Autogipfel strebt Masterplan für Ladeinfrastruktur an
Der Autogipfel von Regierung, Herstellern und Zulieferern ist am gestrigen Abend ohne konkrete Maßnahmen auseinander gegangen. Der wohl einzige Beschluss: Man wolle gemeinsam an einem „Masterplan für Ladeinfrastruktur“ arbeiten.
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Das verkündete zumindest VDA-Präsident Bernhard Mattes, der als einziger Teilnehmer des Gesprächs anschließend vor die Kameras trat. Wo, wie und mit welchen Mitteln das Ladenetz ausgebaut werden soll, steht jedoch noch nicht fest. „Wir haben über finanzielle Zusagen und Fördermittel nicht gesprochen“, so Mattes. Maßnahmen und Beschlüsse sollen erst bei einem weiteren Gipfel im Herbst folgen.
Ein erster Schritt scheint damit gemacht, denn das Laden ist erfahrungsgemäß ein großes Hemmnis für potenzielle Kunden. Wer sich nicht sicher ist, wo er sein Elektroauto zuverlässig laden kann, kauft meist gar keins. Dennoch drängt die Zeit. Vor allem für die Hersteller, weil sie Milliarden in Entwicklung, Einkauf und Produktion von Elektroautos investieren. Nur mit Benzin und Diesel wird die Industrie das CO2-Ziel von 95 Gramm pro Kilometer im Flottenschnitt nicht schaffen. Für die Politik, weil ohne mehr Elektroautos die europäischen Klimaziele in noch weitere Ferne rücken.
In Teilen der Industrie hatte man sich – gemessen an den Aussagen vor dem Gipfel – sicher mehr erwartet. Andererseits besteht jetzt die Möglichkeit, an dem Masterplan für Ladeinfrastruktur mitzuarbeiten. Zwar kein „Masterplan Elektromobilität“, wie etwa von VW-Vorstand Thomas Ulbrich gefordert. Aber Autobauer und Zulieferer können nun vielleicht mitreden, wie ein Ladenetz, das bis 2030 laut Mattes über zehn Millionen Elektroautos versorgen soll, aufgebaut werden kann. Nur mit dem Finger auf die Politik zu zeigen, reicht ohnehin nicht mehr: Schon heute gibt es – auch auf Länderebene – zahlreiche Fördertöpfe für Ladeinfrastruktur. Von denen viele aber nicht vollständig abgerufen werden. Auch hier muss ein solcher Masterplan künftig ansetzen.
Dass es im Kanzleramt keine Beschlüsse geben wird, hatte sich abgezeichnet: Bereits im Vorfeld hatte die Regierung die Erwartungen an den Autogipfel gedämpft. Es sei der „Einstieg in einen Gesprächsprozess“ mit einer der wichtigsten Industrien des Landes über ihre Zukunft, Arbeitsplätze und notwendige Entwicklungen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.
Es wird hoffentlich ein schneller Gesprächsprozess, denn die Liste an Themen, die angegangen werden müsste, ist auch neben der Dichte des Ladenetzes lang: Die seitens der Politik geforderte Batteriezellproduktion in Deutschland, zum Beispiel. Für die macht sich vor allem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stark. Oder geringere Steuern für Ladestrom, wie es BMW vor dem Gipfel forderte. Und nicht nur mehr Ladesäulen, sondern ein dichteres Ladenetz ohne Ladekarten- und Abrechnungschaos, was viele potenzielle Elektroauto-Kunden noch abhält. Wer ohne Widerstand auf dem eigenen Stellplatz in einem Mehrparteienhaus eine Wallbox installieren will, wartet – wie etwa auch von VW gefordert – auf eine Reform des Wohnungseigentumsgesetzes. Und wie die Mitarbeiter bei Herstellern und Zulieferern umqualifiziert werden sollen, um die Branche auch weiterhin innovativ zu halten, ist nach dem weiteren Abend im Kanzleramt ebenfalls noch nicht geklärt.
Dabei hatten sich die Autobauer im Vorfeld des Gipfels entgegenkommend gezeigt. Nicht nur, dass BMW offenbar seine Elektropläne um zwei Jahre beschleunigen und Plug-in-Hybride für bessere Luft in den Städten zwangsweise in den Elektromodus schicken will. Die Branche ist von einem wichtigen Punkt abgerückt, der bislang unantastbar schien: Das Autofahren könnte teurer werden. „Denkbar sind aber auch Ansätze, die über einen Mindestpreis schnell greifen“, heißt es deshalb im Positionspapier des Branchenverbandes VDA für den Gipfel, aus dem das „Handelsblatt“ zitiert. Damit ist die Tür für die Regierung aufgestoßen, gezielt über eine CO2-Bepreisung nachzudenken. Das Klimakabinett könne schon im September einen Beschluss fällen.
Aber auch aus anderen Teilen der Politik ist der Druck auf die Bundesregierung zuletzt größer geworden. Anfang Juni forderten die Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen von Berlin mehr Engagement für Elektroautos. „Zu viel Zeit wurde auf Bundesebene schon verspielt und zu viele Ziele wurden verfehlt“, hieß es in einer Erklärung. Winfried Kretschmann (Grüne), Stephan Weil (SPD) und Markus Söder (CSU) waren zu dem Gipfel jedoch nicht eingeladen.
In eine andere Richtung ging am Montag allerdings ein Papier der Unionsfraktion – als klarer Vorschlag, wie aus ihrer Sicht der Verbrennungsmotor zu retten sei. Sie wollen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe fördern, auch damit der „momentane Technologievorsprung deutscher Automobilhersteller“ erhalten bliebe. Zudem soll die Energiesteuer für regenerative Kraftstoffe auf den europäischen Mindestsatz gesenkt werden, und die E-Fuels sollen ebenfalls auf den CO2-Flottengrenzwert angerechnet werden.
Wie uneins der Berliner Politikbetrieb über den Umgang mit der Autobranche ist, haben die vergangenen Wochen gezeigt. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte nach langem Zögern einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, der unter anderem eine Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos und zusätzliche Gelder für Ladesäulen vorsah. Das Klimakabinett beschloss aber nur eine Verlängerung des Umweltbonus bei unveränderter Höhe. Lediglich akustische Warnsysteme für Fußgänger werden ab sofort mit 100 Euro zusätzlich gefördert. Es scheint, als habe die Große Koalition in Berlin noch immer keine gemeinsame Idee von der Mobilität der Zukunft in Deutschland. In diesem Punkt bleibt sie sich immerhin seit Jahren treu.
Update 26.06.2019: Inzwischen zeichnet sich ab, wie der Masterplan aussehen könnte. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen bis 2030 300.000 Ladepunkte entstehen, um „die letzten Bedenken“ gegen die Technik zu zerstreuen.
Zudem soll auch, wie oft gefordert, das Laden in der Tiefgarage einfacher werden. Ein entsprechendes „Gesetzesvorhaben zur Beschleunigung des Hochlaufs der Elektromobilität“, mit dem unter anderem die Hinternisse bei der privaten Ladeinfrastruktur angegangen werden sollen, hat Verkehrsminister Scheuer nach eigenen Angaben auf den Weg gebracht. Das Vorhaben soll jetzt in die Ressortabstimmung gehen.
br.de, manager-magazin.de, spiegel.de (E-Fuels), handelsblatt.com (Mindestpreis), spiegel.de (Update), welt.de (Update)
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