KIT-Professor Doppelbauer fordert Fokus auf Elektroautos
Im öffentlichen Diskurs um den Antrieb der Zukunft legt KIT-Professor Martin Doppelbauer jetzt ein lesenswertes Strategiepapier vor. Es räumt mit vielen Vorurteilen sowie falschen Erwartungen auf. Und geht in Widerspruch zu vielen Äußerungen der vergangenen Monate. Wir haben mit dem Experten gesprochen.
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Doppelbauer, der seit 2011 die Professur für Hybridelektrische Fahrzeuge am Elektrotechnischen Institut (ETI) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) innehat, bezieht in seinem „Strategiepapier“ eindeutig Stellung pro Batterie-elektrische Pkw. Solche Elektroautos „sind der einzig gangbare Weg in eine abgasfreie und CO2-emissionsarme Zukunft der individuellen Mobilität“, so Doppelbauer. Den Aufbau einer „Pkw-Tankstelleninfrastruktur für Wasserstoff“ bezeichnet der Elektrotechniker gar als „Unsinn“ und untermauert seine klare Haltung mit einer breiten Betrachtung der beiden Antriebsformen und ihrer ökologischen wie ökonomischen Rahmenbedingungen. Auch der gerade wieder viel diskutierte Rohstoff-Bezug wird beleuchtet. Der Brennstoffzelle gibt Doppelbauer übrigens trotz aller Vorbehalte eine Chance – in schweren Nutzfahrzeugen, die „viel Energie über einen langen Zeitraum benötigen“. Sein Strategiepapier können Sie hier herunterladen:
Herr Doppelbauer, Sie haben einen „wissenschaftspolitischen Text“ veröffentlicht, der mit vielen Vorurteilen rund um Elektromobilität aufräumt. Was war Ihre Motivation dafür?
Doppelbauer: Erfreulicherweise nimmt die Elektromobilität nun so langsam Fahrt auf und erreicht ein breiteres Publikum. Da stellen sich natürlich und berechtigterweise viele Menschen die Frage, ob Elektromobilität praktisch funktioniert und ob sie wirklich so umweltfreundlich ist. Leider gibt es Interessensgruppen, die lieber an fossilen Kraftstoffen festhalten möchten und da wird manches falsch oder zumindest verfälscht oder unvollständig dargestellt. Jüngst gab es einige ganz prominente Beispiele im Fernsehen und in großen Online-Magazinen. So entstand der Gedanke, in einem relativ kompakten Papier einmal alle Fakten aufzuführen und vor allem auch einen Zusammenhang herzustellen.
Ist die deutsche Gesellschaft überhaupt schon bereit für Elektromobilität? Am Stammtisch dominiert ja weiter Skepsis. Und Möchtegern-Experten wie Prof. Hans Werner Sinn (ein Ökonom, kein Techniker) und Mario Barth (ein Komiker) bestimmen den öffentlichen Diskurs.
Doppelbauer: Ich bin da nicht so pessimistisch gestimmt. Natürlich haben gerade die Bedenkenträger und Komiker Oberwasser. Das ist wohl immer so, wenn sich etwas Fundamentales ändert. Das wird besser, wenn die Elektromobilität in der breiten Masse angekommen ist. Je normaler Elektroautos im Verkehrsbild werden, um so mehr Menschen werden sich dafür entscheiden. Die Vorteile sind ja vielfältig und für jeden sofort erlebbar.
Wenn man Ihren Text liest, kommt man zu dem Schluss, dass einzig Batterie-elektrische Autos unter CO2-Gesichtspunkten Sinn machen. Liegt Volkswagen mit dem Produktionsstart der ID-Baureihe also richtig?
Doppelbauer: Diese Linie wird ja inzwischen von der gesamten deutschen Automobilindustrie vertreten. Der Volkswagen-Konzern ist da am deutlichsten, aber Daimler und BMW gehen auch in die Richtung. Ich bin mir sicher, das ist der einzige mögliche Weg.
Die deutsche Autobranche wirkt aber nicht sehr einig. Technologieoffenheit wird gefordert, auch im Hinblick auf die Brennstoffzelle. Woher kommt diese Unentschlossenheit?
Doppelbauer: Da sind natürlich viele Projekte im Bereich der Brennstoffzelle gelaufen und hausintern gibt es sicher immer noch manche Fürsprecher. Auch gibt es Zeichen aus einigen asiatischen Märkten, dass Brennstoffzellenautos zukünftig gepusht werden sollen. Allerdings hat China gerade angekündigt, dass man die Förderung von Brennstoffzellenautos nächstes Jahr einstellen wird, und zwar mit der Begründung, dass keine Durchbrüche erzielt wurden und keine raschen Entwicklungen stattgefunden haben. Auch dort kommt man an den technisch/physikalischen Realitäten also nicht vorbei.
Ich habe aber volles Verständnis dafür, dass sich international operierende Hersteller technologisch nichts verbauen wollen. Und außerdem gibt es ja noch die schweren Nutzfahrzeuge. Vielleicht wird die Brennstoffzelle dort interessant, das ist heute noch nicht absehbar.
Hat Wasserstoff im Automobil überhaupt eine Chance?
Doppelbauer: Im Pkw und bei leichten Nutzfahrzeugen (Stadtbusse, Lieferwagen usw.) definitiv nicht. Bei schweren Nutzfahrzeugen vermutlich schon, das werden wir in einigen Jahren sehen.
Und haben synthetische Kraftstoffe eine Chance im Auto?
Doppelbauer: Offen gestanden, ebenso nein. Natürlich entfallen die Kosten der Infrastruktur, was ein großer Vorteil ist. Und außerdem kann man mit der heutigen Motorentechnik arbeiten, was die Kosten ebenfalls senkt. Aber dann haben sie immer noch einen riesigen Energiebedarf für die Herstellung der Kraftstoffe, von dem niemand weiß, woher der Strom für Millionen von Pkws kommen soll. Und den Schadstoffausstoß in den Innenstädten bekommt man mit synthetischen Kraftstoffen auch nicht in den Griff. Ich könnte mir synthetische Kraftstoffe aber in anderen Anwendungen vorstellen, beispielsweise wiederum bei schweren Nutzfahrzeugen.
Wäre es jetzt aus Klimaschutzgründen nicht geboten, als Volkswirtschaft ein paar Richtungsentscheidung zu treffen? Nach dem Motto: Autos fahren mit Batterien, schwere Nutzfahrzeuge mit der Brennstoffzelle und Flugzeuge fliegen mit synthetischem Kerosin?
Doppelbauer: Da bin ich bei Ihnen. Das ist vermutlich genau der Weg, der ökologisch und ökonomisch am sinnvollsten ist. Nehmen Sie noch die Hochseeschiffe beim synthetischen Kraftstoff dazu und wir haben unsere Schadstoffemissionen in Zukunft drastisch gesenkt.
Und was wäre nötig, um die Wirtschaft in eine solche Richtung zu lenken? Technologie-Vorgaben, Quoten, CO2-Bepreisung?
Doppelbauer: Neue Technologien sind am Anfang immer teurer als das Etablierte. Und weil Autos nunmal für die meisten Menschen eine sehr teure Anschaffung sind, ist der Preis an dieser Stelle besonders kritisch. Wir sehen in anderen Märkten, zum Beispiel Norwegen und China, dass Fördermaßnahmen einen großen Erfolg haben. So etwas wünsche ich mir auch in Deutschland. Die bisher beschlossenen Fördermaßnahmen der Bundesregierung sind viel zu schwach. Eine hohe Quote für Elektroautos in Deutschland wäre nicht nur für das Klima gut, sondern würde Skaleneffekte für die deutsche Automobilindustrie bewirken, die wiederum ihre Wettbewerbsposition auf den internationalen Märkten verbessert. Die Kosten für ein solches Förderprogramm kann man direkt mit CO2-Steuern auf Benzin und Diesel zurückholen, das wäre nur fair.
Und was machen wir im Hinblick auf die Infrastruktur?
Doppelbauer: Wir brauchen sehr viel mehr öffentliche Ladepunkte als heute. Ich weiß, dass ist nun wirklich keine neue Forderung, aber ich möchte es etwas konkretisieren: Wir brauchen vorrangig Ladesäulen an Rasthöfen an den Autobahnen, damit der elektrische Fernverkehr problemlos funktioniert. IONITY ist da bereits sehr vielversprechend unterwegs, aber das ist in Summe viel zu wenig. Jeder Autobahnrasthof braucht ein Dutzend Schnellladesäulen. Dann klappt das auch mit den elektrischen Urlaubs- und Geschäftsreisen.
Und zweitens brauchen wir Lademöglichkeiten in Wohngebieten, und zwar viele davon. Ich stelle mir vor, dass man an jedem Laternenmast in Wohngebieten einen einphasigen 3,7-kW-Ladepunkt anbringt. Dann können auch solche Menschen über Nacht ihr Auto laden, die keine eigene Wallbox aufstellen können. Die Ladesäulen in Innenstädten, die jetzt wie Pilze aus dem Boden schießen, scheinen mir nicht so zielführend zu sein. Ladesäulen in Parkhäusern sind schön, aber letztlich nicht so wichtig wie das Laden daheim oder an Fernstrecken.
Herr Doppelbauer, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
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