Eneco eMobility: „Die große Herausforderung für die eMobility sind nicht die Autos“
Ende 2019 hat ein Konsortium rund um Mitsubishi den niederländischen Energieversorger Eneco gekauft. Dessen Lade-Tochter Eneco eMobility ist auch in Deutschland aktiv – und hat nach mehreren Übernahmen große Ziele, wie Eneco-eMobility-Chef Bram Poeth im Interview mit electrive.net bestätigt.
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Im Oktober gab Eneco eMobility bekannt, dass man den bayerischen Lade-Spezialisten chargeIT mobility aufgekauft hat. Ein wichtiger Schritt, mit dem sich die Niederländer 3.000 von chargeIT verwaltete Ladepunkte in Deutschland eingekauft haben – und einen guten Marktzugang. Erklärtes Ziel war es, in den kommenden Jahren „ein führender Dienstleister in Deutschland“ zu werden.
Nur rund vier Wochen später wurde wieder eine Übernahme vermeldet. Dieses Mal hat aber nicht Eneco eMobility ein Unternehmen aufgekauft, sondern wurde indirekt übernommen: Ein japanisches Konsortium rund um die Mitsubishi Corporation hatte den niederländischen Energieversorger Eneco, die Muttergesellschaft des E-Mobility-Unternehmens, für 4,1 Milliarden Euro gekauft. Der auf erneuerbare Energien spezialisierte Versorger war zuvor in der Hand mehrerer niederländischer Kommunen. Wichtiger Hinweis: Der Verkauf ist noch nicht abgeschlossen, das wird für März oder April erwartet.
Für Bram Poeth, seit über zehn Jahren mit dem E-Mobility-Lösungen bei Eneco betraut und heute Direktor der 2017 ausgegründeten Eneco eMobility, hat der vergangene Herbst mit den beiden Übernahmen einen „herausfordernden“ Verlauf genommen, wie er nun im Interview mit electrive.net angibt. Doch er blickt vor allem nach vorne und formuliert selbstbewusste Ziele für Deutschland – obwohl noch einige Punkte offen bleiben.
Herr Poeth, bei der Übernahme von chargeIT haben Sie angekündigt, in den kommenden Jahren „ein führender Dienstleister in Deutschland“ zu werden. Wie wollen Sie das erreichen?
Unser Fokus liegt im halböffentlichen Bereich. Öffentliche Ladestationen unter unserer Marke oder Schnell-Ladeparks an Autobahnen wird es nicht geben. Wir machen Destination Charging oder spezielle Kundenprojekte, in Deutschland etwa für CleverShuttle. Über die chargeIT haben wir einige DC-Lösungen für Stadtwerke im Programm, oder aber Angebote für Autohändler, die Ladestationen für Neu-, Vorführ- und Kundenautos errichten wollen.
Welche Rolle will Eneco eMobility in Europa und Deutschland einnehmen?
Deutschland ist ein sehr großes Land und hat einen großen und attraktiven Automarkt. Wir haben 2017 mit unserem Mutterhaus die Strategie festgelegt, dass wir in der ersten Phase in den Niederlanden, Belgien und Deutschland wachsen wollen. Es war aber von Anfang an klar, dass wir hier nicht organisch wachsen können. Aus diesem Grund hatten wir bereits mit der Ausgründung das Budget für Zukäufe gesichert. Seit Ende 2018 haben wir aktiv in Deutschland gesucht, um den richtigen Partner zu finden. Aus mehreren Kandidaten ist es dann nach Gesprächen chargeIT geworden. Und das hat einfach gepasst.
Inwiefern?
Sie haben ähnlich wie wir bei Eneco über zehn Jahre Erfahrung, auch über das reine Elektroauto und Laden hinaus. Sie kennen auch die Energie-Infrastruktur. In der Summe haben wir uns mit chargeIT auch viel Erfahrung über den deutschen eMobility- und Energiemarkt eingekauft. Das war sehr wichtig für uns. Zudem ist chargeIT sehr gut mit vielen Stadtwerken vernetzt, was uns einen indirekten Vertriebskanal zu vielen seriösen Partnern eröffnet hat. Da ist chargeIT in einer sehr guten Position, auch bei der eigenen Entwicklung. Es ist einfach ein sehr gutes Gesamtpaket.
Welche Ziele haben Sie sich für Deutschland gesetzt?
Ich will nicht auf den gesamten eMobility-Markt in Deutschland schauen, sondern auf Sub-Segmente. Der indirekte Markt mit den Stadtwerken ist sehr wichtig für uns, hier wollen wir 15 Prozent Marktanteil erreichen und in Deutschland zu den Top 5 gehören. Eine solche Dienstleistung mit vielen Stolperfallen und lokalen Bedürfnissen ist nicht einfach gut zu machen. Im Corporate-Geschäft mit Autohändlern, Immobilienunternehmen, Einzelhändlern peile ich acht bis zehn Prozent Marktanteil an und wir wollen ebenfalls in die Top 5 kommen. Hier müssen wir noch lernen, in größeren Stückzahlen zu denken. Wenn wir in den Niederlanden einen Deal mit einer Handelsgruppe abschließen, geht es um 20 bis 50 Ladepunkte – in Deutschland schnell um 300. Im Leasing-Bereich wollen wir in Deutschland mit unserem Service wachsen, auch hier geht es um größere Stückzahlen.
Wie läuft die Integration von chargeIT in Ihr Unternehmen?
chargeIT wird in Deutschland so eigenständig wie möglich bleiben, aber wir müssen sie natürlich in unsere Prozesse einbinden. Wir werden aber sicher nicht zum chargeIT-Management gehen und sagen „Jetzt kommen die Holländer!“. Wir arbeiten „local for local“, das hat sich auch in Belgien bewährt. Natürlich gibt es Synergien im Networking oder der IT, da unterstützen wir uns. Operativ lassen wir den Kollegen vor Ort freie Hand.
Anders herum: Lassen sich Wissen und Knowhow von chargeIT auch in den Niederlanden und Belgien einsetzen?
Natürlich können wir Ergebnisse aus der R&D-Abteilung von chargeIT auch in den Niederlanden verwenden! Ich würde die Niederlande im „Scale up“ etwa zwei Jahre vor Deutschland sehen, deshalb stellen wir uns mitunter andere Fragen als chargeIT. Aber Deutschland ist ein so großer Markt, da ist es auch gut, dass sich chargeIT mit den dort wichtigen Fragen beschäftigt.
Sie kennen mit Ihrer Erfahrung den niederländischen eMobility-Markt sehr gut, hatten nun aber auch einige Einblicke in den deutschen. Wie stark unterscheiden sich die Märkte bei der Nachfrage und Entwicklung aus Ihrer Sicht?
Das ist eine der wichtigsten strategischen Fragen, die ich mir jeden Tag stelle. Da gibt es kein Schwarz und Weiß. Die Energie-Infrastruktur ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, in Deutschland kommen Dinge wie das Eichrecht hinzu. Es gibt einzelne Elemente, die wir in allen Ländern anwenden können – den Hardware-Einkauf zum Beispiel. Wichtige Dinge wie die Back-Offices und der Vertrieb unterscheiden sich aber heute deutlich. Auch bei der Entwicklung von Technologien wie Smart Charging oder V2G werden wir Unterschiede sehen. Ich denke, dass es noch mindestens fünf Jahre dauern wird, bis wir hier einen einheitlichen Markt-Standard sehen.
Für Projekte wie Smart Charging oder Vehicle2Grid-Lösungen muss das in einem größeren Maßstab gedacht werden und von der Politik bzw. mehreren Branchen vorangetrieben werden.
Ohne den politischen Willen werden einige solcher Großprojekte nicht möglich sein, am besten auch grenzüberschreitend. Am Ende ist es die Frage, was das schwächste Glied der Kette ist. Und das ist oft die Energie-Infrastruktur – alleine zwischen den drei Ländern, die uns betreffen. In Belgien kommen noch die Unterschiede zwischen Flandern und der Wallonie hinzu. Dass die Schwäche die Energie-Infrastruktur ist, sieht man bereits heute in Norwegen. Und das wird auch in anderen Ländern so kommen. Unser Ursprung ist ein Energieunternehmen, deshalb haben wir in diesem Bereich viel Knowhow, aber immer noch keine abschließende Lösung. Eines ist klar: Die große Herausforderung für die eMobility sind nicht die Autos.
Sind weitere Übernahmen geplant?
Ich bin sehr aktiv und schaue mich immer um, rede mit Wettbewerbern. Oder jungen Unternehmen, die neue Mittel brauchen, um ihre Idee umzusetzen. Wir stehen aktuell vor zwei großen Aufgaben: die Integration von chargeIT abzuschließen und die Zusammenarbeit mit Mitsubishi aufzubauen. Dann sehen wir weiter.
Wollen Sie in weitere Märkte einsteigen?
Nein, vorerst nicht. Wir sind mit den drei Ländern ausreichend beschäftigt. Wir müssen nicht in allen Ländern sein. Wir müssen in Ländern sein, wo wir erfolgreich sein und einen gewissen Marktanteil erreichen können!
Konkurrenten wie Allego oder Fastned sind mit großen öffentlichen Ladeparks gut sichtbar, auch für Kunden. Und auf den Stationen bei den Händlern sind meist die Logos der Autobauer. Wo ist der Platz für den Markennamen chargeIT oder Eneco eMobility?
Aktuell nutzen wir beide Marken. Bald kommt noch mit Mitsubishi als Eneco-Eigentümer eine weitere Marke hinzu. Gerade Mitsubishi hat große Pläne, aber ob das auch Auswirkungen auf unseren Unternehmensnamen und das Branding haben wird, können wir wahrscheinlich frühestens im Mai sagen. Branding kostet Geld, ein gutes Branding noch mehr Geld. Ich weiß es noch nicht, was wir machen. Ende des Jahres sollten wir uns auf einen Namen und eine Marke geeinigt haben. Wir müssen aber auch festhalten: Für uns als B2B-Anbieter gibt es wichtigere Dinge als die Marke, gerade in der Phase des Scale Up. Wir müssen vor allem unsere Leistungen zuverlässig erbringen.
Bei der Ausgründung 2017 hatte Eneco eMobility 12 Mitarbeiter, heute sind es 103 in drei Ländern. Wie managt man dieses Wachstum?
Das ist die große Herausforderung. Acht von zehn Übernahmen sind aus diesem Grund nicht erfolgreich, weil in den Köpfen der Mitarbeiter noch das alte Unternehmen mit einer womöglich anderen Unternehmenskultur verankert ist. Deshalb investieren wir hier sehr viel Zeit, wir haben in den vergangenen drei Monaten viele Stunden mit den neuen Kollegen verbracht. Erst kürzlich waren alle 35 deutschen Kollegen aus Kitzingen und Dresden bei uns in Rotterdam, damit sie auch uns hier und unseren Standort kennen lernen können. Natürlich ist das nach drei Monaten noch nicht abgeschlossen, aber wir sind uns sehr schnell näher gekommen! Die DNA der beiden Betriebe ist sehr ähnlich.
Gibt es auch Unterschiede in der Mentalität?
Natürlich, das ist auch der Grund für einige dieser Unterschiede. Wir Holländer wollen Dinge sehr schnell, denken sie aber oft nicht bis zum Ende durch. Wir lösen ein Problem, wenn es auftritt. In Deutschland werden erst einmal alle potenziellen Probleme gelöst, bevor man an den Markt geht. Am Ende wird die deutsche Lösung vermutlich besser sein, aber wir Holländer sind schneller auf dem Markt. Ich habe jetzt die Aufgabe, beides so gut wie möglich zu nutzen.
Herr Poeth, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
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