Honda e: Ist das genug im Jahr 2020?
Mit dem e bringt Honda in diesem Jahr einen schicken und hochwertigen Elektro-Kleinwagen auf den Markt. Doch für seinen Preis bietet der kleine Japaner erstaunlich wenig Reichweite. Ob das Konzept aufgehen kann, zeigt eine erste Testfahrt.
* * *
Die Überraschung war groß, als Honda auf der IAA 2017 mit dem Urban EV die Studie eines pfiffigen, kleinen E-Autos vorstellte. Retro-Design, schick, zeitlos, moderne Technik. Viel ist seitdem geschrieben worden, über die Umbenennung in Honda e, seriennahe Prototypen, das Batterie-Konzept mit kleiner Reichweite, die hohen Preise.
Nur war bisher noch nicht klar, wie das Konzept in der Serie aufgeht – abgesehen von einer kurzen Testfahrt auf einem kleinen abgesperrten Gelände im vergangenen Sommer hat Honda noch keine Journalisten ans Steuer des Honda e gelassen. Bei der Fahrt auf dem Testgelände ließen sich zwar erste Eindrücke zum Fahrverhalten feststellen, aber keine belastbaren Aussagen über wichtige Faktoren wie die Reichweite, das Infotainment oder das besondere Außenspiegel-Kamera-Konzept treffen.
Jetzt, wenige Wochen vor dem geplanten Start der Serienproduktion im Februar, hatte electrive.net die Möglichkeit, eines der letzten Vorserienfahrzeuge rund um Valencia zu fahren. Zur Verfügung stand der Honda e Advance, also das etwas stärkere Modell (113 statt 100 kW) mit besserer Ausstattung. Die Kamera-Außenspiegel gehören übrigens schon beim 100-kW-Modell zum Serienumfang.
Die Unterschiede zu dem seriennahen Prototypen, den Honda im März 2019 auf dem Genfer Autosalon ausgestellt hatte, sind minimal. Die wohl wichtigste Änderung: Über die insgesamt fünf Bildschirme im Cockpit laufen jetzt keine animierten Grafiken mehr, sie funktionieren – inklusive eines KI-basierten Sprachassistenten, der auf „Ok, Honda“ reagiert. Die Aufteilung der Display-Armada ist recht simpel: Ganz außen befinden sich die jeweils sechs Zoll großen Monitore für die Darstellung der Außenspiegel, hinter dem Lenkrad ist ein 8,8 Zoll großes TFT-Display mit den Infos für den Fahrer – Tacho, Bordcomputer, die wichtigsten Anzeigen zum Antrieb oder Infotainment. Das eigentliche Infotainment findet auf zwei je 12,3 Zoll großen Touchscreens statt.
Display-Armada mit guter Funktion
Fünf Displays, zwei davon mit bewegenden Kamerabildern – oder gar drei, denn der Innenspiegel lässt sich entweder als solcher nutzen, oder auch als Bildschirm für eine Rückfahrkamera (falls wegen Gepäck oder Passagieren der Blick durch den Spiegel versperrt sein sollte. Aber auf der rund 200 Kilometer langen Testfahrt hat keines der Displays gestört. Gerade die Außenspiegel-Displays überraschen positiv: Sie sind besser positioniert als im Audi e-tron, liefern auch bei tief stehender Sonne ein klares und kontrastreiches Bild.
Die Informationen auf den anderen Displays sind gut ablesbar, die Bedienung intuitiv. Praktisch ist, dass sich die Inhalte der beiden Infotainment-Displays mit einem Tastendruck tauschen lassen. So kann etwa der Beifahrer auf seinem Bildschirm ein neues Navi-Ziel eingeben und danach die Karte wieder auf das mittlere Display übertragen. Und wenn der Beifahrer neue Musik auswählt, kann der Fahrer immer noch auf dem anderen Display die Zielführung sehen.
Nettes Detail: Honda hat neben zwei USB-Ports und einer 230-Volt-Steckdose auch einen HDMI-Port verbaut. Daran kann eine kleine Spielekonsole oder etwa ein Google Chromecast angeschlossen werden, um Streaming-Inhalte vom Smartphone oder Tablet auf dem Fahrzeug-Display wiederzugeben – nur im Stand, versteht sich. So kann die Ladepause angenehm überbrückt werden.
Kommen wir zu den Kernelementen des elektrischen Fahrens: Die Ladezeit an einer DC-Säule gibt Honda mit rund 30 Minuten an. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ladesäule 50 kW oder die theoretisch mit dem Honda e möglichen 100 kW bietet: Da bei der höheren Ladeleistung die Stromstärke zum Schutz der Batteriezellen schon sehr schnell wieder reduziert werden muss, ist der Ladevorgang von 0 auf 80 Prozent laut Honda nur eine Minute schneller als an einem 50-kW-Lader, die der Honda e sehr konstant abrufen kann. Der Hersteller veröffentlicht aktuell noch keine genauen Ladekurven. Wie in Gesprächen am Rande der Fahrvorstellung zu hören war, dürfte aber auch an einer entsprechend starken Ladesäule die durchschnittliche Ladeleistung je nach Temperatur und SoC zwischen 50 und 60 kW liegen.
Nicht mehr als 172 Kilometer Reichweite angezeigt
An einer AC-Säule liegt die maximale Ladeleistung bei 7,4 kW, was eine Ladezeit von 4,1 Stunden (auf 100 Prozent) ergibt. Greift die Schieflastverordnung und können nur 20 statt 32 Ampere genutzt werden, steigt die Ladezeit auf über 6,5 Stunden. An einer Haushaltssteckdose dauert der Ladevorgang ganze 18,8 Stunden.
Die Ladezeiten sind wichtig, denn bei gerade einmal 222 Kilometern WLTP-Reichweite wird der Honda e regelmäßig nachladen müssen. Bei unserer Testfahrt stieg die Reichweitenanzeige nicht über 172 Kilometer bei rund zehn Grad Außentemperatur und abgeschalteter Klimatisierung. Mit Klimaanlage (21,5 Grad auf die niedrigste Lüfterstufe eingestellt) sank die Anzeige schon auf 146 Kilometer – bei 98 Prozent SoC.
Bei zurückhaltender Fahrweise ließ sich der Honda e mit rund 16 kWh/100km bewegen. Wer aber auf seiner täglichen Pendelstrecke einen hohen Autobahnanteil hat und viel im Bereich 120-130 km/h fährt, kann auch schnell Verbrauchswerte von 22 kWh/100km oder mehr erreichen. Oder aber, man nutzt die 315 Newtonmeter des von Honda selbst entwickelten E-Motors ab und zu aus – mit dem kurzen Radstand und Heckmotor macht der Kleinwagen in Kurven durchaus Spaß. Zusammen mit etwas Heizung oder dem Klimakompressor im Sommer bleiben dann nur noch grob 120 Kilometer Reichweite übrig – in einem Elektroauto des Jahrgangs 2020.
Mehr als ein teurer Zweitwagen?
Honda gibt an, sich ganz bewusst für dieses Batteriekonzept entschieden zu haben. „Für die Reichweite haben wir viele Untersuchungen durchgeführt“, sagt Takahiro Shinya, Assistant Large Project Leader Honda e. „Die tägliche Fahrstrecke liegt bei 40 Kilometern, deshalb reicht für ein Stadtauto aus unserer Sicht diese Batteriegröße. Statt mehr Zellen war uns die Schnellladefähigkeit deutlich wichtiger.“ Das Gewicht der Batterie will Shinya selbst auf Nachfrage nicht nennen.
Die Frage, ob Honda damit für das Jahr 2020 das richtige Konzept gewählt hat, wird spätestens der Markt zeigen. Die Reichweite ist beschränkt, als Pendel-, Stadt- oder Zweitwagen aber vollkommen ausreichend – wenn man über eine zuverlässige Lademöglichkeit verfügt. Für Laternenparker arbeitet Honda mit Ubitricity zusammen, außer in Berlin und in Dortmund (angekündigt) gibt es aber noch keine solchen Ladepunkte in Deutschland. Im Frühjahr sollen die ersten Exemplare bei den deutschen Händlern ausgestellt werden, im Sommer die Auslieferungen starten. Dann wird sich ein genaueres Stimmungsbild abzeichnen, registrierte Interessenten haben noch lange keinen Kaufvertrag unterschrieben.
Neben der Reichweite ist der Preis einer der am meisten diskutierten Punkte bei dem kleinen Stromer. Für die 100-kW-Variante ruft Honda in Deutschland 33.850 Euro auf, für die Advance-Ausstattung mit 113 kW und mehr Features 36.850 Euro. Der Deutschland-Importeur hat zwar angekündigt, sich an dem erhöhten Umweltbonus beteiligen zu wollen, sobald er in Kraft tritt. Die 6.000-Euro-Prämie erhalten aber auch die Konkurrenzmodelle wie der Peugeot e-208, Opel Corsa-e oder Mini Cooper SE. Und die sind im Grundpreis allesamt günstiger und bieten mehr Reichweite.
Peugeot, Opel und selbst Mini bieten mehr Reichweite für weniger Geld
Umkehrt lässt sich aber auch argumentieren, dass man bei den genannten Modellen nicht einmal gegen Aufpreis solche Features im Innenraum bekommt wie beim Honda e. Sie bieten stattdessen einen leicht veränderten Innenraum der bekannten Verbrenner-Varianten, das ist mit dem Lounge-artigen Gefühl der Honda-Displays in Kombination mit dem offenporigen Holz im Armaturenträger nicht zu vergleichen. Auch an anderer Stelle spielt der Honda seine Stärke als reines BEV aus. Da an der Vorderachse kein großer Verbrenner oder Antriebswellen sitzen, können die Vorderräder bis zu 50 Grad eingeschlagen werden. Ähnlich wie beim BMW i3 werden so im Vergleich zu Conversion-Modellen erstaunliche Wendekreise möglich.
Trotz solcher Features das große Aber: Der Kunde muss wählen – und bei dem stand bisher viel Reichweite hoch im Kurs.
Das sind alles Punkte, die auch Honda auf dem Zettel hat, dennoch wurde der e bewusst so entworfen. „Wir wollen mit dem Honda e eine Vision des Autos von 2030 zeigen, umgesetzt mit den heute verfügbaren Technologien“, sagt Ko Yamamoto, Technical Consultant bei Honda. „Features wie die Außenspiegel oder der Innenraum sollen 2030 auf den Massenmarkt Standard sein.“ Heißt im Umkehrschluss: Der Honda e des Jahrgangs 2020 ist nicht für den Massenmarkt gedacht. Was vieles erklärt.
22 Kommentare