Rafako: Wenn der Kraftwerks-Ausrüster plötzlich E-Busse baut
In drei Jahren hat das polnische Unternehmen Rafako, eigentlich ein Spezialist für Kraftwerksanlagen, einen Elektrobus entwickelt. Mit dem 8,5 Meter langen Stadtbus will Rafako eine ganz spezielle Nische bedienen. Doch die Konkurrenz durch den polnischen Platzhirsch Solaris und chinesische Hersteller ist groß.
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Es war ein besonderer Moment, als am 17. Dezember 2019 die ersten E-Busse von Rafako ihre Testfahrten in der polnischen 200.000-Einwohner-Stadt Toruń aufnahmen. Nicht nur wegen des besonderen Designs der Busse: Im Gegensatz zu den Wettbewerbern hat Rafako die Batterien nicht auf dem Dach, sondern im Fahrzeugboden verbaut. Dadurch sind die Stadtbusse trotz des E-Antriebs nur 3,20 Meter hoch.
Die eigentliche Besonderheit ist aber nicht die Montage der Batterien, sondern der Hersteller selbst: Rafako baut eigentlich gar keine Busse, geschweige denn Fahrzeuge.
Das polnische Unternehmen, das für die Ausrüstung von Anlagen für Kraftwerke bekannt ist, entwickelt erst seit drei Jahren 8,5 Meter lange E-Busse für den Stadtverkehr und zur Beförderung von Schulkindern. In den Bussen finden 65 Passagiere Platz, wobei 23 reguläre Sitzplätze und zwei ausklappbare Sitzmöglichkeiten angeboten werden. Das erste Modell des Schulbusses (Gymbus) dürfte nach Aussagen des Unternehmenssprechers Marek Marczak im Laufe des Jahres 2020 die Test- und Entwicklungsphase vollständig abgeschlossen haben.
Rafako möchte mit dem Bau von E-Bussen vor allem eine Marktlücke auf dem heimischen Markt schließen. Grundsätzlich werden in Polen aktuell ausgesprochen viele E-Busse nachgefragt – allerdings gibt es mit Solaris bereits einen mächtigen und erfahrenen Konkurrenten. Der nicht selten überalterte Fuhrpark der städtischen und kommunalen Verkehrsbetriebe wird im Rahmen von Ausschreibungen erneuert. Der Zeitpunkt ist günstig, da die konjunkturelle Situation es vielen Verkehrsbetrieben möglich macht in neue und innovative Lösungen zu investieren. Darüber hinaus werden gerade für klimafreundliche Lösungen EU-Fördermittel bereitgestellt, die die Anschaffung von E-Bussen zusätzlich finanziell interessant machen. Die polnische Agentur für industrielle Entwicklung (ARP) schätzt die Nachfrage nach E-Bussen in Polen auf bis zu 800 Stück in den kommenden Jahren.
„Aktuell produzieren die wichtigsten E-Bushersteller, wie Solaris und Volvo, bevorzugt in Polen, da sie hier gute und erfahrene Arbeitskräfte finden“ sagt Marek Marczak. „Bekannte und große polnische Busproduzenten, wie Autosan und Jelcz, haben über Jahrzehnte einen soliden Grundstock an Entwicklungsleistung aufgebaut, die sich noch heute auszahlt.“ Sprich: Fachkräfte sind vorhanden.
In Anbetracht der großen Nachfrage nach elektrischen Bussen möchte Rafako sein Ingenieurswissen und seine Infrastruktur nutzen, um eine bestimmte Nische zu besetzten und dem direkten Wettbewerb mit Solaris und Co. zu umgehen. Die Konkurrenz unter den E-Busherstellern in der mittelosteuropäischen Region ist gerade bei den 12 Meter langen E-Bussen, die für den Stadtverkehr vorgesehen sind, besonders groß. Neben Solaris als wichtigstem Produzenten von E-Bussen in Polen sind die tschechischen Anbieter SOR und Skoda electric auf dem polnischen Markt aktiv. Darüber hinaus bemühen sich auch verstärkt die chinesischen Bushersteller dort Fuß zu fassen. BYD gewann bereits 2014 eine Ausschreibung für E-Busse in Warschau. Yutong gab im November im polnischen Fachportal infobus.pl bekannt, dass die Vertretung der Firma in Polen von dem in der Branche anerkannten Experten Marcin Kucharski geführt wird.
Da sich bei dem Einstieg in den Markt für die längeren E-Stadtbusse für ein neues Unternehmen erhebliche Hindernisse ergeben dürften, möchte sich Rafako stärker auf die 8,5 Meter kurzen Fahrzeuge konzentrieren. Hier hat es bis jetzt lediglich der türkische Hersteller Karsan geschafft, Ausschreibungen erfolgreich zu absolvieren. Der Urbino 8,9 LE electric von Solaris dürfte aber auch auf dem heimischen Markt eine starke Konkurrenz für Rafako darstellen.
Die E-Schulbusse sind ein besonders Merkmal der Strategie von Rafako, die klar dem Ziel folgt, die Bedürfnisse mittlerer und kleinerer Kommunen zu berücksichtigen. Die Schülerbeförderung bedarf einer speziellen Inneneinrichtung, wie kleinerer Sitze und kindergerechte Sicherheitsgurte. Hier hat sich Rafako nach eigenen Angaben ausgiebig mit den entsprechenden Vorgaben auseinandergesetzt.
Was die Technik der E-Busse anbetrifft, greift Rafako auf die Entwicklungen des polnischen Batterieentwicklers Impact Clean Power Technology aus Warschau zurück. Impact beliefert bereits Karsan, Irizar, Temsa und Solaris mit den Batterien High Power und High Power Energy.
Von Rafako werden LTO-basierte (Lithiumtitanat) Speicher mit einem Energiegehalt von 63 kWh und Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Batterien mit 142 kWh angeboten. Für den stadtnahen Verkehr und bei den Schulbussen hat die NMC-Batterie eine Reichweite von 150 km und wird per Kabel aufgeladen – jedoch mit maximal 22 kW. Im Stadtverkehr bietet sich hingegen eine kürzere Reichweite an, wobei der E-Bus aber über einen Schnelllader innerhalb von 15 Minuten wieder aufgeladen werden kann.
Über die Autorin
Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań. Zuletzt berichtete sie hier auf electrive.net über den Elektrobus-Boom in Polen und über das polnische Förderprogramm für E-Fahrzeuge.
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