Krüger-Nachfolge: Oliver Zipse wird neuer BMW-Chef

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Mit dem i3 hatte BMW einst in Deutschland einen Vorsprung bei der Elektromobilität. Da aus München jedoch keine neuen Modelle kamen, haben die Premium-Konkurrenten Mercedes und Audi inzwischen aufgeholt. Und Tesla ist mit dem Model 3 sogar enteilt. Der neue Chef Oliver Zipse braucht dringend eine neue Elektro-Strategie.

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Rückblickend kann man es unter „Too little, too late“ verbuchen: Als Noch-BMW-Chef Harald Krüger Ende Juni rund um den neuerlichen E-Auto-Gipfel im Kanzleramt verkündete, dass BMW seine Elektro-Ziele jetzt zwei Jahre früher erreichen wolle, war es schon zu spät. Die bislang für 2025 angekündigte Zahl von 25 elektrifizierten Modellen wolle das Unternehmen nun bereits 2023 und damit zwei Jahre früher im Angebot haben.

Alleine die Tatsache, dass BMW bei seiner Elektro-Strategie plötzlich derart aufs Tempo treten muss, macht klar, dass der einstige Vorsprung dahin ist. Als Krüger 2015 den Vorstandsvorsitz übernahm, hatte der Konzern mit dem i3 bereits ein innovatives Elektroauto im Angebot. Die Konkurrenz hatte – über Jahre – nichts Vergleichbares. Während Mercedes und Porsche ihre ersten Großserien-Elektroautos nun an den Start rollen, Audi den e-tron quattro bereits verkauft und selbst der kleine Jaguar ein E-SUV mit respektablen Leistungsdaten anbietet, hat BMW unter Krüger zu zögerlich agiert und den Anschluss verpasst.

Große Herausforderungen

Hier warten auf Oliver Zipse einige Aufgaben. Der bisherige Produktionsvorstand, der vom BMW-Aufsichtsrat zum neuen Chef bestimmt wurde, muss nicht nur im Tagesgeschäft aufholen und bei den gesamten Verkaufszahlen zu Mercedes-Benz aufschließen – auch hier hatte Krüger den Vorsprung verloren. Im wichtigen Zukunftsfeld der Elektromobilität müssen wichtige Richtungsentscheidungen getroffen – oder revidiert – werden.

Offiziell übernimmt Zipse zum 16. August den Vorstandsvorsitz, wie BMW am späten Donnerstag mitteilte. Noch-Chef Harald Krüger wird zum 15. August aus dem Vorstand ausscheiden. Wer Zipse als Produktionsvorstand nachfolgen wird, ist noch nicht bekannt. In der Mitteilung äußerte sich BMW nicht zur Zukunft von Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich: Der versierte Motoren-Entwickler, der sich selbst Hoffnungen auf den Vorstandsvorsitz gemacht hatte, hatte schon im Vorfeld der Entscheidung verlauten lassen, „mit Leidenschaft Entwicklungschef zu sein“. Zuletzt stand im Raum, dass der Vertrag des 59-Jährigen als Vorstand für Forschung und Entwicklung nochmals verlängert werden könnte, auch über die BMW-interne Altersgrenze von 60 Jahren hinaus. Ob das so kommt oder Fröhlich bald in den Zwangs-Ruhestand geht, war am Donnerstag noch unklar.

Zur Ausgangslage für Neu-Chef Zipse: Seit dem i3, der 2013 auf den Markt gekommen ist und seitdem mit zwei Akku-Updates auf dem Stand der Technik gehalten wurde, hat BMW kein neues Batterie-elektrisches Auto mehr auf den Markt gebracht. Geplante und technisch mögliche Ableger auf der Kohlefaser-Plattform hatte Krüger gestrichen – zu teuer. Der kürzlich vorgestellte Mini Cooper SE fällt auch nicht so wirklich unter die Kategorie neues Elektroauto: Er nutzt die Technik aus dem i3s. Unter der Hauptmarke BMW gab es seitdem nur Plug-in-Hybride. Neben dem Elektro-Mini sind für die Jahre 2020 bis 2022 noch der i4, iX3 und die Serienversion des iNEXT in der Pipeline. Wahrscheinlich ist inzwischen auch ein zweites Elektroauto von Mini, das unterhalb des Cooper SE positioniert wird.

Darauf kann und muss der 55-jährige Zipse aufbauen. Eine Grundsatz-Entscheidung von Krüger, die Zipse bereits als Produktionsvorstand mitgetragen hat, könnte sich dabei noch auszahlen: Anstatt wie Audi mit der e-tron-Fertigung in Brüssel oder Porsche mit der neuen Taycan-Fertigung eigenständige Werke oder Produktionslinien für Elektroautos zu betreiben, ermöglicht es der BMW-Baukasten, dass alle Antriebsarten gemeinsam auf einer Linie gefertigt werden können. Das macht die Einführung neuer Modelle beziehungsweise die Anpassung der Produktionszahlen im Verhältnis zu den Verbrennern deutlich einfacher – und sorgt auch für eine konstantere Auslastung der bestehenden Werke, was für die Unterstützung im Aufsichtsrat nicht zu vernachlässigen ist.

Keine Zukunft für den i3?

In dieses Bild passt ein Medienbericht aus England: Es ist möglich, dass der i3 trotz stetig steigender Verkaufszahlen keinen Nachfolger erhält. „Es lässt sich schwer sagen, ob der i3 einen direkten Nachfolger erhält, da die Elektrifizierung mehr in Richtung des Mainstreams geht – etwa mit dem kommenden iX3“, sagte Vertriebsvorstand Pieter Nota im Gespräch mit dem britischen Magazin „AutoExpress“. „Der i3 hatte eine Pionier-Rolle – er leitete den Elektrifizierungs-Plan von BMW ein, die Elektrifizierung wird nun aber massenkompatibel.“ Und das heißt, dass es eine eigene Plattform für den i3 mit seiner Elektro-Architektur und Kohlefaser-Karosserie wohl nicht mehr geben wird.

Offen ist aber, wie gut die Fahrzeuge auf Basis dieses Misch-Baukastens im Vergleich zu dezidierten Elektroautos („Purpose Design“) sein werden. Ein Beispiel: Während der iX3 auf dem bekannten X3 basiert und zahlreiche Merkmale sowie grundsätzliche Abmessungen von diesem übernimmt, bringt Konkurrent Audi mit dem Q4 e-tron bald ein Elektro-SUV auf MEB-Basis. Damit kann der Audi potenziell Vorteile einer reinen Elektro-Architektur ausspielen, während dem iX3 in gewissen Punkten (etwa bei der Motoraufhängung und -position, der Kühlung und Lufteinlässe sowie im Innenraum) die Hände gebunden sind. BMW wird solche Punkte in der Entwicklung bedacht und in Kauf genommen haben. Sollte sich das MEB-Konzept durchsetzen, darf Zipse eine radikale Entscheidung nicht scheuen – auch wenn es gegen sein eigenes Produktionssystem ist.

Exodus der Elektro-Vordenker

Wie sehr die Person des Vorstandsvorsitzenden selbst in einem Konzern mit weltweit über 100.000 Mitarbeitern das Schicksal eines Unternehmens in einem Feld wie der Elektromobilität beeinflussen kann, zeigt ausgerechnet BMW selbst. Als Krüger 2015 vom Produktionschef zum Vorstandsvorsitzenden befördert wurde, war das eine Zäsur für die Elektro-Sparte BMW i: Der damalige Entwicklungsvorstand Herbert Diess hatte die Elektromobilität bei BMW entscheidend vorangebracht – schon in seiner Zeit als Einkaufsvorstand hatte er BMW i hausintern gestärkt. Nach seiner Niederlage im Duell um die Nachfolge an der Vorstandsspitze setzte sich Diess nach Wolfsburg ab – die anstehende Elektro-Offensive dort trägt folglich seine Handschrift.

Bei BMW hingegen ging wenig voran: Der zurückhaltende Krüger – von den Großaktionären der Familie Quandt genau wegen dieser Eigenschaft dem fordernden Diess vorgezogen – investierte deutlich weniger in dieses Zukunftsfeld mit ungewisser Rendite. SUV wie der X3 und X5 ließen sich besser verkaufen, mit fetter Marge und großem Verbrennungsmotor. In der Folge verließen führende Köpfe von BMW i – darunter Manager wie Carsten Breitfeld, Benoit Jacob oder Dirk Abendroth die Münchner. Damit ging reichlich Elektromobilitäts-Expertise verloren. Dafür entscheidend mitverantwortlich war Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, berichten Insider. Dass ihn Weggefährten hinter vorgehaltener Hand Kolben-Klaus nennen, wird seine Gründe haben.

Bewahren konnte sich BMW immerhin die hohe Fertigungstiefe bei zentralen Komponenten im elektrischen Antriebsstrang. Ob E-Maschine, Leistungselektronik oder Batteriemontage – all diese Felder beherrschen die Ingenieure und produzieren sie für die Plug-in-Hybriden in respektabler Stückzahl. Einige Weichen zur Beschleunigung der Vorgänge wurden in den vergangenen Wochen bereits gestellt: Mit Jaguar Land Rover wollen die Münchner gemeinsam Elektroantriebe entwickeln, mit Erzrivalen Daimler eine Plattform für das autonome Fahren aufbauen – beide Projekte hat Entwicklungsvorstand Fröhlich vorangetrieben.

Diesen Erfahrungsschatz zu heben und in rein elektrische Großserien-Automodelle – womöglich auf neuen Plattformen – zu transferieren, wird die Aufgabe von Zipse sein. Denn Tesla und die zahlreichen Newcomer aus Fernost warten nicht.

Update 17.08.2019: Der neue BMW-Chef Oliver Zipse hat am Freitag wie vor rund einem Monat angekündigt sein Amt als Nachfolger von Harald Krüger angetreten. Bisher war der 55-Jährige als Produktionschef für die weltweit 31 BMW-Werke verantwortlich.  „Mit Oliver Zipse übernimmt ein führungsstarker Stratege und Analytiker den Vorstandsvorsitz“, hatte Aufsichtsratschef Norbert Reithofer erklärt. Er werde für „zusätzliche Impulse bei der Gestaltung der Mobilität der Zukunft“ sorgen. Oliver Zipse werde allerdings „nicht von heute auf morgen alles über den Haufen werfen“, hieß es aus dem Unternehmen.
bmwgroup.com, automobilwoche.de (Update)

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