Was das Klimaschutzpaket für die Elektromobilität bedeutet
So umstritten das Klimaschutzpaket, welches man wohl eher als Päckchen bezeichnen kann, auch ist: Für die Elektromobilität dürften goldene Zeiten anbrechen. Denn ihre Förderung steht im Zentrum der Bemühungen um eine Reduktion der Emissionen im Verkehrssektor. Ein Überblick.
Da die Große Koalition sich nicht dazu durchringen konnte, mit einem hohen CO2-Preis die Nutzung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren unattraktiver zu machen oder gar einen Ausstieg aus dieser Technologie einzuleiten, muss die Förderung der Elektromobilität auf der Anreiz-Seite als zentrale Stütze des Klimaschutzpakets im Verkehr herhalten. Auf folgende Punkte hat sich das Klimakabinett verständigt:
Ausbau der Ladeinfrastruktur
Die Zahl von 1 Million Ladestationen bis 2030 geisterte zuletzt häufiger durch die Gazetten. In den Umlauf gebracht wurde sie vom VDA. Fachleute halten einen solch üppigen Ausbau der Ladeinfrastruktur allerdings für völlig überzogen, hinter den Kulissen wurde das der Politik mehrfach kommuniziert. Im Klimaschutzprogramm ist deshalb nur noch von insgesamt 1 Million Ladepunkten die Rede – ein kleiner Unterschied in der Bezeichnung mit großer Wirkung für den Ausbaupfad. Da die allermeisten Ladestationen mindestens zwei Ladepunkte bieten, größere Multi Charger sogar bis zu vier, wird der Zielkorridor etwas enger. Bis 2025 sollen die entsprechenden Fördeprogramme weiterlaufen. Zusätzlich soll noch in diesem Jahr ein „Masterplan Ladesäuleninfrastruktur“ vorgelegt werden, der aufzeigen soll, wie mit ordnungsrechlichen Maßnahmen auch dort Ladestationen entstehen können, in denen eine „bedarfsgerechte Versorgung marktgetrieben nicht erfolgt“. Soll heißen: Die Lücken auf dem Land sollen irgendwie verschwinden. So soll eine „Versorgungsauflage“ regeln, dass „an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden“. Zudem soll es bei „regionalem Marktversagen“ den Verteilnetzbetreibern ermöglicht werden, öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur zu errichten – ein Novum. Hier hat offensichtlich das Hamburger Modell bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verfangen. Immerhin: Die VNB sollen auch dazu angereizt werden, in die Intelligenz und Steuerbarkeit der Netze zu investieren, um Engpässe in Ortsnetzen zu vermeiden.
Um die Einrichtung von Ladestationen auf Kundenparkplätzen zu ermöglichen, soll es einen Förderaufruf mit abgesenkten Fördersätzen geben, weil die entstehenden Lader nicht 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen. Gemeinschaftlich genutzte private und gewerbliche Ladeinfrastruktur (etwa in Mehrfamilienhäusern und auf Mitarbeiterparkplätzen) soll ebenfalls gefördert werden, ebenso wie private Stationen mit einem Handwerkerbonus. Die Reform des Wohneigentumsgesetzes (WEG) zur Erleichterung des Aufbaus von Ladeinfrastruktur etwa in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern wird ebenfalls erwähnt, dort soll das Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden. Zudem sollen Vermieter verpflichtet werden, die Installation von Ladeinfrastruktur zu dulden. Zusätzlich sollen Hürden abgesenkt werden. Hier belässt es das Klimaschutzprogramm aber bei der Nennung von Stichworten wie beschleunigter Netzanschluss, Rechtsicherheit bei der Berechnung von Umlagen und Steuerbarkeit/Lastmanagement für netzdienliches Laden.
Interessantes Detail: Um den Hochlauf der Elektromobilität auf Kommunal-, Länder- und Bundesebene besser zu koordinieren, soll eine „Nationale Leitstelle“ für Elektromobilität eingerichtet werden. Eine solche fehlte bisher gänzlich.
Anschaffung von Elektroautos
Das Klimaschutzprogramm übernimmt den schon bekanten Zielkorridor von 7 bis 10 Millionen zugelassenen Elektro-Fahrzeugen bis 2030. Wie vorab schon bekannt wurde, wird die Dienstwagenregelung (Stichwort: 0,5%-Regel) für Stromer und Plug-in-Hybride bis 2030 verlängert. Die Dienstwagensteuer soll für reine Elektrofahrzeuge bis zu einem Preis von 40.000 Euro sogar noch weiter sinken – von 0,5% auf 0,25 Prozent. Das wird vor allem der elektrischen Kompaktklasse rund um den Volkswagen ID.3 zu noch mehr Attraktivität verhelfen. Allerdings wird die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer nur bis zum 31. Dezember 2025 verlängert und die 10-jährige Dauer der Steuerbefreiung bis Ende 2030 begrenzt.
Der Umweltbonus für die Anschaffung von Elektroautos, Plug-in-Hybriden und Brennstoffzellen-Fahrzeugen soll über das Jahr 2021 hinaus ebenfalls verlängert werden – und für Autos unter 40.000 Euro sogar steigen. Ein konkreter Wert steht allerdings noch nicht im Klimapaket. Von einer Elektroauto-Quote, die insbesondere die SPD wollte, ist gar nicht die Rede.
Förderung von elektrischen Nutzfahrzeugen
Das Personenbeförderungsgesetz soll derart novelliert werden, „dass Länder und Kommunen Emissionsanforderungen für Busse, Taxen und Mietwagen“ festlegen können. Es wäre also denkbar, dass Großstädte wie Berlin oder Hamburg ab einem bestimmten Stichtag nur noch elektrischen Fahrzeugen dieser Art eine Betriebsgenehmigung erteilen. Ferner soll die „Modernisierung und klimaschonende Umrüstung von Busflotten“ weitergehen und insbesondere die Förderung von Bussen mit Elektro- und Brennstoffzellen-Antrieben verstärkt werden. Konkreter wird das Papier leider nicht.
Auch der Lkw-Verkehr soll CO2 einsparen, bis 2030 soll „etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe“ erfolgen. Auch für elektrifizierte Lkw, ob nun mit Batterie oder Brennstoffzelle an Bord, will die Bundesregierung die Infrastruktue ausbauen, bleibt aber ansonsten noch vage. Bei der LKW-Maut sollen klimaschonende Antriebe weiter bevorzugt behandelt werden, indem ein CO2-Aufschlag für die Verbrennerfraktion an den elektrifizierten Lkw vorbeigeht.
Derweil geht die Bundesregierung von einer steigenden Bedeutung der Brennstoffzelle für Lkw und andere schwere Nutzfahrzeuge aus. Deshalb sollen die Rahmenbedingungen für die Wasserstoff-Elektrolyse und Raffinerieprozesse zur Erzeugung von strombasierten klimaneutralen Gasen und Kraftstoffen verbessert werden. „Mittel- und langfristig muss auch die Brennstoffzellentechnologie auf Wasserstoffbasis im Mobilitätssektor zu einer breiten Anwendung gelangen.“ Deshalb soll bis zum Jahresende eine Nationale Wasserstoffstrategie stehen.
Binnenschifffahrt und Landstrom
Der Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehr soll steigen, die Antriebe möglichst sauberer werden. Deshalb will die Bundesregierung Umlagen für Landstrom senken und emissions- und luftschadstoffärmere Kraftstoffe „vorübergehend“ fördern. Anders als auf der Straße (mit ihren mächtigen Lobbygruppen im Hintergrund) traut sich die Große Koalition hier auch an den Begriff des „Ordnungsrechts“ heran. So heißt es: „Bei Seehäfen wird eine Initiative zur EU-weiten Einführung einer Landstrompflicht gestartet, bei Binnenhäfen wird eine nationale Regelung geprüft.“ Man stelle sich solche Aussagen bezogen auf den Straßenverkehr vor…
Batterieproduktion
Die Altmaier-Milliarde hat auch Einzug in das Klimaschutzprogramm gefunden. „Um die ganze Wertschöpfungskette der Elektromobilität in Deutschland und Europa abzubilden, wird die Ansiedlung von zukunftsfähigen Batteriezellfabriken unterstützt“, heißt es etwa. Ferner sollen Zulieferer „mit geeigneten Instrumenten bei der anstehenden Transformation ihrer Branche“ unterstützt werden. Was das genau heißen soll, bleibt vorerst nebulös.
Sektorkopplung
Die Verknüpfung der Sektoren soll gefördert, bisherige Hürden dazu gesenkt werden. „Deshalb werden Speicher von bestehenden Umlagen befreit und erhalten den Letztverbraucherstatus“, heißt es im Klimaschutzpaket. Ob das auch für mobile Speicher, also die Batterien von Elektroautos, gilt – unklar.
Was nicht genannt wird
Neben einer Elektroauto-Quote hat die Bundesregierung auch eine Reduzierung der Diesel-Subventionen mit keiner Silbe erwähnt. Das Klimaschutzpaket sorgt also nur für Zuckerbrot (bei der Elektromobilität) und lässt die Peitsche stecken. Freiwilligkeit geht vor Zwang. Dieses Geschenk an die Wähler werden diese vermutlich in der Breite goutieren, dem Klimaschutz im Verkehr aber wird kaum geholfen. Eine echte Verkehrswende lässt sich durch die nur sehr niedrige CO2-Bepreisung kaum einleiten. Immerhin wird ein signifikanter Teil des Verkehrsgeschehens elektrifiziert. Es deutet aber alles darauf hin, dass die Bundesregierung mit diesem Klimaschutzprogramm den großen Wurf im Verkehrsbereich aus Rücksicht auf Automobilindustrie und Autofahrer verpasst hat – und das Automobil weiterhin das dominante Verkehrsmittel bleibt.
bundesregierung.de (Übersicht), bundesregierung.de (Klimaschutzprogramm als PDF)
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