Mercedes EQV: 405 km Reichweite für den Premium-Elektro-Van
Nach dem eVito und eSprinter bringt Mercedes-Benz Vans mit dem EQV einen Elektro-Van, der sich auch an Privatkunden richtet. Im Vorfeld der IAA wurde jetzt die Serienversion präsentiert.
Die technischen Daten des Serien-EQV entsprechen weitgehend der Studie, die Mercedes noch im März auf dem Genfer Autosalon gezeigt hatte: Die Reichweite geben die Stuttgarter vorläufig mit 405 Kilometern nach NEFZ an, die finale Zulassung mit offiziellen WLTP-Werten steht noch aus. Deshalb ist der Verbrauch von 27,0 kWh auf 100 Kilometer ebenfalls vorläufig. Der 150 kW starke Elektromotor, die Leistungselektronik und das Getriebe mit fester Übersetzung sitzen dicht gepackt vorne im Motorraum. Damit ähnelt das Antriebskonzept der elektrischen V-Klasse dem des eVito.
Die Lithium-Ionen-Batterie ist im Unterboden des Fahrzeugs montiert und beeinflusst somit nicht den Innenraum. Die Brutto-Kapazität liegt bei 100 kWh, nutzbar davon sind laut der Mitteilung 90 kWh. Der Onboard-Lader von Delphi ermöglicht ein dreiphasiges AC-Laden mit bis zu 11 kW. Die DC-Ladeleistung gibt Mercedes mit maximal 110 kW an, nennt aber auch eine Ladezeit von 10 auf 80 Prozent von „unter 45 Minuten“. Die maximale Ladeleistung wird also ab einem gewissen Punkt abgeregelt, über den genannten SoC-Bereich liegt sie aber immer noch bei 84 kW. Viele Details zum Akku waren den Verantwortlichen bei der Premiere nicht zu entlocken. Nur so viel: Der Speicher besteht aus drei Strängen mit jeweils sechs Modulen und wird inklusive der Zellen von einem Zulieferer gefertigt. Somit entsteht der Akku anders als bei anderen Mercedes-Modellen nicht bei der ACCUmotive in Kamenz. Die Vans-Abteilung legt dennoch wert auf die Feststellung, dass es sich um eine „Eigenentwicklung“ handelt.
Ein wichtiges Detail: Der CCS-Ladeanschluss sitzt beim EQV im vorderen Stoßfänger links und macht den Wagen damit zum ersten „Nasen-Lader“ von Mercedes. Wobei dieser Begriff aufgrund der Anordnung an der linken Ecke vielleicht nicht ganz treffend ist. „Wir wollten den Anschluss unbedingt vorne platzieren, da die HPC-Ladestationen an Autobahnen oftmals an der Spitze der jeweiligen Parkplätze stehen“, erklärte Benjamin Kaehler, Leiter eDrive@Vans, im Gespräch mit electrive.net den ungewöhnlichen Ort. Beim eVito, den wir kürzlich ausführlich testen konnten, sitzt der Ladeanschluss noch hinter der Fahrertüre – so kann das Ladekabel im ungünstigen Fall die Tür blockieren. A propos eVito: Der EQV wird zusammen mit den anderen Varianten der V-Klasse und des Vito im nordspanischen Vitoria gefertigt.
Mit der Unterboden-Batterie bleibt die volle Variabilität im Innenraum erhalten und ermöglicht viele Sitzkombinationen. Mit zwei Einzelsitzen im Fond bietet der EQV beispielsweise einen Kompromiss zwischen Komfort und Laderaum für Familien. Mit vier Einzelsitzen wird er zum repräsentativen Shuttle-Fahrzeug, etwa für Hotelflotten oder Ridesharing-Dienste wie den BerlKönig in Berlin. Die Einzelsitze können aber auch durch Sitzbänke ersetzt werden, womit der EQV zum 7- oder gar 8-Sitzer wird. Wer die Sitze für Transportzwecke ausbauen will: Das zulässige Gesamtgewicht liegt bei 3,5 Tonnen. Der Haken: Mercedes nennt derzeit noch nicht das Leergewicht des EQV, die Zuladung ist also unklar. Was auch an den vielen Möglichkeiten bei der Ausstattung liegt. Die Batterie selbst bringt übrigens zwischen 600 und 700 Kilo auf die Wage.
Wie schon beim EQC und den kürzlich vorgestellten PHEV-Versionen der A- und B-Klasse setzt Mercedes im EQV auf verschiedene Rekuperations-Modi. Diese können über die Schaltwippen am Lenkrad ausgewählt werden. Im D-Auto-Modus nutzt der EQV Navigationsdaten, Verkehrszeichenerkennung und Informationen der Intelligenten Sicherheitsassistenten (Radar und Kamera) und passt den Grad der Rekuperation selbstständig an, um möglichst effizient zu fahren und viel zu segeln.
Nicht nur bei der Technik hat Mercedes im Gegensatz zu der Genfer Studie wenig geändert, auch die damals schon seriennahe Optik bleibt größtenteils erhalten. Am Auffälligsten ist der Kühlergrill mit dem integrierten LED-Band, das als Wiedererkennungsmerkmal der EQ-Fahrzeuge etabliert werden soll. Von der Verbrenner-V-Klasse unterscheidet sich der EQV auch durch spezielle 18-Zoll-Felgen im EQ-Design.
Auch im Innenraum sind die Unterschiede marginal, Akzente und Ziernähte in Roségold sollen das Elektromodell als solches erkennbar machen. Diese Farbe haben die Mercedes-Designer ausgewählt, um für die Wertigkeit und Elektrifizierung zu stehen – sie wird uns in künftigen EQ-Modellen also noch öfter begegnen.
Einen Preis für den EQV hat Mercedes in der Pressemitteilung noch nicht genannt. Bleibt noch die Frage nach den Zielgruppen- und Märkten. Benjamin Kähler nennt Städte mit Zufahrtsbeschränkungen wie London. Auch auf gewerbliche Anwendungen wie Shuttle-Dienste hat sein Team ein Auge geworfen. Marcus Breitschwerdt, der neue Chef der Vans-Sparte von Mercedes, will aber auch umweltbewusste und gut verdienende Privatkunden gewinnen. Als Alibi-Angebot will er den EQV nicht verstanden wissen. Und so traut Breitschwerdt seinem elektrischen Neuling „rund 20 Prozent Anteil“ am Absatz der V-Klasse zu. „Einen Marketing-Gag können wir uns gar nicht leisten“, sagte er auf Nachfrage am Rande der Präsentation. Man kann also durchaus auf Stückzahlen hoffen, wenn es Mitte des nächsten Jahres losgeht mit der Produktion. In Norwegen wird gewiss die eine oder andere Großfamilie hellhörig werden.
daimler.com
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