Unser Blick voraus – Diese Elektroautos kommen 2020
Der Korken ist aus der Flasche: Mit dem Neujahrstag müssen die Autohersteller keine Elektroautos mehr künstlich zurückhalten – die Zählung für die CO2-Flottengrenzwerte beginnt. Es kommen ergo richtig geile Elektroautos: Schöne und praktische, schnelle und witzige. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Neuheiten zum Beginn des nächsten Jahrzehnts!
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Ja, es gibt immer noch Compliance Cars. Aber die Ära ist vorbei, in der man allen Marken außer Tesla unterstellen musste, nur widerwillig Autos ohne Verbrennungsmotor zu verkaufen. Bei Audi kommt neben dem e-tron quattro der e-tron Sportback. Ein Crossover mit einem Heck, das so schräg ist wie beim ersten Avant. SUV-Coupés sind in vielen internationalen Märkten stark nachgefragt. Für den Absatz dürfte also gesorgt sein. Im dritten Quartal werden die Ingolstädter den Q4 e-tron vorstellen. Er basiert auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) des Volkswagen-Konzerns: 82 Kilowattstunden (kWh) Batteriekapazität, mindestens 225 kW Motorleistung, Allradantrieb. Überhaupt, der Quattro: Hartnäckig hält sich das Gerücht, es könne bald einen e-tron Sport Quattro geben, der sich nicht nur durch mehr Power, sondern auch durch eine andere Hardware dynamisch von der Konkurrenz absetzt.
Tesla verhandelt unterdessen über den zügigen Aufbau der Gigafactory 4 bei Grünheide in Brandenburg: Hier könnte mit dem Model Y der Topseller von Tesla entstehen. SUVs boomen weltweit. Das Model Y wird für die Marke aus Kalifornien darum mutmaßlich noch höhere Verkaufszahlen erreichen als das Model 3. Der Einstiegspreis im Konfigurator: 56.000 Euro für 540 km WLTP-Reichweite. Nebenbei wird Elon Musk einen Vorgeschmack auf den Roadster 2 geben. Und endlich gibt es einen direkten Konkurrenten zum Model 3: Der Polestar 2 bietet ähnliche Eckdaten und wird schon lange erwartet.
Auch Daimler wird seine heimischen Werke stärker mit Elektroautos auslasten. Nach langem Zögern ist das Traditionsunternehmen erwacht: Smart produziert mit dem EQ Fortwo und dem EQ Forfour inzwischen ausschließlich Batterie-elektrische Autos. Nicolas Hayek, der geistige Vater des Smarts, würde sich freuen.
Bei Mercedes kommt nach dem SUV EQC und dem Van EQV mit dem Kompakt-SUV EQB das erwartbar massenwirksamste Elektroauto: Er ist das Pendant zum GLB, nur eben ohne Verbrennungsmotor. Der Preis wird nicht entgrenzt sein, und es gibt viel Platz fürs Geld. Die Batteriekapazität soll zwischen 60 und 110 kWh liegen. Kurz vor dem EQB startet bei Mercedes noch der EQA. Damit ist klar, dass es rein optisch vorwiegend um Conversion Vehicles geht. Einzige Ausnahme ist vorerst der EQS, eine große Limousine, deren Studie auf der Tokio Motor Show viel Aufsehen erregt hat.
Eigentlich mögen es die Käufer von Volkswagen ebenfalls eher gediegen und konservativ. Der ID.3 versucht als ziemlich moderne Interpretation des Golf-Themas alle mitzunehmen: Im Sommer soll die Auslieferung starten. Und die angeblichen Software-Probleme? Sind bis dahin sicher gelöst. Volkswagen steht unter Druck. Schließlich hat man in Wolfsburg eine gigantische Vermarktungskampagne gestartet. Und allein mit dem e-Up sowie dessen Derivaten Skoda Citigo e iV und Seat Mii electric wird man das automobile Publikum nicht beeindrucken können.
Wichtigste Neuheit bei Volkswagen aber wird der ID.4X, quasi ein elektrischer Tiguan. Wahrscheinlich wird der ID.4X dem Werk in Emden die Existenz sichern. Der Start of Production könnte noch 2020 erfolgen, auch wenn er erst 2021 im Verkaufsraum steht. Er wird das elektrische VW-Modell für Menschen, denen der ID.3 einfach zu wenig Raum bietet.
Und BMW? Hier beginnt das Ende der Atempause. Im Februar bekommen die ersten Kunden den Mini Cooper SE. Im Jahresverlauf folgt der iX3, zu dessen Antriebsstrang BMW kürzlich Details veröffentlicht hat: Der iX3 erhält die aktuellsten Batteriezellen mit dem Kathodenmischungsverhältnis NCM 811, also mit relativ wenig Kobalt und Mangan. BMW kauft die Rohstoffe Lithium und Kobalt außerdem selbst ein – unter anderem in Australien, womit Debatten um schlechte Arbeitsbedingungen bei der Förderung obsolet sind.
Der iX3 soll im WLTP-Verfahren weniger als 20 kWh pro 100 Kilometer verbrauchen. Die Batteriekapazität liegt bei 74 kWh (netto) und die Normreichweite bei 440 km. An dieser Stelle sei nochmal daran erinnert, dass der Aktionsradius in einem speziellen Fahrzyklus erhoben wird und nicht der Quotient von Energieinhalt und Stromkonsum ist.
Opel, seit 1929 nicht mehr in deutschem Besitz, aber immer eine Heimatmarke, bringt unter dem Dach des französischen PSA-Konzerns den Corsa-e. Fußballtrainer Jürgen Klopp macht fleißig Werbung für das Elektroauto, das ab dem zweiten Quartal abfährt. Der Corsa-e hat ein gefälliges Design, und das Package stimmt: 50 kWh Batteriekapazität, CCS serienmäßig, Einstiegspreis 29.900 Euro vor Abzug der Prämie. Bei den anderen Marken von PSA gibt es etliche Derivate auf der gleichen Plattform, die in der Kooperation mit Dongfeng entstanden ist: Auf den sportlichen Peugeot e-208 folgt das attraktive Kompakt-SUV e-2008, dazu kommt von DS Automobiles der DS 3 Crossback E-Tense und wohl auch ein Modell von Citroën.
Bei Renault konzentriert man sich auf die Produktion des Zoe 2. Endlich DC-ladefähig, weiterhin mit einer serienmäßigen AC-Ladeleistung von 22 kW und mit 50 kWh Batteriekapazität. Ob der Captur neben einer Plug-in-Hybridversion eine ohne fossilen Motor erhält, ist offen – wünschenswert wäre es.
Der allgemeinen SUV-Mania kann sich auch Nissan nicht entziehen: Der Ariya wurde auf der Tokio Motor Show vorgestellt und könnte Ende des Jahres in den Handel kommen. Zuerst in den USA, wo das japanische Unternehmen verhindern will, dass das Tesla Model Y sich zu viel vom Marktkuchen abschneidet. Den gleichen Plan hat übrigens Henrik Fisker, der mit dem Ocean einen weiteren Anlauf zur Serienproduktion eines Elektroautos plant. Reservierungen werden für 250 Dollar bereits entgegengenommen – für das Jahr 2022.
Zurück zur Gegenwart: Porsche wird den Taycan in etlichen Varianten verkaufen. Neben den Motorversionen 4S, Turbo und Turbo S folgt im neuen Jahr der Kombi-artige Cross Turismo. Er ist der hausinterne Batterie-elektrische Konkurrent zum Panamera Sport Turismo. Der Taycan Cross Turismo, so viel steht fest, sieht schlanker und eleganter aus. Die Interessenten werden das zu schätzen wissen. Wir sind gespannt, wie stark Porsche die Produktion des Taycan hochfahren muss.
Der koreanische Konzern Hyundai-Kia kann einfach weitermachen wie bisher, und das tut er. Der Hyundai Ioniq Elektro kommt mit auf 38,3 kWh vergrößerter Batterie, allerdings mit gesunkener DC-Ladeleistung. Und beim beliebten Modell Kona Elektro gibt es einen Abstrich: Ausstattungsbereinigt wurden die Preise zuletzt deutlich angehoben. Der Nachfrage scheint das keinen Abbruch zu tun, wie die Lieferzeiten zeigen. Am wichtigsten: Im Jahresverlauf wird eine komplett neue elektrische Plattform gezeigt. Die Hyundai Group geht den eingeschlagenen Weg weiter und sagt dem Verbrennungsmotor schrittweise adé, und das nicht nur mit Batterie-, sondern auch mit Brennstoffzellen-elektrischen Fahrzeugen wie dem Nexo und der Zugmaschine Xcient Fuel Cell.
Womit wir bei Toyota wären: Der japanische Gigant ist Hauptsponsor der Olympischen Spiele in Tokio und wird diese Bühne nutzen. Neben dem Mirai 2, der endlich eine schicke Gestalt erhält, kündigt Toyota die Vorstellung einer Festkörperbatteriezelle an. Ein Batterie-elektrisches Auto dagegen wird es auf dem EU-Markt vorerst nicht geben. Die Japaner schaffen die CO2-Vorgaben dank ihrer Hybridpalette auch so.
Mazda wird währenddessen den Verkauf des MX-30 starten, einer leicht skurrilen Mischung aus CX-3, BMW i3 und Manga-Elementen. Wesentlich ästhetischer wirkt der Honda e, jenes urbane Stadtversprechen, das optisch und dynamisch (Heckantrieb) überzeugt und mit mindestens 33.850 Euro nicht gerade preisgünstig wird.
Der Druck, den die CO2-Grenzwerte auf die Autohersteller ausüben, muss keineswegs schlecht sein. So wird wohl endlich der Fiat 500e kommen, und vielleicht hätte er sogar dem verstorbenen Elektro-Skeptiker Sergio Marchionne gefallen. Fiat-Chrysler (FCA) und PSA verschmelzen zum viertgrößten Autokonzern, und darum ist es plausibel, dass man eine gemeinsame CO2-Bilanz erstellen wird. Diese dürfte wegen FCA so dürftig sein, dass ein Pooling mit Tesla erkauft wird. Abwarten.
Letztgenannt, aber nicht bedeutungslos ist der Ford Mustang Mach-E. Ford braucht ihn, um die CO2-Limits einzuhalten. Der Mustang Mach-E folgt dem üblichen Rezept: Ein SUV-Coupé mit Innenraumanleihen bei Tesla, bis zu 600 km WLTP-Reichweite und einem Basispreis von 46.900 Euro. Niemand sollte dieses Auto unterschätzen, von dem rund 30.000 Stück auf die europäischen Straßen gebracht werden müssen. Und natürlich arbeitet Ford an einem Batterie-elektrischen F150, um dem Rivian R1T und dem Tesla Cybertruck nicht das Feld zu überlassen. Ob diese Pickup-Riesen nach Europa kommen, ist jedoch ungewiss.
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