Testlauf zur Netzintegration einer StreetScooter-Flotte
In einem Praxisversuch mit 63 StreetScootern Work XL an einem Verteilzentrum der DHL nahe Berlin werden in den kommenden drei Jahren Verfahren für eine intelligente Netzintegration von E-Fahrzeugen entwickelt. Die Federführung bei dem Projekt hat das Reiner Lemoine Institut (RLI) inne.
Im Zentrum des Testlaufs in Kleinmachnow bei Berlin steht die Intention, auf mittlere Sicht sicherzustellen, dass die Elektromobilität einen Beitrag zur Netzstabilität leistet. Das Projekt mit dem Titel „Intelligente Netzintegration der elektrifizierten Logistik“ (kurz: Netz_eLOG) wird von einem Forschungskonsortium vorangetrieben, zudem neben dem RLI auch die Firma IAV und die E.DIS Netz GmbH gehören. Finanzielle Unterstützung kommt zudem vom Umweltministerium im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar Mobil“.
Klar ist: Die in Elektrofahrzeugen verbauten Batterien bergen ein enormes Potenzial, das mit steigender, volatiler Einspeisung von erneuerbaren Energien für Netzbetreiber immer wichtiger wird. Im Zuge des Projekts Netz_eLOG soll deshalb eine interoperable Softwarelösung kreiert werden, die zugleich eine optimale Netzlast steuert und das bedarfsgerechte Laden der Flotte sicherstellt. Es gilt also, die Interessen von Flotten- und Netzbetreibern unter einen Hut zu bringen.
Was Flottenbetreiber angeht, so hätten diese bislang nur wenig Anreize, netzseitige Kriterien beim Laden ihrer Fahrzeuge zu berücksichtigen, erläutert das Reiner Lemoine Institut in einer begleitenden Pressemitteilung. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts seien daher Workshops zur Entwicklung wirtschaftlicher Anreizmodelle.
Und die Netzbetreiber? Hintergrund des Praxisversuchs ist mitunter, dass die Rolle der Verteilnetzbetreiber künftig an Bedeutung gewinnt. Denn durch die Novellierung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) werden sogenannte Redispatch-Maßnahmen ab Oktober 2021 bereits für Erzeugungsanlagen mit 100 kW sowie fernsteuerbare Anlagen möglich. Unter Redispatch versteht man in der Energiebranche Eingriffe zur Anpassung der Leistungseinspeisung von Kraftwerken. Ziel ist dabei in der Regel, auftretende regionale Überlastungen zu vermeiden oder zu beseitigen.
In den Wirkungsbereich des Gesetzes fallen demnach perspektivisch auch große E-Fahrzeugflotten. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erarbeite dazu im Projekt „Redispatch 2.0“ eigens eine Branchenlösung zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben. Das Projekt Netz_eLOG biete die Chance, diese zukünftigen Vorgaben am Beispiel einer großen elektrischen Flotte vorab zu erproben, so das Reiner Lemoine Institut.
Im StreetScooter-Verteilzentrum werden in den kommenden Monaten über die Entwicklung und Erprobung der Software im realen Betrieb hinaus auch verschiedene Szenarien simuliert, etwa die Nutzung lokaler Erneuerbarer Energien oder stationärer Batteriespeicher. Und die Partner wollen die Übertragbarkeit auf weitere Verkehrsbereiche untersuchen, wie etwa den ÖPNV, die Wohnungswirtschaft oder P+R-Parkplätze. Ziel sei es, „dass Netzbetreiber die Flexibilitätsoptionen für einen konkreten Standort sowie für die breite Anwendung der intelligenten Ladesteuerung einschätzen können und dies in die zukünftige Netzplanung einfließen kann“. Das Simulationsmodell werde am Ende des Projekts unter einer offenen Lizenz zur Verfügung gestellt.
„Wir wollen die Nachfrage von Strom durch den elektrifizierten Verkehr möglichst intelligent mit der Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien verknüpfen“, erklärt Oliver Arnhold, Leiter des RLI-Forschungsbereichs Mobilität mit erneuerbaren Energien. „Wir laden alle Stakeholder dazu ein, sich an diesem Prozess zu beteiligen.“
reiner-lemoine-institut.de
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