteigen, um „die Kosten in den Griff zu bekommen“. Hier noch fünf oder mehr Jahre zu warten sei unverantwortlich.

Li-Tec habe bewiesen, dass auch in Deutschland sehr gute Zellen gefertigt werden können. Der bisher fehlenden Wirtschaftlichkeit könne mit einer hochskalierenden Produktion begegnet werden. Der deutsche Maschinenbau habe zweifelsohne das Zeug, auch bei der Zellfertigung ganz vorne mit dabei zu sein. „Unsere Ingenieursausbildung gehört zu den Besten, und wir können alles erreichen, wenn man uns denn läßt“. Entschlossenheit und unternehmerischer Mut seien gefragt. „Die Deutschen wollen nicht in die Zellfertigung einsteigen, weil sie insgeheim immer noch hoffen, dass das Elektroauto eine vorübergehende Erscheinung ist“, unterstellt ein Kommentar. Da ist der Verweis auf das bekannte Vorbild nicht weit: „Wenn Tesla nicht mit Panasonic die Gigafactory in Nevada gebaut hätte, wäre es jetzt nichts mit Tesla 3!“ Immer wieder müsse man sich in Erinnerung rufen, dass die Batterie die teuerste Einzelkomponente eines Elektrofahrzeugs sei. „Wer die Zellen produziert, beherrscht den Markt.“

Fazit

Während eine knappe Mehrheit dafür ist, von vorneherein auf Technologieführerschaft bei der nächsten Batteriegeneration zu setzen, befürwortet eine große Minderheit den sofortigen Aufbau einer heimischen Zellproduktion. Quer durch die Lager wird betont, wie wichtig es sei, Produktionserfahrung bereits mit der heutigen Technologie zu sammeln.

Unsere These des Monats hatte allerdings nicht in Frage gestellt, dass die Produktion herkömmlicher Batteriezellen in Deutschland sinnvoll sei. Sie hatte behauptet, dass dafür nicht unbedingt Steuergelder eingesetzt werden, sondern diese besser gleich in die Entwicklung der nächsten Batteriegeneration fließen sollten. Darauf ging kaum ein Diskussionsbeteiligter ein – mit Ausnahme beispielsweise des folgenden Contra-Kommentars: „In Deutschland fehlt vor allem noch das Knowhow für eine Großserienfertigung von Batteriezellen. Deshalb ist es meiner Meinung nach richtig, den Aufbau einer Großserienfertigung zu fördern. Dabei spielt die Batteriegeneration eher eine Nebenrolle. Ich würde sogar behaupten, dass es extrem schwer wird, erfolgreich zu sein, wenn man jetzt noch länger wartet.“

Diese Ansicht teilt die Bundeskanzlerin, wie sie am 23. Januar vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos bekräftigte: „Die Tatsache, dass wir zum Beispiel in Deutschland, aber auch in Europa bis heute nicht in der Lage sind, selber Batteriezellen zu produzieren, ist mit Sicherheit ein großes Manko für die Zukunft des Automobilstandorts Europa. Deshalb bin ich nach wie vor dafür, dass wir hier auch industriepolitische Entscheidungen fällen, so wie wir das schon bei der Chipfertigung gemacht haben, und die europäische Gemeinsamkeit auch nutzen, um in Technologiebereichen, in denen wir zurückgefallen sind, wieder aufzuholen.“

1 Kommentar

zu „Auswertung der These des Monats: Förderung nur für neue Zelltechnologie?!“
Gerhard Hettich
30.01.2019 um 11:53
Ich hab nun doch einige Jahre Erfahrung in der Zellfertigung und wundere mich immer wieder über die Diskussion wann man denn einsteigen sollte. Fakt ist, die Umsätze sind riesig, die Margen schmal, das heißt es überlebt nur der der wenig Ausschuß produziert. Dazu ist es nicht hilftreich Geld in prototypische Fertigungen zu stecken, die liefern nicht das know how für eine hoch optimierte Massenfertigung. Im übrigen gebe ich all denen recht, die sagen, daß die Fertigungstechnoligie zu großen Teilen (Beschichtung z.B.) unabhängig von der Elektrochemie ist.

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