Kostenfaktor Elektromobilität in der Logistik
Noch sind viele Elektroautos in der Anschaffung etwas teurer als vergleichbare Verbrenner, erste Modelle schneiden bei den Gesamtkosten aber schon heute etwas besser ab. Das gilt für Privat-Pkw, elektrische Nutzfahrzeuge bewegen sich langsam in dieselbe Richtung. Für den Einsatz in der Logistik gilt es aber mehr zu beachten als Anschaffungs- oder Kilometerkosten.
Eine Hemmschwelle taucht immer wieder auf, wenn es um Elektromobilität geht: die Kostenfrage. Viele Unternehmer und Privatleute würden gern auf alternative Antriebe umsteigen, scheuen sich aber vor den hohen Investitionskosten. Nach wie vor sind E-Fahrzeuge in der Anschaffung wesentlich teurer als vergleichbare Verbrenner. Mittlerweile ist aber auch klar, dass E-Fahrzeuge zwar erst mal mehr kosten, aber durch niedrigere Wartungs- und Betriebskosten punkten können.
Der ADAC vergleicht in regelmäßigen Abständen E-Autos mit herkömmlichen Verbrennermodellen auf Basis einer Vollkostenberechnung. In einem veröffentlichten Kostenvergleich kam der Automobilverband zu interessanten Ergebnissen. Demnach sind mittlerweile einige E-Fahrzeuge mit der Verbrennerkonkurrenz gleichgezogen, manche können die Diesel- und Benzinvarianten sogar überholen – allerdings eher im Bereich der hochpreisigen Modelle, bei denen die Anschaffungskosten nicht mehr so stark variieren. Entscheidend sind dabei die Kosten pro Kilometer, die sich aus den gesamten Aufwendungen vom Kaufpreis über sämtliche Betriebs- und Wartungsaufwände bis zum Wertverlust zusammensetzen. Nutzfahrzeuge sind hier wenig zu finden, eine Grobrechnung im ADAC-Kostenrechner mit den Nissan-Modellen zeigt aber, dass die E-Variante bei den Kilometerkosten mit dem Verbrennerkollegen gleichziehen könnte. Zudem bringt das Innovationsfeld Elektromobilität verstärkt veränderte Bauformen und Nischenfahrzeuge hervor, die für mehr Effizienz und damit Kostenersparnisse sorgen.
Um genauere Aussagen über die tatsächlichen Kosten eines Fahrzeugs, egal ob Elektro oder Verbrenner, zu treffen, bedarf es allerdings mehr Aufwand. Und genau diese Kosten sind es, die über die Wirtschaftlichkeit von Touren in der Logistik entscheiden. Für die effiziente Tourenplanung brauchen Logistiker valide Daten, damit sie ihre Ressourcen gut und möglichst günstig einsetzen können. Häufig werden hier aber Pauschalwerte verwendet, die nicht unbedingt der Realität entsprechen. Mit digitalen Mitteln lassen sich Kostenparameter präziser erheben, die eine exaktere Berechnung ermöglichen. Grundlage dafür bildet ein durchdachtes Bewertungsmodell, das dabei hilft, die entsprechenden Parameter festzulegen und zusammenzuführen.
Ein solches Modell aufzubauen erfordert zunächst eine Systematik der Daten, die erhoben werden sollen. Das ist auch ein wichtiger Bestandteil der bisherigen Forschungsarbeit im IKT für Elektromobilität-Projekt Smart Distribution Logistik, das sich mit der Optimierung des E-Fahrzeugeinsatzes entlang der gesamten Lieferkette am Beispiel der Medienlogistik befasst. Mithilfe des sogenannten TCO-Modells, das die Fachhochschule Erfurt in enger Abstimmung mit allen Projektpartnern entwickelt hat, soll eine Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht nur des Fahrzeugs, sondern auch der Touren im Voraus ermöglicht werden. TCO steht abgekürzt für „Total Cost of Ownership“, ein Berechnungsverfahren, das alle Kosten für Investition, Betrieb, Verbrauch, Reparatur, Wartung im Rahmen einer Anschaffung betrachtet. Jeder Fuhrparkleiter ist sich natürlich darüber im Klaren, dass ein Fahrzeug nicht nur beim Kauf oder Leasing etwas kostet, sondern auch Energie für den Antrieb, Versicherung und andere Faktoren die Gesamtkosten beeinflussen. Wichtig ist es jedoch, alle, auch „versteckte“ Kosten, zu berücksichtigen, zum Beispiel Kommunikationskosten. Beim E-Fahrzeug können allein schon unterschiedliche Ladepunkte abweichende Energiekosten verursachen, da an öffentlichen Ladesäulen der Strom meist teurer ist als an der unternehmenseigenen Stromtankstelle.
Die Projektpartner stellten hier zunächst Kriterien auf, nach denen die Daten erhoben wurden. Allein 63 verschiedene Parameter wurden dabei für Fahrzeugkosten identifiziert, ebenso betrachtet das Modell die Faktoren Mensch, Ware und Hub, also (mobiles) Lager. Viele Daten vom Fahrzeug lassen sich digital über Telematik erfassen, andere aus betriebswirtschaftlichen Abrechnungen. Daten aus über 250 Fahrzeugen der Praxispartner sind bisher in die Systematik eingeflossen, darunter sowohl Verbrenner als auch E-Fahrzeuge unterschiedlicher Größe.
Die verschiedenen Kostenfaktoren wurden wiederum geclustert und kombiniert, um beispielsweise den Energieverbrauch des Fahrzeugs mit der Tourlänge in Verbindung zu bringen und so Optimierung zu ermöglichen. Ebenso ergeben sich aus der Kombination der Parameter Ausschlussfaktoren, die indirekten Einfluss auf die Kosten haben. Das betrifft beispielsweise die Korrelation zwischen Ware und Fahrzeug, also Laderestriktionen. Im Ergebnis liefert das Modell konkrete Aussagen, etwa zu den Kosten einer Tour oder den Kosten pro Lieferung. Ebenso können strecken- bzw. zeitbezogene Kosten ermittelt werden. Im Rahmen des Projektes wird auf Basis des Modells ein Tool entstehen, mit dem Logistiker die Kosten ihrer Touren so genau wie möglich bestimmten können und damit präziser planen können.
Zurzeit arbeitet der Projektpartner DAKO daran, das Modell in eine Systemplattform einzubinden und es so digital nutzbar zu machen. Dabei sollen auch die Fahrzeugklassen nach dem EG-Modell integriert werden, um eine Kostenbetrachtung auf Basis der Standardklassen zu ermöglichen. Über das Monitoring der Touren und Fahrzeuge insbesondere hinsichtlich der Fahrtkosten können die Livedaten mit den Prognosen verglichen werden. Das automatische Rückspielen der Auswertung des Monitorings in die Kostenbetrachtung sorgt dafür, dass das System sich weiter verfeinert und optimale Ergebnisse liefert.
Das Fahrzeug ist immer noch der größte Kostentreiber in der Logistik, besonders wenn es um Elektromobilität geht. Diese Stellschraube zur Optimierung kann aber nur genutzt werden, wenn die Datengrundlage stimmt. Mit Vergleichsfahrten untersucht das Projekt deshalb auch die Performance von verschiedenen Fahrzeugen auf derselben Tour. Tests mit dem E-Kleinstfahrzeug Paxster und einem VW e-Up ergaben etwa auf einer bestimmten Tour eine Zeiteinsparung von 10 Prozent, die sich natürlich auch in Kosteneinsparungen niederschlagen. Zukünftig wäre ein Routing abhängig von den realen Kostenparametern der Fahrzeugklassen deshalb eine gute Ergänzung für die Tourenplanung.
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