Auswertung der These des Monats zur Wirkung des Klimapakets auf die Elektromobilität

Vorteile für elektrische Dienstwagen und mehr Ladesäulen verspricht das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Eine wirksame CO2-Besteuerung oder ein Ende der Diesel-Subventionen kommen dagegen nicht. Reicht das für den Durchbruch der Elektromobilität auf unseren Straßen? Das wollten wir im Rahmen der These des Monats von Ihnen wissen. Jetzt liegt die Auswertung vor!

** Sie können sich die Auswertung der These hier auch als PDF herunterladen. **

Am 9. Oktober 2019 beschloss die Bundesregierung, ihr am 20. September vorgelegtes „Klimaschutzprogramm 2030“ auf den parlamentarischen Weg zu bringen. In dessen Zentrum steht ein Klimaschutzgesetz, das verbindliche CO2-Sparziele für alle Wirtschaftssektoren vorgibt. Darüber hinaus sieht das Programm erstmals eine CO2-Bepreisung für die Bereiche Wärme und Verkehr vor, die vom europäischen Emissionshandelssystem (EHS) nicht erfasst werden. Ab 2021 soll ein nationales EHS in Kraft treten, das Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen handeln, verpflichtet, einen CO2-Preis zu bezahlen. Sie müssen pro Tonne CO2-Ausstoß zunächst Zertifikate zu einem Festpreis von 25 Euro erwerben. Ursprünglich waren 10 Euro angesetzt, doch der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hat eine Erhöhung durchgesetzt. 2025 soll der CO2-Preis pro Tonne noch einmal ansteigen, auf dann 55 Euro. Von 2026 an soll eine maximale Emissionsmenge festgelegt werden, die von Jahr zu Jahr geringer wird. Der Handel mit Emissionsrechten soll dann dem Markt überlassen werden und preislich gedeckelt sein.

Der Elektromobilität widmet das Klimaschutzprogramm insgesamt beachtliche Aufmerksamkeit. Sie steht im Zentrum der Bemühungen um eine Reduktion der Emissionen im Verkehrssektor und wird beispielsweise mit Vorteilen für elektrische Dienstwagen und dem Versprechen auf deutlich mehr Ladesäulen bedacht. Müsste aber, wer ihr zu einem schnellen Durchbruch verhelfen wollte, nicht auch das klimaschädliche Fahren mit Verbrennungsfahrzeugen viel stärker verteuern, also für deren Kraftstoffe einen höheren CO2-Preis einfordern? Diese Frage stellten wir mit unserer These des Monats im November mit der folgenden Formulierung zur Diskussion:

„Der im Klimaschutzprogramm vorgesehene CO2-Preis ist viel zu niedrig, um der Elektromobilität zu einem schnellen Durchbruch zu verhelfen.“

An der Abstimmung beteiligten sich insgesamt 155 Leserinnen und Leser von electrive.net, wobei die allermeisten eine höhere CO2–Bepreisung vorbehaltlos (126) oder mit Vorbehalten (11) befürworteten. Eindeutig oder mit Einschränkungen ablehnend standen der These dagegen nur drei bzw. zehn Teilnehmer gegenüber. Hinzu kamen fünf neutrale Bewertungen.

Diagramm TdM November2019

Zeichnet man die Diskussion der These inhaltlich nach, so finden sich darin die folgenden Aussagen. Sie spiegeln ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.

Geringer als die tägliche Preisschwankung!

„Es muss weh tun“ – hinter diesem knappen Kommentar verbirgt sich das zentrale und vielfach wiederkehrende Argument der Befürworter unserer These: Der im Klimaschutzprogramm vorgesehene CO2-Preis ist eher eine symbolische als eine wirksame Maßnahme. Erst wenn die CO2-Bepreisung beim Bezahlen an der Tankstelle schmerzlich spürbar wird, kann sie die Fahrer von Verbrennungsfahrzeugen zu Verhaltensänderungen bewegen und sie über den Umstieg auf ein Elektroauto nachdenken lassen. Der nationale Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten wird den Preis fossiler Kraftstoffe 2021 aber im Durchschnitt nur um knapp drei Cent pro Liter und selbst 2025 erst um knapp zehn Cent pro Liter erhöhen. Das bringe „aus finanziellen Gründen niemand zum Umstieg“, schreibt ein Diskussionsteilnehmer. Der CO2-Preis entfalte keine lenkende Wirkung und verpuffe, ohne wahrgenommen zu werden, präzisiert ein anderer, weil er „an der Tankstelle in der Tagespreisspanne von morgendlichem Hochpreis und abendlichem Niedrigpreis völlig untergeht“.

Wissenschaftliche Studien hätten nicht ohne Grund einen höheren Preis empfohlen, merken mehrere Kommentatoren an. Notwendig wäre „ein CO2-Preis von wenigstens 50 €/t zu Beginn bis zu 120 €/t in der Eskalation“, führt ein Diskutant an, dem ein anderer mit diesen Worten beipflichtet: „Um eine nachhaltige Verhaltensänderung in der Bevölkerung auszulösen, müsste der CO2-Preis mindestens das 10-fache der vorgeschlagenen Werte haben!“

Ran an die Dieselsubventionen!

Häufig wird in der Diskussion darauf verwiesen, wie fragwürdig es sei, dass der Gesetzgeber die Dieselsubventionen von immerhin sieben bis acht Milliarden € pro Jahr offenbar unangetastet lassen will. „Ohne ein Ende der Dieselsubventionen und einer ernst gemeinten und realistischen CO2-Besteuerung werden die großen und schweren SUVs auf den Straßen nicht weniger werden und die Luft nicht sauberer“, heißt es etwa. Konstruktiv gewendet klingt das an anderer Stelle so: „15 Cent/Liter plus die Dieselsubventionen streichen, das wäre ein vernünftiger Anfang gewesen, und diese Einnahmen zur Hälfte in den Aufbau von Ladestationen stecken!“

Kuschelkurs oder Halbherzigkeit?

Eine unzureichende Signalwirkung habe der vorgesehene CO2-Preis aber nicht nur auf die Verbraucher, sondern auch auf die Automobilindustrie, wird moniert: „Durch den niedrigen Preis wird den deutschen Autobauern suggeriert, sie hätten noch Jahre Zeit, sich für eine zukünftige Mobilitätsform zu entscheiden.“ Während die einen in den verkehrsbezogenen CO2-Vorgaben der Bundesregierung folglich einen „Kuschelkurs mit Lobbyisten“ ausmachen, sehen die anderen darin eher eine kontraproduktive Halbherzigkeit, die jedem wohl und keinem wehe will: „Die Bundesregierung will sagen können ‚wir tun ja was‘ und gleichzeitig will sie die heimische Automobilindustrie vor einem zu rasanten Umbruch schützen“.

Andere Länder lösten ihre Emissionsprobleme besser, meinen manche Befürworter. „Schweden ist bezüglich einer CO2-Steuer Vorbild. Deutschland ist da zu mutlos“. Auch die Schweiz wird als positives Beispiel genannt. Das deutsche Klimapaket, so betont ein Befürworter der These, helfe dagegen „der E-Mobilität nur dort, wo es alle Autofahrer entlastet, bei der Pendlerpauschale. Etwas Schlechteres kann man über ein ‚Paket‘ kaum sagen.“

„Es geht nicht primär um Elektromobilität!“

Dieser Aussage steht freilich ein Argument gegenüber, das sich quer durch alle Wertungen unserer Diskussion zieht. Es lautet: Elektromobilität zu fördern, ist nicht das primäre Ziel der CO2-Bepreisung. Vielmehr gehe es um „Klimaschutz an sich“. Für diesen Zweck seien, so ein neutraler Kommentar, die Bereiche Wohnen und Heizen wichtiger als der Verkehrssektor. „Selbstverständlich ist der CO2-Preis-Korridor zu niedrig angesetzt“, heißt es in einem Pro-Kommentar, „andererseits gibt es andere vielversprechende Instrumente, um E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen.“ Zu diesen Instrumenten, die in der Diskussion wiederholt genannt werden, zählen etwa attraktive Anschaffungskosten (die Erhöhung der Kaufprämie wird ausdrücklich gelobt), sinkende Strompreise und eine gute Ladeinfrastruktur. Auch Quotenregelungen und Fortschritte in der Batterieforschung werden angeführt. „Der CO2-Preis kann nicht so hoch sein, dass nur dadurch der Durchbruch gelingt“, heißt es in einem Eher-Pro-Kommentar. „Es geht nicht nur um Elektromobilität“, heißt es im neutralen Lager und eine charakteristische Contra-Position lautet: „Einen Preis für CO2 festzusetzen hat nichts mit Elektromobilität zu tun.“

Ist ein hoher CO2-Preis sozial zu verantworten?

Das Haupthindernis für den Durchbruch der Elektromobilität sei nämlich nicht eine zu geringe CO2-Bepreisung, das klingt in den Stimmen, die der These widersprechen, mehrfach an, sondern vielmehr der im Vergleich zum Verbrenner nach wie vor viel zu teure Anschaffungspreis. Viele Menschen könnten sich ein Elektroauto längst noch nicht leisten. Wenn diese nun auch noch durch höhere Kraftstoffpreise unverhältnismäßig stark belastet würden, sei das sozial nicht zu verantworten. „Anstatt den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen, die sich keine Elektrofahrzeuge leisten können und zudem wegen der teuren Mieten zu ihrem Arbeitsplatz pendeln müssen (Preise und Reisezeiten des ÖPNV sind meist nicht konkurrenzfähig), wäre es deutlich effektiver, die energieintensiven Unternehmen stärker zur Kasse zu bitten“, meint ein Contra-Kommentator. Ein anderer ergänzt: „An eine Rückführung der CO2-Bepreisung an Geringverdiener glaube ich nicht.“

Allein aus Freude am Fahren?

Vertrauen in die Elektromobilität zeigen schließlich jene Contra-Stimmen, die davon ausgehen, dass die bessere Technik sich ohnehin durchsetzen werde, wie zum Beispiel diese: „Die Freude am elektrischen Fahren, die erwarteten Fortschritte bei Reichweiten und Preisen sowie der Lifestyle-Aspekt werden auch ohne spürbare CO2-Bepreisung zu einer großen Verbreitung der Elektromobilität innerhalb der nächsten Jahre führen.“

Fazit

Die Einführung eines nationalen Emissionshandelssystems für den Wirtschaftssektor Verkehr allein wird der Elektromobilität in Deutschland mittelfristig nicht zum Durchbruch verhelfen. Sie hat eher symbolischen Charakter. Das ist die fast einhellige Meinung der Teilnehmer dieser Diskussion. Allerdings weisen viele darauf hin, dass dies auch nicht das primäre Ziel dieses neuen Zertifikatehandels sei. Die These sei deshalb zu „eindimensional“ gestellt, befindet einer ihrer Befürworter. „Andere Maßnahmen des Klimapakets bringen sehr wohl etwas.“ Selbst wenn die jetzt vorgesehenen CO2-Zertifikate für fossile Kraft- und Brennstoffe nur einen kleinen Schritt darstellten, so sei das doch ein Schritt in die richtige Richtung. Künftige Regierungen könnten hier nachjustieren. Das System an sich sei „für Deutschland dennoch ein Paradigmenwechsel“.

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