Geofencing: BMW zwingt Plug-in-Hybride in Elektromodus
In sogenannten „eDrive Zones“ will BMW künftig seine Plug-in-Hybride automatisch in den rein elektrischen Fahrbetrieb schalten lassen – ohne Zutun des Fahrers. Ein (verzweifelter) Versuch, dem Verbrenner in Innenstädten mehr Akzeptanz zu verschaffen?
BMW will künftig den Antriebsmodus seiner Plug-in-Hybrid-Modelle zwangsweise in den rein elektrischen Fahrmodus umschalten, wenn das Auto eine besonders deklarierte Zone befährt. Mit der vierten Generation der PHEV-Modelle sollen „neuartige Features“ Einzug halten, die dazu beitragen sollen, „elektrische Fahranteile zu maximieren“. Die sogenannten „BMW eDrive Zones“ gehören ab 2020 bei Plug-in-Hybriden der Münchner zum Serienumfang
Das soll so funktionieren: Sollten Städte Umweltzonen für ausschließlich emissionsfreies Fahren deklarieren, können diese in Zukunft mithilfe der Geofencing-Technologie automatisch erkannt werden. Bei Einfahrt wechselt das Fahrzeug dann automatisch in den rein elektrischen Fahrbetrieb. „Mit dieser neuartigen Betriebsstrategie wird das Potenzial von Plug-in-Hybrid Fahrzeugen zur Reduzierung von Emissionen nochmals erheblich gesteigert“, heißt es in einer Mitteilung, die electrive.net vorliegt.
Für den Kunden soll die Fahrt im E-Modus zudem günstiger sein, da insbesondere im Stadtverkehr „der Elektroantrieb durchgängig einen höheren Wirkungsgrad erreicht als ein Benzin- oder Dieselantrieb“.
Auf ähnliche Gedanken ist vor einiger Zeit bereits Ford gekommen: In London, Valencia und inzwischen auch Köln sind einige Transit PHEV zu Testzwecken unterwegs, die ebenfalls per GPS-Erkennung in den E-Antriebsmodus geschaltet werden können. In die Serie hat es diese Funktion bei Ford allerdings noch nicht geschafft.
BMW hat das Prinzip bereits in Rotterdam getestet: Rund 50 Freiwillige nahmen im Herbst 2018 mit ihren Plug-in-Hybriden an dem Feldversuch teil. Damals wurde noch mit einer speziellen App bei der Einfahrt in den Rotterdamer Innenstadtbereich darauf hingewiesen, manuell in den E-Modus zu schalten. Zentrale Erkenntnis nach drei Monaten war, dass die PHEV-Fahrer über 90 Prozent aller Strecken innerhalb der Rotterdamer eDrive Zone rein elektrisch zurückgelegt hatten, wenn die App mit dem Fahrzeug verbunden war. Einen Vergleichswert ohne die App-Unterstützung nannte BMW allerdings nicht.
Die im Versuchsprojekt eingesetzte Technologie habe „die weitere Entwicklung von BMW eDrive Zones“ inspiriert, so der Konzern. Einige Fragen aus dem Fahralltag bleiben allerdings vorerst offen: Muss das Auto ein Mindestmaß an Batteriekapazität vorhalten, wenn es noch in eine eDrive Zone einfahren will? Wenn das Auto durch das Navigationsziel weiß, dass es in eine eDrive Zone einfahren wird, aber der Ladestand nicht reicht, wird dann die Batterie zuvor über den Verbrenner geladen? Was ist mit Kunden, die in einer eDrive Zone leben, aber mangels eigener Wallbox nicht ständig laden können? Wie werden solche Punkte dem Fahrer kommuniziert? Und nicht überall ist die öffentliche Ladeinfrastruktur so gut ausgebaut wie in den Niederlanden.
Zumindest die Motivation von BMW ist klar: „Mit dem Paradigmenwechsel von der auto- zur menschengerechten Stadt erwägen immer mehr Städte Zugangsbeschränkungen für verbrennungsmotorisch angetriebene Fahrzeuge“, begründen die Münchner das Vorhaben. „Vor diesem Hintergrund entwickelt die BMW Group ihre Betriebsstrategie für Plug-in-Hybrid Modelle konsequent weiter.“
Sprich: Anstatt einen radikaleren Schritt in Richtung vollelektrischer Fahrzeuge zu gehen, versuchen die Münchner, die (Zufahrts-)Einschränkungen für ihre PHEV-Kunden so gering wie möglich zu halten und den Verbrenner so noch ein wenig länger am Leben zu erhalten. Da die Vernunft (oder das Wissen um die Funktionsweise der Systeme) bei den PHEV-Fahrern offenbar nicht ausreicht, um eigenständig so oft wie möglich rein elektrisch zu fahren, muss bald wohl nachgeholfen werden.
Und wenn wir ganz ehrlich sind: Bei einem Paradigmenwechsel von der auto- zur menschengerechten Stadt ist es nicht nur eine Frage der Antriebstechnologie, wer künftig noch in die Innenstadt darf oder nicht. Sondern wohl eine Frage der Mobilitätsform.
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