Giro-e: Laden mit der Girokarte wird möglich
Möglich wird das durch eine „Giro-e“ genannte Abrechnungslösung der Bochumer GLS Bank. Die Flut an Ladekarten wird das System wohl nicht abschaffen – aber neue Möglichkeiten auf halböffentlichen Parkplätzen und auf Firmengeländen.
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Es ist eine technische Lösung, die die Ladekarten-Flut beenden könnte: Mit dem von der GLS Bank entwickelten „Giro-e“-System kann an Ladesäulen direkt mit der Girokarte bezahlt werden. Am Ladepark Kreuz Hilden nahe der A3 und A46 bei Düsseldorf wurden jetzt die ersten beiden Säulen umgerüstet. „Fast jeder von uns hat eine Ladekarte im Portemonnaie, ohne es zu wissen“, sagt Bäckermeister Roland Schüren, der den Ladepark vor seiner Backstube betreibt. „Wer eine kontaktlose Girokarte hat, kann bei uns jetzt 24/7 laden.“
Bislang konnten die Kunden der Bäckerei für 3,50 Euro je Ladevorgang (Gleichstrom-Schnellladung für 6 Euro) Strom ziehen – da im Verkaufsraum gezahlt werden musste, ging das aber nur während der Öffnungszeiten. Im ersten Schritt hat Schüren eine AC-Säule (2x 22 kW) und einen Triple-Charger mit 50 kW auf Giro-e umgestellt. Dort können Kunden jetzt auch außerhalb der Öffnungszeiten laden, da sie mit ihrer Girokarte abrechnen können.
An der Bäckerei Schüren werden bei einer AC-Ladung neben einer Startgebühr von 35 Cent im Anschluss 19 Cent pro kWh und ein Cent pro Minute berechnet. Die schnellere Gleichstrom-Ladung kostet ebenfalls einmalig 35 Cent und in der Folge 36 Cent pro kWh und zwei Cent pro Minute. Da der Schnelllader noch nicht eichrechtskonform umgerüstet werden kann, wird die Abrechnung des Verbrauchs aktuell automatisch um 20 Prozent reduziert. Die Betreiber können die Preise, Start- und Parkgebühren selbst festlegen, wie Uwe Nehrkorn, Leiter Giro-e bei der GLS Bank, sagt.
Neben der hohen Verfügbarkeit von aktuell über 45 Millionen potenziellen Ladekarten bietet Giro-e noch einen anderen Vorteil: Bei eichrechtskonformen Ladesäulen ist keine Hardware-Änderung nötig. Die vorhandenen Lesegeräte für die Ladekarten an den Säulen können grundsätzlich auch die kontaktlosen Girokarten auslesen. Der Ladevorgang selbst ist denkbar einfach: Wird die Girokarte einmal vor das Lesegerät gehalten, zeigt das Display die anfallenden Preise an. Um diese zu bestätigen, muss der Kunde die Karte ein zweites Mal vor den Kartenleser halten – dann wird der Ladevorgang gestartet.
Kreditkarten dürfen mit Giro-e aktuell noch nicht ausgelesen werden, weil dazu PCI-zertifizierte Kartenleser erforderlich wären. Dies hätte Hardware-Umrüstungen in den Säulen zur Folge und zusätzliche monatliche Kosten, die sich an AC-Ladesäulen mit nur ein bis zwei Ladevorgängen am Tag kaum wieder einspielen lassen und damit den Preis für Betreiber und Nutzer eher erhöhen. „Selbstverständlich haben wir dieses Thema auf unserer Agenda, auch wenn die Akzeptanz der Karten im halböffentlichen Einsatz seltener benötigt wird“, so Nehrkorn. „Wir haben dazu einige Ideen, die wir schon in der Branche versuchen zu platzieren. Aber wir merken auch, dass hier die Kreditkartenwirtschaft anscheinend noch Nachholbedarf hat und die bisherigen Lösungen für Ladeabrechnungen nicht perfekt passen.“
Aktuell arbeitet die GLS Bank mit drei Ladesäulen-Herstellern zusammen: Die beiden bekannteren Unternehmen sind EBG compleo und Ebee aus Berlin. RTB ist in der Elektroauto-Welt noch unbekannt, kann aber künftig eine größere Rolle spielen: Das Unternehmen bietet unter anderem Parkhausausstattungen an und kann so in öffentlichen und privaten Parkhäusern potenziell eine große Anzahl an Ladepunkten errichten. Für GLS-Manager Nehrkorn sind jetzt die Ladesäulen-Hersteller am Zug. „Die Priorität liegt bei den Herstellern zur Zeit noch auf dem Eichrecht“, sagt Nehrkorn. „Wenn das durch ist, kommen wir mit unserem Bezahlsystem.“ Mit zwei weiteren Herstellern befinde man sich in fortgeschrittenen Gesprächen.
Sofern der Prozessor in der Ladesäule genügend Leistung für die verschlüsselte Kommunikation bietet und die Säule selbst eine eichrechtskonforme Messlösung besitzt, kann Giro-e verhältnismäßig einfach implementiert werden. Da die Hardware nicht geändert werden muss, könnten also auch alte Säulen mit einem Firmware-Update „umgerüstet“ werden. Dadurch wird die Echtheit der Girokarte überprüft und eine verschlüsselte Kommunikation zwischen der Ladesäule und dem Backend der Bank etabliert.
Dass die Girokarte ein rein deutsches System ist und ausländische Elektroautofahrer außen vor blieben, wurde in der Entwicklung bedacht: Über ein Web-Portal kann jedes RFID-Gerät mit einer IBAN verknüpft werden – laut Nehrkorn soll das über das Smartphone in wenigen Minuten möglich sein, wenn man bereits an der Ladesäule steht. Und jedes RFID-Gerät heißt jedes RFID-Gerät: Das kann ein Mitarbeiterausweis mit RFID-Chip sein oder sogar ein entsprechendes Fitness-Armband. Da solche Geräte jedoch einen statischen RFID-Code aussenden, sind sie nicht so sicher wie eine Girokarte mit ihrem privaten Schlüssel – der statische Code könnte kopiert werden.
Für die Betreiber ist der Betrieb einer Giro-e-Ladesäule mit geringen Kosten verbunden: Neben der Anschaffung und Installation der Säule benötigen sie ein Geschäftskonto bei der GLS Bank. Das kostet neben einem obligatorischen Jahresbeitrag von 60 Euro 7,50 Euro im Monat – also Fixkosten von 12,50 Euro. Darin ist die Software und die Nutzung des Backends enthalten. Pro Ladevorgang werden dann 29 Cent (netto) abgerechnet. Je nach Projektgröße kommen einmalig Onboarding-Kosten von 499 Euro hinzu.
Wird Giro-e die künftig dominierende Abrechnungsform, die der Flut an Ladekarten ein Ende bereitet? (Leider) eher nicht. Große Betreiber eigener Ladenetze wollen mit den Ladekarten eine gewisse Kundenbindung erzielen. Die Zielgruppe für Giro-e ist eine andere: Zum einen halböffentliche Parkplätze vor Einkaufs- oder Freizeitstätten wie etwa Kinos, Schwimmbäder, Einkaufszentren oder eben der Bäcker Schüren. Zum anderen sind das Unternehmen, die ihre Mitarbeiter-Parkplätze aufrüsten wollen – ein potenziell großes Geschäftsfeld.
„So kann der Strom von Anfang an sauber und einfach abgerechnet werden“, sagt Nehrkorn. Zahlen die Mitarbeiter einen vorher festgelegten Preis pro kWh direkt mit ihrer Girokarte, erspart das eine aufwändigere Lohnabrechnung mit geldwertem Vorteil – oder die Missgunst von Verbrenner-Fahrern, wenn der Strom kostenlos abgegeben wird. Start-, Park- und Nutzungsgebühren wie auch eventuelle Rabatte können von dem Betreiber – in diesem Fall also dem Unternehmen selbst – festgelegt werden.
Eine Abrechnung mit einer Parkgebühr nach Ende des Ladens, wie sie etwa Tesla an den Superchargern nutzt, ist mit Giro-e allerdings nicht möglich. „Die Eichbehörden verlangen bei zusätzlichen Gebühren, dass auf der Rechnung auch der genaue Zeitpunkt festgehalten wird, ab dem eine Parkgebühr erhoben wird“, sagt Nehrkorn. „Dazu bräuchten wir aber ein Signal von der Ladesäule, wann das Auto vollständig geladen ist und nur noch parkt. Diesen Wert gibt es im aktuellen Protokoll aber nicht.“ Dort gibt es nur zwei Signale: Beim Start und Ende des Ladevorgangs (an dem das Kabel wirklich entfernt wird) mit dem jeweiligen Zählerstand – aber eben nicht das Signal, sobald kein Strom mehr fließt. Laut Eichrecht also: Ganz oder gar nicht.
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