Mercedes eSprinter: Im Wohlfühlmodus durch Nordschweden

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Nach dem eVito kommt in der zweiten Jahreshälfte auch der eSprinter auf den Markt. Wir haben Mercedes-Benz Vans im März zu den letzten Abstimmungen bei der Kälteabsicherung in Nordschweden begleitet. Der eSprinter zeigte sich am Polarkreis startklar und punktet mit einem ausgeklügelten Thermomanagement und einem großzügig ausgestatteten Batteriepaket. 

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Strahlend blauer Himmel, schneebedeckte Landschaft und eine Außentemperatur von minus acht Grad. Dort wo der eSprinter steht, ist es noch wesentlich ungemütlicher. In einer Kältezelle hat er die ganze Nacht zugebracht – bei 30 Grad unter Null. Der Temperaturunterschied ist unangenehm spürbar, wenn man den Autokühlschrank betritt. Deshalb schnell rein in die Fahrerkabine. Dort sorgt der HVPC-Heizer mit einer Leistung von 7 kW nicht nur innerhalb von wenigen Minuten für eine angenehme Innenraumtemperatur, sondern auch schnell für eine freie Windschutzscheibe.

Noch komfortabler habe ich es beim zweiten Testfahrzeug, das vor den Kühlhallen auf dem Daimler-Testgelände in Arjeplog in Nordschweden steht. Dort hat die Elektroheizung schon vor Fahrtantritt für ein Wohlfühlklima hinter dem Steuerrad gesorgt. Indem ich dieses sogenannte Preconditioning nutze, tue ich nicht nur mir etwas Gutes, sondern verlängere nebenbei auch noch die Reichweite des Frontladers. Denn diese per App oder das Flottenmanagerportal steuerbare Komfortfunktion verringert den Energieverbrauch, da die Heizung nicht über längere Zeit auf hoher Stufe betrieben werden muss. Noch effizienter wäre ich unterwegs, wenn ich die serienmäßige Sitzheizung nutzen würde, klärt mich Benjamin Kaehler auf. Der Leiter eDrive@VANs bei der Daimler AG empfiehlt, die eSprinter-Fahrer dazu zu ermuntern, da diese Wärmequelle mit noch deutlich weniger Energie auskommt und das Gleiche bewirkt.

Problemloser Start

Nach diesen Erkenntnisgewinnen geht es endlich raus auf das weitläufige Testgelände, das neben unterschiedlichen Steigungsstrecken und Kreiseln auch vereiste Seepassagen umfasst. Auch bei diesen Temperaturen springt der Batterie-Sprinter problemlos an, ganze ohne unangenehmes Qualmen, dem man unter diesen Bedingungen in einem Dieselfahrzeug unweigerlich ausgesetzt wäre.

Die Optimierung des Startverhaltens und des Thermomanagements bei Kaltstarts sind wesentliche Elemente der zweiten Wintererprobung des eSprinters im März. Bereits im Januar hatten die Daimler-Ingenieure den Stromer zwei Wochen lang auf Herz und Nieren getestet. Angesichts der eisigen Winde, die noch zwei Monate später über die schneebedeckte nordschwedische Landschaft peitschen, ist man froh am zweiten Pressetermin dabei gewesen zu sein.

Schnellladung unter Extrembedingungen

Ein Schwerpunkt der Kältetestwochen ist auch das Ladeverhalten. Der eSprinter verfügt über eine Schnellladefunktion, über die er innerhalb von 30 Minuten rund 80 Prozent der Energie nachladen kann. Diese muss unabhängig von der Temperatur zuverlässig funktionieren. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Batteriemanagement. Denn wenn die Akkus sehr kalt sind, sind sie chemisch nicht in der Lage, große Ladeleistungen aufzunehmen. Das Managementsystem reduziert dann je nach Situation die maximal mögliche Ladeleistung des eSprinters von 80 kW auf 50, 30 oder 20 kW. Dies verhindert, dass die Batterie Schaden nimmt oder schneller altert. Zusätzlich besteht die Option, einen Teil der Ladeleistung zur Erwärmung der Batterie zu nutzen. Dies hat den positiven Effekt, dass der Akku schneller den Temperaturbereich erreicht, in dem mehr geladen werden kann. Auch der umgekehrte Weg ist möglich. Sofern das Li-Ionen-Aggregat auf Betriebstemperatur ist, lässt sich die Abwärme über Wärmepumpen für Heizzwecke nutzen.

Gute Straßenlage durch tiefen Schwerpunkt

Der eSprinter fährt naturgemäß lautlos zur Teststrecke. Lediglich ein leises Knirschen, verursacht durch die Schneebedeckung der Straßen, ist vernehmbar. Bei rasanten Kurvenfahrten machen sich der tiefe Fahrzeugschwerpunkt aufgrund der Akkus, der Frontantrieb und das gut funktionierende ESP positiv bemerkbar. Selbst bei abrupten Bremsungen auf polierten Eisflächen sorgt das elektronische Stabilitäts-Programm lediglich für minimale Ausweichbewegungen.

Spürbar ist die Abstimmung zwischen Rekuperationssystem und ESP. Über Schaltwippen am Lenkrad lässt sich das Rekuperationsmoment in vier Stufen einstellen. Beim Fahrzeugstart ist automatisch die stärkste Rückspeiseoption in Betrieb. Ziel ist, im Stopp-and Go-Verkehr möglichst wenig mit der normalen Bremse zu bremsen, erläutert Benjamin Kaehler. Er geht davon aus, dass sich die Reichweite im Stadtverkehr bei entsprechendem Fahrstil durchaus um 10 bis 15 km vergrößern lässt.

Fokus auf Ökonomie

Überhaupt haben die Entwickler des E-Sprinters einen starken Fokus auf Ökonomie und Langlebigkeit gelegt. Darauf zahlt das auf das Wesentliche reduzierte Interieur der Fahrerkabine ebenso ein, wie die Konfiguration der Batterie. Zur Auswahl stehen zwei Akku-Varianten: Bei der größeren beträgt die Kapazität 55 kWh. Laut Mercedes Benz kommt man damit auf eine Reichweite von rund 150 Kilometer bei einer maximalen Zuladung von 900 Kilogramm. Die zweite Batterieoption mit 41 kWh ermöglicht eine Fahrstrecke von rund 115 Kilometern. Im Gegenzug steigt die maximale Zuladung um rund 140 Kilogramm auf ungefähr 1040. Der Unterschied besteht darin, dass bei der reichweitenstärkeren Bestückung vier gegenüber drei Batterien zwischen Vorder- und Hinterachse verbaut sind. Zum Einsatz kommen bewährte Module, denn die Akkus verwendet Mercedes Benz ebenfalls in den Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen der S-, C- und E-Klasse.

Schonender Batteriebetrieb

Laut Kaehler profitiert man so nicht nur von Einkaufsvorteilen, sondern auch von höherer Leistung. Denn während eine Plug-in-Batterie darauf ausgelegt ist, durchschnittlich zweimal pro Tag komplett leergefahren zu werden, wird sie im eSprinter weitaus schonender betrieben. Eine stärkere Entladung erfolgt in der Regel nur einmal am Tag und durch die Parallelschaltung der Batterieblocks wird nur ein Viertel bis ein Drittel der Maximalleistung tatsächlich abgerufen. „Wir bewegen die Batterie eigentlich ständig in einem Wohlfühlmodus“, sagt Kaehler. Davon verspricht er sich eine höhere Lebensdauer. „Unsere Kunden werden lange daran Freude haben“, glaubt der Daimler-Manager.

Noch schwer abzuschätzen ist, welche Variante die präferierte sein wird. Kaehler geht davon aus, dass sich die Kunden aus Sicherheitsgründen zunächst in der Mehrzahl für die größere Reichweite entscheiden werden. Wenn sie dann feststellen, dass die kleinere Batterie auch ihre Anforderungen erfüllt, könnten einige Verträge der zumeist geleasten Fahrzeuge entsprechend angepasst werden.

Drei Fahrprogramme verfügbar

Unter Bedingungen wie im kalten Nordschweden verspricht der Stuttgarter Automobilkonzern immer noch eine Reichweite von 100 Kilometern. Die Zielerreichung ist dabei auch vom gewählten der drei zur Verfügung stehenden Fahrprogramme abhängig. Die Standardvariante „E“ gewährt den besten Mix aus Fahr-, Reichweiten- und Innenraumkomfort. Unter der Fahrstufe „C“ ist die maximale Antriebs- und Heizleistung verfügbar, und „E+“ ist quasi das reichweitenoptimierte Sparprogramm, bei dem Antriebs- und Heizleistung entsprechend reduziert sind.

Als Gegenmittel gegen die Reichweitenangst im KEP (Kurier, Express, Paket)-Betrieb ist auch die Drosselung der Höchstgeschwindigkeit eine Option. Der 85 kW Elektroantrieb mit einem Drehmoment von bis zu 300 Nm lässt sich in jeder Mercedes-Benz-Werkstatt auf ein Maximaltempo von 80, 100 oder bis zu 120 km/h konfigurieren. Aufgrund der Erfahrungen bei Verbrennerfahrzeugen ist sich der Leiter eDrive@VANs sicher, dass die Mehrheit die Low-Tempo-Variante wählen wird. Schließlich sind reduzierter Verschleiß und Verbrauch ein schlagendes Kostenargument im häufig margenschwachen Kurierdienst.

Hermes testet an zwei Standorten

Bei Hermes sind bislang acht eSprinter an den Standorten Stuttgart und Hamburg im Testeinsatz. Die Daimler-Ingenieure interessieren sich natürlich brennend dafür, wie die Fahrzeuge genutzt werden. „Noch ist kein KEP-Fahrer liegengeblieben“, sagt Kaehler. Damit sei auch nicht zu rechnen, da im innerstädtischen Kurierdienst nur in den seltensten Fällen Strecken jenseits der 100 Kilometer zurückgelegt werden. Hermes hat insgesamt 1.500 Elektrolieferfahrzeuge bei Daimler geordert. Inwieweit die Hamburger auf den seit vergangenem Herbst verfügbaren eVito oder den eSprinter setzen, ist noch offen und laut Kaehler auch abhängig von den gemachten Erfahrungen. „Wir sind hier grundsätzlich offen“, sagt er dazu.

Noch kein konkreter Lieferzeitpunkt

Nach einer weiteren Sommer-Erprobung in Spanien geht die am Standort Düsseldorf auf derselben Produktionslinie wie die konventionellen Sprinter gefertigte Stromvariante im zweiten Halbjahr in den Verkauf. Auf einen genauen Zeitpunkt will sich der zuständige Manager allerdings noch nicht festlegen lassen.

Wesentlich konkreter ist seine Einschätzung zu den Marktpotenzialen: „Unabhängig ob Städte Fahrverbote aussprechen oder nicht, den elektromobilen Lieferdiensten gehört die Zukunft“, ist Kaehler überzeugt. Bestärkt fühlt er sich durch die Erfahrungen der beiden Testwochen. „Diejenigen, die in kälteren Regionen unterwegs sind, werden auf den eSprinter nicht mehr verzichten wollen“, so seine selbstbewusste Einschätzung. Nachdem ich das Fahrzeug verlasse und wieder im eiskalten nordschwedischen Wind stehe, lässt sich diese Prognose irgendwie auch nachvollziehen.

1 Kommentar

zu „Mercedes eSprinter: Im Wohlfühlmodus durch Nordschweden“
Hans
04.04.2019 um 12:17
Dann fehlen nur noch der Preis und die Leasingrate... Ansonsten gibt es wenig zu meckern. Nur eines: 5 Batteriepakete wären keine Option für 'Vielfahrer' ?

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