Erste Ladeanbieter heben Preise für Ionity-Säulen an
Die Deutsche Telekom hat die Preise ihres Ladestrom-Angebots GET CHARGE für Ionity seit dem 1. Februar auf 89 Cent/kWh angehoben. Über den „InCharge“-Dienst von Vattenfall kostet die Kilowattstunde künftig 79 Cent. Parallel hat Ionity auf Kritik an den teils hohen Preisen reagiert.
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Wie GET CHARGE nun mitteilt, ist Ionity ab dem 1. Februar als „sonstiger Partner“ gelistet. In dem seit April gültigen Preismodell rechnet der Ladedienst bei „bevorzugten Partnern“ 0,29 Euro/kWh an AC- und 0,39 Euro/kWh an DC-Ladepunkten ab. An den Ladepunkten der „sonstigen Partner“ kostet das AC- und DC-Laden einheitlich 0,89 Euro pro Kilowattstunde. Und Ionity ist jetzt vom „bevorzugten“ zum „sonstigen“ Partner geworden.
„Ihr habt es teilweise schon vermutet“, schreibt ein GET-CHARGE-Mitarbeiter in einer kurzen Mitteilung an die Kunden. „Die Gründe sind vielfältig aber letztendlich notwendig.“ Auch der Energiekonzern Vattenfall hat bei seinen neu aufgelegten Ladedienst InCharge Ionity nicht in den Standard-Tarif von 0,59 Euro/kWh aufgenommen. Ionity fällt unter eine der zahlreichen Ausnahmen, Vattenfall berechnet an diesen Säulen den InCharge-Nutzern 0,79 Euro/kWh. Bei Shell Recharge wird an Ionity-Säulen inzwischen ein Preis von 0,78 Euro/kWh berechnet. Plugsurfing teilte heute ebenfalls mit, für das Laden bei Ionity künftig mehr zu verlangen – und zwar 0,86 Euro/kWh. Das Startup nutzt die Gunst der Stunde jedoch, um sein Abomodell Plugsurfing Plus zu promoten: Das Abo stehe derzeit einem eingeschränkten Nutzerkreis zur Verfügung, der für einen monatlichen Preis in Höhe von 19,99€ für nur 0,34€/kWh in Deutschland laden kann – egal ob AC oder DC. Und dieser Preis gilt für Plugsurfing Plus-Nutzer auch bei Ionity.
Wir erinnern uns: Mitte Januar hatte das Schnelllade-Joint-Venture angekündigt, von den bisherigen Pauschalpreisen von acht Euro pro Ladevorgang auf eine verbrauchsbasierte Abrechnung umzustellen. Mit 0,79 Euro pro Kilowattstunde für Kunden ohne Vertrag ist der Preis aber einer der höchsten im Wettbewerbsumfeld.
Mit den Ladekarten anderer Mobility Service Provider (MSP) oder den Ladediensten der an Ionity beteiligten Autobauer kann weiter zu anderen Tarifen bei Ionity geladen werden – wenn auch wie im Falle der Hersteller-Ladedienste nur für die eigenen Kunden und dann auch noch teilweise mit monatlichen Gebühren verbunden. Bisher wurde von Ionity aber nicht kommuniziert, wie hoch der neuen B2B-Einkaufspreis für die MSP ist.
Im Vorfeld der Preisankündigung hatte Ionity europaweit Medien einige Interviews mit CEO Michael Hajesch oder COO Marcus Groll angeboten, auch die Redaktion von electrive.net hat mit Hajesch zu diesem Anlass gesprochen. Angesichts der überwiegend negativen Reaktionen vor der eigentlichen Einführung der Preise zum Monatswechsel hat Ionity nun weitere Interviews gegeben, um die Lage aus ihrer Sicht klarzustellen.
Besonders dem Vorwurf, den Kunden der eigenen Gesellschafter günstige Preise zu bieten und bei der Konkurrenz abzukassieren, widerspricht Hajesch. Bei den MSP mache nicht Ionity das Endkundenangebot. „Wie der individuelle Preispunkt für diese Angebote zustande kommt, dazu wenden Sie sich bitte an die Hersteller“, sagte der Ionity-Chef gegenüber „Emobly“. „Die Konditionen, die wir mit B2B-Partnern verhandeln, die dann ihre Ladeservices dem Endkunden anbieten und damit auch den individuellen Preis anbieten, die sind für alle von der Systematik her identisch.“
Bei den neuen Preisen, die von vielen Nutzern als „Lex Tesla“ verstanden wurden, um die zunehmend bei Ionity ladenden Tesla Model 3 mit hohen Tarifen abzuhalten, handle es sich um keine Abgrenzung und Bevorzugung der Shareholder. „Die Bedingungen, die wir mit den Partnern verhandeln, die stehen auch allen anderen Interessierten zu, damit auch Tesla“, so Hajesch. Die Konditionen, die Ionity seinen Gesellschaftern für deren Ladedienste bietet, kann Hajesch nach eigenen Angaben „rein rechtlich“ nicht offenlegen.
Auch den Vorwurf, weshalb Ionity trotz der erhaltenen Fördermittel aus Steuergeldern so teuer sei, könne er „in keinster Weise“ nachvollziehen. Wenn man wolle, dass der Umstieg auf die Elektromobilität schnell passiere, sei das weit verbreitete HPC-Netz von Ionity „ein wertvoller Beitrag für die gesamte Gesellschaft“. „Dafür stellt die Politik Anreizmodelle, was ja de facto immer Ziel von Fördergeldern ist“, sagte Hajesch. „Das ist doch ein ganz normaler, legitimer Prozess.“ Heißt übersetzt: Der Aufbau mag gefördert worden sein, der Betrieb aber ist Sache des Unternehmens.
So sehr er die Preisumstellung und das dahinter stehende Modell verteidigt, zeigte sich Hajesch in der Kommunikation der Preise selbstkritisch. „Wir haben die Kritikpunkte klar identifiziert“, sagt der Ionity-Chef. „Den Vorwurf, den wir uns dabei gefallen lassen müssen, ist, dass wir nicht ausreichend und transparent genug kommuniziert haben.“ Man überlege sich entsprechende Maßnahmen und wolle zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Dafür dürfte es nun etwas spät sein.
Update 10.02.2020:
Anders als GET CHARGE, Shell Recharge und Co hat sich EnBW nach eigenen Angaben gegen eine Preiserhöhung an den Ionity-Säulen entschieden. „Trotz der aktuellen Preispolitik des Ladestationsbetreibers Ionity haben wir uns daher entschieden, die EnBW mobility+ Tarife bis auf Weiteres nicht anzupassen“, schreibt das Unternehmen. „EnBW-Kunden laden also nach wie vor zu unseren transparenten und fairen Ladetarifen im größten Ladenetz in Deutschland, Österreich und der Schweiz – auch an Ionity-Stationen.“
Gute Nachrichten für #EnBW mobility+ Kunden: Unsere #Ladetarif|e bleiben trotz der aktuellen Preisentwicklungen im Markt bis auf Weiteres unverändert – auch an Ionity-Stationen. Wir empfehlen allerdings, wenn möglich, Alternativ-Standorte zu nutzen #emobility pic.twitter.com/kJAUGuYX2h
— EnBW (@EnBW) February 10, 2020
So weit, so gut. Die Mitteilung enthält aber auch zwei bemerkenswerte Passagen: Bis im Austausch mit Ionity eine Einigung getroffen sei, empfiehlt EnBW seinen Kunden, „alternative Ladestandorte“ zu nutzen. Sprich: Es ist möglich, über die EnBW bei Ionity zu laden, der Anbieter sieht es derzeit aber nicht so gerne.
Besonders in Verbindung mit der zweiten Passage ergibt sich damit eine groteske Situation: Obwohl EnBW an den eigenen Schnellladestationen mit bis zu 300 kW und eben auch an den Ionity-Ladesäulen im Basistarif 0,49 Euro pro kWh und im Viellader-Tarif 0,39 Euro/kWh verlangt, äußert das Unternehmen Verständnis für die Ionity-Preise: „Wir können die Intention dahinter sowohl in unserer Rolle als CPO sowie als EMP mit Blick auf die Kosten des Ladeinfrastrukturausbaus nachvollziehen. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass eine Preispolitik die Bedürfnisse aller Verbraucher berücksichtigen muss – ganz gleich in welcher Marktrolle die Akteure handeln. Die Ankündigung eines kWh-Preises von 0,79 Euro sehen wir vor diesem Hintergrund als kontraproduktiv. Der Auftrag der CPOs und EMPs im Land ist nicht weniger, als der Elektromobilität Vorschub zu leisten und einer breiten Masse den Zugang zur Elektromobilität zu ermöglichen. Natürlich nicht als dauerhaftes Subventionsprogramm, aber unbedingt kundenfreundlich.“
twitter.com (GET CHARGE), vattenfall.de, emobly.com (Hajesch-Interview)
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