Volkswagen-Ridesharing: Moin, MOIA!

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MOIA ist die Verbindung aus digitaler Organisation, Nullemissionsfahrzeug und Ridesharing. Im April startet der Fahrdienst in Hamburg, der aus dem Stand heraus zum größten in Europa wird. Beim Vor-Ort-Termin wird schnell klar: So geht Verkehrswende. Ein Bericht von Christoph M. Schwarzer.

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Einfach zurücklehnen. Im Sammeltaxi von MOIA sitzt man bequem auf Einzelsitzen. Mit genug Distanz zum Nachbarn statt auf Tuchfühlung. Nur im Heck gibt es eine Doppelbank für die, die sich mögen. Der bei Volkswagen in Osnabrück aufwändig umgebaute e-Crafter hat den Komfort eines Autos für sechs Passagiere – und zwar den eines Elektroautos.

„MOIA holt Dich ab“ ist das Motto des Unternehmens aus dem Volkswagen-Konzern. Und fast so ist es auch: Der Fahrgast markiert in einer App das Ziel. MOIA bietet ihm daraufhin einen festen Preis an. Bezahlt wird bargeldlos. Wenn der Nutzer sein Okay gibt, kommt der e-Crafter. Das Fahrzeug hält nicht direkt vor der Haustür, sondern an einem digital definierten Haltepunkt. 10.000 gibt es davon in Hamburg. Es kann sein, dass der Passagier zu Fuß gehen muss: Im Versuchsfeld in Hannover sind es weniger als 300 Meter, wenn man das Hin- und Zurückgehen addiert. So viel körperliche Bewegung muss sein.

Auf der Route ist es möglich, dass weitere Menschen zusteigen. Es können auch kleine Umwege gefahren werden. Der Preis bleibt in jedem Fall wie zu Beginn vereinbart, und ein Algorithmus sorgt dafür, dass die Strecke angemessen kurz ist. Das klingt nach viel Software? Ja, und darum arbeiten in Hamburg neben den 400 festangestellten Fahrern über 150 Entwickler. Insgesamt soll die Zahl der Mitarbeiter bis zum ersten Quartal 2020 auf 1.600 angestiegen sein. Zeitgleich wächst der Fuhrpark von 100 auf 500 Fahrzeuge und das Betriebsgebiet von 200 auf 300 Quadratkilometer. Es umfasst den Großteil der nördlich der Elbe gelegenen Stadtteile.

Das Sammeltaxi, digital und elektrisch interpretiert

Das Prinzip des Sammeltaxis ist im internationalen Maßstab äußerst beliebt: Vom Colectivo in Argentinien über das Matatu in Kenia bis zum Dolmus in der Türkei  sind Kleinbusse die Regel. In Deutschland dagegen war dieses Verkehrsmittel bisher unterrepräsentiert. Es ergibt als Beitrag zur Verkehrswende aber einen großen Sinn, wenn es digital und elektrisch interpretiert wird.

Die technische Basis bildet wie erwähnt der Volkswagen e-Crafter. Die optischen Modifikationen sind überdeutlich. Sowohl außen mit der auffälligen Lackierung als auch innen mit der großzügigen Bestuhlung. Aber auch unter dem Boden hat sich eine Menge getan: Die Batteriekapazität wächst von 36 kWh beim normalen e-Crafter auf 87 kWh bei MOIA. Bei minus zehn Grad im Januar waren damit 300 Kilometer Reichweite möglich.

Das ist elementar, denn die gespeicherte Energie soll mindestens für die maximal erlaubte Lenkzeit von fünf Stunden reichen. Dann müssen die Fahrer eine halbe Stunde Pause machen – genug, um bis nahe 80 Prozent zu laden.

Gedrosselte HPC-Charger von Porsche

Zu diesem Zweck gibt es auf dem Betriebsgelände in der Papenreye 47 neben 18 DC-Säulen von Porsche Engineering (gedrosselt auf 100 kW Leistung) auch 112 AC-Ladepunkte (mit je 7,2 kW Leistung). Der eigens errichtete Transformator gibt bis zu 2,5 MW her. Grüner Strom ist selbstverständlich. Alle Investitionen in die Ladeinfrastruktur hat MOIA selbst bezahlt, weil sie nicht öffentlich zugänglich und damit nicht förderfähig ist. Ein lobenswerter Vorgang: Der Carsharing-Dienst DriveNow etwa lässt häufig zu, dass BMW i3 die öffentliche Infrastruktur blockieren. Es ist sympathischer, wenn ein Unternehmen eigenes Geld investiert statt indirekt auf Steuermittel zu setzen.

Die Betriebszeiten von MOIA beginnen am Montagmorgen um fünf Uhr und enden um ein Uhr nachts. Das gleiche gilt für den Dienstag und den Mittwoch. Von Donnerstag bis zum Sonntag um sechs Uhr wird durchgängig gefahren. Danach gibt es eine vierstündige Pause, bevor es wieder bis um ein Uhr weitergeht. Ein ziemlich komplettes Angebot. MOIA zeigt sich zuversichtlich, den Schichtplan sowie die Ladezeiten entsprechend organisiert zu haben.

Insgesamt nimmt das Unternehmen „eine signifikante dreistellige Millionensumme“ in die Hand, heißt es. Ein Feigenblatt ist diese Investition also nicht. Vielmehr ist sie ein Beweis der Ernsthaftigkeit von MOIA sowie dem dahinterstehenden Volkswagen-Konzern. Was in Hamburg beginnt, soll in anderen deutschen und internationalen Städten weitergehen.

https://www.youtube.com/watch?v=sqSDyDojNLo

„Mutlose“ gesetzliche Rahmenbedingungen

Wann und wo der nächste große Standort eröffnet wird, hängt von einem heiklen Thema ab: Den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Im Gespräch mit electrive.net verriet MOIA-COO Robert Henrich, dass die Voraussetzungen in der Hansestadt optimal sind: „Wir erleben ein sehr offenes und positives Klima in der Zusammenarbeit mit der Kommune und dem öffentlichen Nahverkehr.“ MOIA sehe sich nicht in Konkurrenz zu Taxis oder ÖPNV, so Henrich weiter. Eine Annahme, die dadurch unterstrichen wird, dass die Preise niemals unter denen eines Bus- oder Bahntickets liegen. Wir von electrive.net.net sind allerdings der Meinung, dass es sehr wohl ein Wettbewerbsverhältnis gibt: MOIA wird nicht nur private Autofahrer zum gelegentlichen Umstieg bewegen. Auch die ÖPNV-Nutzer ohne Dauerkarte, die ungefähr ein Fünftel ausmachen, werden vom leisen Convenience-Angebot verführt werden. Das erleben wir bereits beim BerlKönig in Berlin.

Kritik richtet COO Henrich derweil an den Gesetzgeber: „Der erste Entwurf zur Novellierung des Personenbeförderungsrechts ist mutlos“, so Henrich. Bundesverkehrsminister Scheuer hat eine Art test- und teilweise Liberalisierung erlassen, die befristet auf vier Jahre gilt. Zusätzlich muss die Kommune den Weg frei machen – das funktionierte in Hamburg problemlos, während es in Berlin kein Go gab.

„Für uns wäre es außerdem ein Beitrag zur Gerechtigkeit, wenn wir wie der ÖPNV mit 7 statt mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt würden“, ergänzt Robert Henrich von MOIA. Er spricht damit einen Missstand an, den es in vielen Branchen gibt: Die Weiterführung alter Steuerprivilegien durch Staatsbetriebe in die Jetztzeit.

Von diesen Wünschen abgesehen ist die Stimmung bei MOIA sehr optimistisch. Man weiß, dass man auf dem richtigen Weg ist. MOIA gehört zur Verkehrswende und führt zur Reduktion von Stau, Lärm und Abgasen. Das macht diesen elektrischen Ridesharing-Dienst für Städte wirklich bedeutsam.

4 Kommentare

zu „Volkswagen-Ridesharing: Moin, MOIA!“
Edgar
17.03.2019 um 14:31
Ich finde es ja durchaus positiv wenn es noch mehr solche Projekte gibt, aber wie sieht es mit dem Arbeitsweg vom Land in die Stadt aus? Fahren solche Dienste auch hier? Wir fangen beispielsweise zur Zeit um 4 Uhr an, regulär um 5, da fährt bei mir weder Bus noch Bahn um rechtzeitig am Arbeitsplatz zu sein. Gerade hier wäre so ein Konzept unschlagbar flexibel. wenn es dann vielleicht noch ein Monatsabo wie die mobicard beim OPNV gibt rechnet sich das dann sogar für die meisten und würden eher darauf zurück greifen. Müßte ich beispielsweise bie den Radwegen nicht 8 mal die Bundesstraße auf dem Weg zur Arbeit queeren, weil der Radweg plötzlich auf der linken Seite weiter geht, was bei dem LKW-Verkehr schon als lebensmüde bezeichnet werden kann, würde ich sogar überlegen mir ein S-Pedelec zu kaufen um die 30km einfach zu fahren.
Bio-Felix
18.03.2019 um 15:50
Wie wär`s denn damit:Investiere den S-Pedelec Betrag in die Anzahlung für einen Nissan E-NV200 und spare jeden Tag Sprit und ÖPNV. Nimm Deine Kollegen einfach mit. Für das Mittagessen in der Kantine z.B.
eMobilitätsberater
18.03.2019 um 18:11
Der Autor, Herr Christoph M. Schwarzer, hat ja schon ein wenig von der Konkurrenzsituation, bzw. der möglichen und nicht erwünschten Kannibalisierungs Effekten gesprochen. Ich hab jetzt hier in Berlin binnen der letzten 2 Wochen an zwei Konferenzen zur Mobilität bzw. eMobilität teilgenommen. Das Thema Ridesharing war jedes mal auch Thema. MOIA hat ja Ende Juli 2018 in Hannover begonnen. Da waren es noch Verbrenner, also genau so rückwärtsgewandt wie der Berlkönig in Berlin. Im Laufe der Veranstaltungen traten je auch Startups auf die über Apps verfügen, auch schon im Einsatz in zb. München, die solche Projekte wie MOIA tatsächlich in die vorhandenen Verkehrsmittel integrieren können. Ich weiß jetzt nicht was Herr Scheuer da vorgeschlagen hat, die DEMO der Taxifahrer kam aber in der Abendschau. Und wenn solche Projekte dem ÖPNV Kunden abjagen ist ja völlig klar das hier etwas nicht zu Ende gedacht ist. In Berlin laufen aktuell zwei Projekte, vom Senat befristet genehmigt. Das eine betreibt die BVG mit dem Berlkönig mit Diesel Vitos von Mercedes die hier auch Beteiligte sind. Das ist ja schon mal völlig inakzeptabel. Neben der Tram bei mir vor der Tür fährt ab und zu der Diesel Vito. Das andere Projekt betreibt Clever Shuttle in Verbindung mit der Deutschen Bahn in Berlin. Diese Fahrzeuge sind zumindest Hybride, voll elektrisch oder Wasserstoff. Die Aufgabe ist aber bedeutend umfangreicher. Das kam bei den Vorträgen eindeutig rüber. Integration der Shuttles ohne dem schon angebotenen Verkehr Kunden ab zu graben muss das Ziel sein. Dass gute ist, dafür gibt es schon Experten wie oben erwähnt. Sitz ist wie bei MOIA Berlin, wo sonnst.
Thorsten
24.03.2019 um 08:32
Klar ist der Sitz in Berlin, wo sonst findet man so eine staatstragende Denke.Woher kommt die anmaßende Forderung, neue Angebote dürften dem staatlichen Angebot keine Nutzer abjagen? In München beispielsweise ist der ÖPNV heillos überlastet, da wäre jeder froh, wenn es eine Alternative gäbe. Für die Anwohner der Straßen wäre Moia auch keine Zusatzlast, weil elektrisch. Vielerorts würde es sogar ruhiger werden, wenn die stadteigenen Busse und Tramen in Nebenzeiten eingedämmt würden zugunsten Moia - effizienter wäre es ohnehin, Steuerausgaben würden auch noch verringert.Und wenn zusätzlich auch individueller Autoverkehr substituiert wird, umso besser. In Berlin versteht aber jeder, dass man in Deutschland immer nur ein bisschen erfolgreich sein darf, bloß nicht zu viel, wir sind schließlich eh schon zu reich.

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