Nio-Gründer Jack Cheng verlässt das Elektroauto-Startup
Die Probleme bei dem chinesischen Elektroauto-Startup Nio scheinen sich zu häufen: Die Auslieferungen sinken, die finanziellen Belastungen steigen – und jetzt hat auch der Firmengründer und frühere Vizepräsident Jack Cheng das Unternehmen verlassen.
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Chengs Abgang wurde laut einem Bericht der „Financial Times“ am Mittwoch intern verkündet. Gegenüber der Belegschaft wurde das Ausscheiden als „altersbedingt“ begründet. Zuletzt war der Firmengründer für die Fahrzeugentwicklung, das Lieferkettenmanagement und die Fertigung verantwortlich.
Selbst wenn der Grund tatsächlich Chengs Alter ist, trifft der Abgang des Gründers und wichtigen Managers das Unternehmen in einer schwierigen Phase. Im Gegensatz zu Projekten wie Qoros oder Faraday Future galt Nio als solide geführt und gut finanziert – und wurde nicht nur wegen des Ansatzes, über Premium-Elektroautos langsam in das Volumensegment vorzustoßen, mit Tesla verglichen. Der Börsengang in New York brachte dem Unternehmen eine Milliarde Dollar ein.
Doch in letzter Zeit nahmen die negativen Schlagzeilen zu: Obwohl mit dem ES6 in China inzwischen auch ein kleineres Modell auf dem Markt ist, haben sich die Auslieferungen im zweiten Quartal auf 3.984 Fahrzeuge halbiert. Die Pläne zum Bau einer Fabrik nahe Shanghai wurden aufgegeben – das brachte dem Unternehmen Sammelklagen von US-Investoren ein, die sich beim Börsengang falsch informiert gefühlt haben. Da wurde die Fabrik noch als entscheidend für den Geschäftserfolg angepriesen.
Wie das Unternehmen in diesem Monat gegenüber der „FT“ bestätigte, werden noch 2019 weltweit 1.000 Stellen wegfallen, was rund zehn Prozent der Belegschaft entspricht. Hochrangige Manager wie die Software-Chefin Li Zhang, Großbritannien-Chefin Angelika Sodian und US-Chef Padmasree Warrior haben Nio in den vergangenen Monaten bereits verlassen. Zudem wurde im Mai eines von zwei Büros im Silicon Valley geschlossen, 70 Mitarbeiter mussten gehen. Zudem hat Nio gegenüber der Wirtschaftszeitung bestätigt, dass man sein Formel-E-Rennteam verkauft habe – über die Gerüchte hatten wir bereits in unserem täglichen Newsletter berichtet. Der Formel-E-Auftritt hatte für internationale Schlagzeilen gesorgt, denn (damals noch unter dem Namen NextEV) hatte das Team mit Nelson Piquet jr. in der Saison 2015 den Titel gewonnen.
In dieser Gemengelage ist der Aktienkurs des Unternehmens in diesem Jahr um 54 Prozent gesunken.
Von der „FT“ befragte Analysten führen die Lage bei Nio auf die allgemeine Marktsituation für Elektroautos in China zurück, aber auch hausgemachte Probleme. Nachdem die Regierung die Zuschüsse für New Energy Vehicles Ende Juni gekürzt hatte, ging der Absatz von Elektroautos etwas zurück. Zudem bringen etablierte Autohersteller und auch die Joint Ventures mit ausländischen Autobauern immer mehr E-Modelle auf den Markt – die Konkurrenz wächst also.
Einige der Probleme gehen aber auf Nio selbst zurück: Da bei drei Exemplaren des ES8 die Batterie in Brand geraten war, musste Nio 4.800 Fahrzeuge zurückrufen und die Batterien tauschen. Das war nicht nur teuer, sondern hatte auch die Produktion belastet: Mangels Batterien für die Neuwagen konnten im Juli nur 837 Autos ausgeliefert werden.
Zudem hat Nio einige kostspielige Projekte gestartet, etwa die Clubhouses, die Nio-Kunden mit ihren Freunden nutzen können. Oder den Aufbau von Batteriewechselstationen entlang eines Korridors zwischen Peking und Shanghai. An diesen können die Akkus der E-Autos von Nio nach Angaben des Herstellers innerhalb von drei Minuten gegen volle ausgetauscht werden.
Bleibt abzuwarten, ob das Sparprogramm greift und das Management das Ruder herumreißen kann. Zuletzt wurden die ersten ES8 auch in Deutschland vorgeführt und haben dabei einen guten Eindruck hinterlassen. Neue Märkte außerhalb Chinas zu erschließen, könnte eine Möglichkeit sein. Aber auch ein Marktstart kostet viel Geld und ist nicht so einfach zu stemmen, wie Tesla mit dem Model 3 in Europa gezeigt hat.
Update 26.08.2019: Inzwischen hat Nio den Stellenabbau bestätigt – es fallen noch mehr Arbeitsplätze weg als zunächst berichtet. In einem Schreiben an die Mitarbeiter verkündet CEO Li Bin, dass das Unternehmen bis Ende September weltweit 1.200 Arbeitsplätze abbauen werde. „Die bereinigte Mitarbeiterzahl des Unternehmens liegt bei rund 7.500“, so Li. Im März sprach Li noch davon, dass Nio derzeit 9.800 Mitarbeiter habe – damit werden alleine 2019 mehr als 2.300 Stellen wegfallen.
ft.com, chinapev.com (Update)
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