Baden-Württemberg: Brennstoffzelle statt Batterieforschung
Landesumweltminister Franz Untersteller mahnt den großen Nachholbedarf bei der Produktion von Brennstoffzellen-Stacks an. Wenig Umsetzungspotenzial sieht er, zumindest in den nächsten Jahren, für das Thema E-Fuels. Was sich das Bundesland von dem Projekt „HyFab-Baden-Württemberg“ erhofft, analysiert Michael Nallinger.
***
Es war eine Enttäuschung für das Autoland Baden-Württemberg, als die „Forschungsfertigung Batteriezelle“ nach Münster vergeben wurde. Statt an Batteriezellen soll im Südwesten künftig am Einsatz von Wasserstoff im Auto geforscht werden. In Ulm und Freiburg sollen Forschungsfabriken für Brennstoffzellen und Wasserstoff gebaut werden. Baden-Württemberg gehe mit ganz konkreten und sichtbaren Maßnahmen voran, um den Transformationsprozess der Automobilwirtschaft zu einer Erfolgsgeschichte zu machen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann während eines Treffens des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW in Berlin. Nach seiner Fundamentalkritik an der Mobilitätspolitik der Bundesregierung und der großen Enttäuschung über die Standortwahl der Forschungsfabrik für die Fertigung von Batteriezellen, hatte der Grünen-Politiker mit dem neuen Forschungsvorhaben wieder etwas Positives zu berichten.
Für das Projekt „HyFab-Baden-Württemberg“ stellt das Bundesland im Südwesten, in dem gut die Hälfte der bundesweit 835 .000 Arbeitsplätze im Automobilsektor beheimatet sind, 18,5 Millionen Euro bereit. Beim Beitrag des Bundes soll es sich nach den ersten Angaben um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln. Wie aus einer von Kretschmann zusammen mit den Parlamentarischen Staatssekretären Thomas Bareiß (BMWI) und Steffen Bilger (BMVI) unterzeichneten Absichtserklärung hervorgeht, soll mit dem Projekt HyFab „die industrielle Produktion von Brennstoffzellen-Stacks unterstützt und die Technologie serientauglich werden“.
Nach einem Bericht der „Südwest Presse“ sind die Hauptakteure des Projekts mit einem Gesamtförderbedarf von etwa 75 Millionen Euro, das Ulmer Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Neben weiteren Partnern aus der Wissenschaft soll auch die Zulieferindustrie beteiligt werden. Im Fokus von Hyfab steht die Entwicklung automatisierter Fertigungs- und Qualitätssicherungsverfahren. Dabei geht es unter anderem um die Herstellung einzelner Schlüsselkomponenten, wie etwa Membran-Elektrode-Einheiten. Außerdem sollen Prozesse dafür entwickelt werden, wie eine typische Jahresproduktion von 200.000 Stacks aussehen kann. Unterstützt wird das Vorhaben aus der Industrie: Unter anderem wollen Audi, BMW und Mercedes mitwirken – aber auch Zulieferer wie Siemens, Thyssenkrupp, Umicore ElringKlinger und ContiTech.
Viel Handarbeit bei Brennstoffzellen-Stacks
Kritisch gegenüber einer schnellen Markterschließung von Brennstoffzellenfahrzeugen äußerte sich der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller während einer Presseveranstaltung der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE). Man sei noch weit entfernt von einer industriellen Fertigung, betonte er. Dabei hatte er unter anderem die Produktion von Brennstoffzellen-Stacks bei Mercedes Benz in Nabern bei Stuttgart im Blick. Dort würden die Antriebskomponenten für eine überschaubare Anzahl an Mercedes GLC derzeit noch vorwiegend per Handarbeit produziert.
Zurückhaltend äußerte er sich auch beim Thema synthetische Kraftstoffe. Die mittels erneuerbarer Energien hergestellten E-Fuels werden sich nach Einschätzung Unterstellers im Pkw-Bereich zumindest in nächster Zeit nicht durchsetzen. Mit Blick auf die Wirkungsgradverluste plädiert er stattdessen für die Direktverwendung von regenerativem Strom durch Batterie-Fahrzeuge. Mit der Frage, weshalb man für die gleiche Fahrleistung mehrere Windenergieanlagen betreiben sollte anstatt einer, brachte der Grünen-Politiker seine Einschätzung auf den Punkt. Zudem bezweifelt er, dass vor 2030 ausreichend Ökostrom für solche Vorhaben zur Verfügung steht. Sein Argument: Insbesondere nach Abschaltung der letzten Kernkraftwerke im Jahr 2022 habe man kein Problem den Ökostrom im Stromsektor unterzubringen. Sollte das 2030-Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung erreicht sein, sehe die Situation anders aus. Sinnvoll sei es deshalb, heute in Forschung und Entwicklung von E-Fuels zu investieren, vor allem mit der Maßgabe der Kostensenkung.
Immer noch unter Schock
Auch mehrere Tage nach der Standortentscheidung zur Forschungsfabrik Batteriezellen äußerte Untersteller sein Unverständnis darüber. „Wir stehen immer noch unter Schock“, gab er einen Einblick in die Gefühlslage. Sein Unmut richtet sich dabei nicht nur gegen die Bewertung fachlicher Kriterien. Der Katalog der Findungskommission habe neben industrieller (30 Prozent Gewichtung), wissenschaftlicher (30 Prozent) und finanzieller (20 Prozent) Kriterien auch den Aspekt Geschwindigkeit (20 Prozent) umfasst. Am baden-württembergischen Standort Ulm hätten für das Vorhaben bereits entsprechende Gebäude zur Verfügung gestanden. „Ich kann nicht verstehen, weshalb das auf der grünen Wiese schneller gehen soll“, sagte er mit Blick auf die Situation am Siegerstandort Münster. Von einer Verschiebung der Schwerpunkte weg von der Batterie hin zur Brennstoffzelle in Baden Württemberg will Untersteller nicht sprechen. Das Thema Batterie spiele nach wie vor eine wichtige Rolle, betonte er.
Unterstützung beim Thema synthetische Kraftstoffe erhält Unterstellers Position von Martin Wietschel vom Fraunhofer ISI. Nach Erhebungen des Instituts liegt der Strombedarf bei Szenarien mit hohen Anteilen an E-Fuels um 50 Prozent über denen mit direkter Stromnutzung. Angesichts des begrenzten heimischen Ökostrom-Potenzials von 800 bis 1000 TWh, das die Kriterien Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt, gehe der Weg laut Wietschel nur über den E-Fuel-Import aus Ländern mit günstigeren Bedingungen.
Brennstoffzellen-Erstmärkte bei LKW und Bussen
Wasser auf die Mühlen der Brennstoffzellen-Aktivitäten des Bundeslands gibt Wietschel bei Lkw und Bussen. Beides seien interessante Erstmärkte für die Technologie. Aufgrund der hohen Fahrleistungen und der Wirkungsgradvorteile gegenüber E-Fuels (35 gegenüber 17 Prozent der Primärenergie werden für den Antrieb genutzt) seien die derzeit noch hohen Preise für die Stack-Systeme „nachrangig zu beurteilen“. Sprich: Gerade im kostensensiblen Logistik-Gewerbe dürfte sich die Brennstoffzelle gegenüber den energieintensiven E-Fuels durchsetzen.
Von positiven Erfahrungen mit Brennstoffzellen wusste indes Thomas Jordan vom Karlsruher KIT zu berichten. Dort fahren zwei, bereits 2010 angeschaffte, Brennstoffzellenbusse seit 2013 im öffentlichen Linienbetrieb zur Anbindung des Institutsgeländes. Laut Jordan absolvierten die beiden Fahrzeuge von Mercedes-Benz ihre Aufgaben über die gesamte Einsatzzeit von mittlerweile sechs Jahren sehr zuverlässig. Der Leiter der Arbeitsgruppe Wasserstoff am KIT beziffert die Verfügbarkeit der beiden Busse auf 90 bis 95 Prozent. Angesichts der Tatsache, dass in einem Linienbus rund 50 Prozent der eingesetzten Energie für Komfortfunktionen wie Heizung und Klimatisierung aufgewendet werden muss, sieht Jordan Grenzen für reine Elektrobusse. Bei Bahn und Lkw geht er sogar davon aus, dass Batterievarianten dort „keinen Stich machen werden“.
Mehr Potenzial wegen Entwicklungsrückstand
In der Gesamtbetrachtung kommt Jordan beim Vergleich des Entwicklungsstandes bei der Herstellung von Brennstoffzellen gegenüber dem von Li-Ionen-Akkus zur Aussage: „Das Potenzial von Brennstoffzellen reicht weiter als das von Batterien.“ Auch das dürfte Wasser auf die Mühlen der HyFab-Aktivitäten im Ländle sein – und mehr als ein Trostpflaster nach der großen Enttäuschung bei der Forschungsfabrik Batteriezelle.
baden-wuerttemberg.de (Absichtserklärung, PDF)
18 Kommentare